Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Deutsch - höhnisches Briefe.

"Bretislciw und Jutta" feierte, und daß Zimmermann die Liebe König Wenzels
zur schönen Susanna besang, aber von sehr wenig nationalem Sinn zeugte es,
wenn Meißner in seinem "Zizka" und Hartmann in "Kelch und Schwert" eine
Revolution der Tschechen priesen und verherrlichten, welche zu einem ihrer
Hauptzwecke die Ausrottung des Volkselements in Böhmen hatte, zu dem diese
Herren sich zählten. Sie hätten dies den Nachkommen der Hussiten überlassen
können, welche in diesem Fache mehr als Hinreichendes leisteten und sogar durch
literarhistorische Falschmünzereien wie Wenzel Hankas "Königinhofer Handschrift"
(ich berichte Ihnen nächstens über die vor kurzem selbst durch tschechische Ge¬
lehrte bestätigte Ansteckung dieser M kraus) den Haß gegen die Deutschen
schürten.

Es war bei der Gleichgiltigkeit in Betreff ihrer Nationalität, in welche
die Deutschböhmcn versunken waren, nicht zu verwundern, wenn sie durch die
Art, wie die Tschechen der Provinz die Ereignisse von 1848 für ihre Zwecke
benutzten, überrascht wurden und geraume Zeit nicht recht begriffen, daß diese
Glaubensgenossen im liberalen Bekenntnisse sich jetzt als ihre Todfeinde ent¬
puppten. Erst nach trüben Erfahrungen, die ihnen die konstitutionelle Ära in
Osterreich brachte, begannen sie sich zu besinnen, die Gefahr zu erkennen und
sich zur Abwehr zu rüsten. Erst in dem letzte" Vierteljnhrhuudert fingen sie
an, sich als Zweig am Stamme der deutschen Nationalität zu fühlen und den
ihnen aufgezwungenen Vertcidiguugskampf gegen ihre slawischen Bedränger mit
einiger Energie aufzunehmen. Diese Energie wuchs, immer weitere Kreise
schlössen sich den Kämpfern an, es fanden sich geschickte Führer im Neichsrate
und im böhmischen Landtage, es entstanden Gesellschaften, welche für die Ziele
der Bewegung wirkten und die Absichten der Gegner nach Möglichkeit zu ver¬
eiteln bemüht waren, es entwickelte sich eine beachtenswerte deutschböhmische
Presse, und man würde schon von größern Erfolgen zu berichten haben, auch
auf parlamentarischem Boden, wenn die Führer der Deutschen in Österreich
nicht lauge Zeit mehr an liberale Doktrinen aus politischem und wirtschaftlichem
Boden, als an nationale Bedürfnisse gedacht und sich dadurch einflußreiche
Kreise entfremdet hätten. In den letzten Jahren ist das mit der steigenden
Gefahr in nicht wenigen Beziehungen anders geworden, die deutsche Partei
steht im Begriffe, eine vorwiegend nationale zu werden, die an das Nächste
und Wichtigste denkt und diesem vor allem ihre Thätigkeit zuwendet. Sie hatte,
soweit sie dcutschgesinnt erschien, auch früher unsre Sympathien, dieselben sind
mit jener Wendung wärmer geworden, und das wird sich in dem Maße steigern,
in welchem die Umwandlung sich vollendet.

Indem ich mir vorbehalte, in den folgenden Briefen einige Hauptphasen
des Kampfes der Deutschböhmen mit den Tschechen und die Ausgänge derselben
ausführlich zu schildern, gebe ich in diesen,, um Ihnen nicht zu viel Raum weg¬
zunehmen, nur im allgemeinen den Gang und das Wesen der betreffenden Er-


Deutsch - höhnisches Briefe.

„Bretislciw und Jutta" feierte, und daß Zimmermann die Liebe König Wenzels
zur schönen Susanna besang, aber von sehr wenig nationalem Sinn zeugte es,
wenn Meißner in seinem „Zizka" und Hartmann in „Kelch und Schwert" eine
Revolution der Tschechen priesen und verherrlichten, welche zu einem ihrer
Hauptzwecke die Ausrottung des Volkselements in Böhmen hatte, zu dem diese
Herren sich zählten. Sie hätten dies den Nachkommen der Hussiten überlassen
können, welche in diesem Fache mehr als Hinreichendes leisteten und sogar durch
literarhistorische Falschmünzereien wie Wenzel Hankas „Königinhofer Handschrift"
(ich berichte Ihnen nächstens über die vor kurzem selbst durch tschechische Ge¬
lehrte bestätigte Ansteckung dieser M kraus) den Haß gegen die Deutschen
schürten.

Es war bei der Gleichgiltigkeit in Betreff ihrer Nationalität, in welche
die Deutschböhmcn versunken waren, nicht zu verwundern, wenn sie durch die
Art, wie die Tschechen der Provinz die Ereignisse von 1848 für ihre Zwecke
benutzten, überrascht wurden und geraume Zeit nicht recht begriffen, daß diese
Glaubensgenossen im liberalen Bekenntnisse sich jetzt als ihre Todfeinde ent¬
puppten. Erst nach trüben Erfahrungen, die ihnen die konstitutionelle Ära in
Osterreich brachte, begannen sie sich zu besinnen, die Gefahr zu erkennen und
sich zur Abwehr zu rüsten. Erst in dem letzte» Vierteljnhrhuudert fingen sie
an, sich als Zweig am Stamme der deutschen Nationalität zu fühlen und den
ihnen aufgezwungenen Vertcidiguugskampf gegen ihre slawischen Bedränger mit
einiger Energie aufzunehmen. Diese Energie wuchs, immer weitere Kreise
schlössen sich den Kämpfern an, es fanden sich geschickte Führer im Neichsrate
und im böhmischen Landtage, es entstanden Gesellschaften, welche für die Ziele
der Bewegung wirkten und die Absichten der Gegner nach Möglichkeit zu ver¬
eiteln bemüht waren, es entwickelte sich eine beachtenswerte deutschböhmische
Presse, und man würde schon von größern Erfolgen zu berichten haben, auch
auf parlamentarischem Boden, wenn die Führer der Deutschen in Österreich
nicht lauge Zeit mehr an liberale Doktrinen aus politischem und wirtschaftlichem
Boden, als an nationale Bedürfnisse gedacht und sich dadurch einflußreiche
Kreise entfremdet hätten. In den letzten Jahren ist das mit der steigenden
Gefahr in nicht wenigen Beziehungen anders geworden, die deutsche Partei
steht im Begriffe, eine vorwiegend nationale zu werden, die an das Nächste
und Wichtigste denkt und diesem vor allem ihre Thätigkeit zuwendet. Sie hatte,
soweit sie dcutschgesinnt erschien, auch früher unsre Sympathien, dieselben sind
mit jener Wendung wärmer geworden, und das wird sich in dem Maße steigern,
in welchem die Umwandlung sich vollendet.

Indem ich mir vorbehalte, in den folgenden Briefen einige Hauptphasen
des Kampfes der Deutschböhmen mit den Tschechen und die Ausgänge derselben
ausführlich zu schildern, gebe ich in diesen,, um Ihnen nicht zu viel Raum weg¬
zunehmen, nur im allgemeinen den Gang und das Wesen der betreffenden Er-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0573" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200678"/>
          <fw type="header" place="top"> Deutsch - höhnisches Briefe.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1804" prev="#ID_1803"> &#x201E;Bretislciw und Jutta" feierte, und daß Zimmermann die Liebe König Wenzels<lb/>
zur schönen Susanna besang, aber von sehr wenig nationalem Sinn zeugte es,<lb/>
wenn Meißner in seinem &#x201E;Zizka" und Hartmann in &#x201E;Kelch und Schwert" eine<lb/>
Revolution der Tschechen priesen und verherrlichten, welche zu einem ihrer<lb/>
Hauptzwecke die Ausrottung des Volkselements in Böhmen hatte, zu dem diese<lb/>
Herren sich zählten. Sie hätten dies den Nachkommen der Hussiten überlassen<lb/>
können, welche in diesem Fache mehr als Hinreichendes leisteten und sogar durch<lb/>
literarhistorische Falschmünzereien wie Wenzel Hankas &#x201E;Königinhofer Handschrift"<lb/>
(ich berichte Ihnen nächstens über die vor kurzem selbst durch tschechische Ge¬<lb/>
lehrte bestätigte Ansteckung dieser M kraus) den Haß gegen die Deutschen<lb/>
schürten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1805"> Es war bei der Gleichgiltigkeit in Betreff ihrer Nationalität, in welche<lb/>
die Deutschböhmcn versunken waren, nicht zu verwundern, wenn sie durch die<lb/>
Art, wie die Tschechen der Provinz die Ereignisse von 1848 für ihre Zwecke<lb/>
benutzten, überrascht wurden und geraume Zeit nicht recht begriffen, daß diese<lb/>
Glaubensgenossen im liberalen Bekenntnisse sich jetzt als ihre Todfeinde ent¬<lb/>
puppten. Erst nach trüben Erfahrungen, die ihnen die konstitutionelle Ära in<lb/>
Osterreich brachte, begannen sie sich zu besinnen, die Gefahr zu erkennen und<lb/>
sich zur Abwehr zu rüsten. Erst in dem letzte» Vierteljnhrhuudert fingen sie<lb/>
an, sich als Zweig am Stamme der deutschen Nationalität zu fühlen und den<lb/>
ihnen aufgezwungenen Vertcidiguugskampf gegen ihre slawischen Bedränger mit<lb/>
einiger Energie aufzunehmen. Diese Energie wuchs, immer weitere Kreise<lb/>
schlössen sich den Kämpfern an, es fanden sich geschickte Führer im Neichsrate<lb/>
und im böhmischen Landtage, es entstanden Gesellschaften, welche für die Ziele<lb/>
der Bewegung wirkten und die Absichten der Gegner nach Möglichkeit zu ver¬<lb/>
eiteln bemüht waren, es entwickelte sich eine beachtenswerte deutschböhmische<lb/>
Presse, und man würde schon von größern Erfolgen zu berichten haben, auch<lb/>
auf parlamentarischem Boden, wenn die Führer der Deutschen in Österreich<lb/>
nicht lauge Zeit mehr an liberale Doktrinen aus politischem und wirtschaftlichem<lb/>
Boden, als an nationale Bedürfnisse gedacht und sich dadurch einflußreiche<lb/>
Kreise entfremdet hätten. In den letzten Jahren ist das mit der steigenden<lb/>
Gefahr in nicht wenigen Beziehungen anders geworden, die deutsche Partei<lb/>
steht im Begriffe, eine vorwiegend nationale zu werden, die an das Nächste<lb/>
und Wichtigste denkt und diesem vor allem ihre Thätigkeit zuwendet. Sie hatte,<lb/>
soweit sie dcutschgesinnt erschien, auch früher unsre Sympathien, dieselben sind<lb/>
mit jener Wendung wärmer geworden, und das wird sich in dem Maße steigern,<lb/>
in welchem die Umwandlung sich vollendet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1806" next="#ID_1807"> Indem ich mir vorbehalte, in den folgenden Briefen einige Hauptphasen<lb/>
des Kampfes der Deutschböhmen mit den Tschechen und die Ausgänge derselben<lb/>
ausführlich zu schildern, gebe ich in diesen,, um Ihnen nicht zu viel Raum weg¬<lb/>
zunehmen, nur im allgemeinen den Gang und das Wesen der betreffenden Er-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0573] Deutsch - höhnisches Briefe. „Bretislciw und Jutta" feierte, und daß Zimmermann die Liebe König Wenzels zur schönen Susanna besang, aber von sehr wenig nationalem Sinn zeugte es, wenn Meißner in seinem „Zizka" und Hartmann in „Kelch und Schwert" eine Revolution der Tschechen priesen und verherrlichten, welche zu einem ihrer Hauptzwecke die Ausrottung des Volkselements in Böhmen hatte, zu dem diese Herren sich zählten. Sie hätten dies den Nachkommen der Hussiten überlassen können, welche in diesem Fache mehr als Hinreichendes leisteten und sogar durch literarhistorische Falschmünzereien wie Wenzel Hankas „Königinhofer Handschrift" (ich berichte Ihnen nächstens über die vor kurzem selbst durch tschechische Ge¬ lehrte bestätigte Ansteckung dieser M kraus) den Haß gegen die Deutschen schürten. Es war bei der Gleichgiltigkeit in Betreff ihrer Nationalität, in welche die Deutschböhmcn versunken waren, nicht zu verwundern, wenn sie durch die Art, wie die Tschechen der Provinz die Ereignisse von 1848 für ihre Zwecke benutzten, überrascht wurden und geraume Zeit nicht recht begriffen, daß diese Glaubensgenossen im liberalen Bekenntnisse sich jetzt als ihre Todfeinde ent¬ puppten. Erst nach trüben Erfahrungen, die ihnen die konstitutionelle Ära in Osterreich brachte, begannen sie sich zu besinnen, die Gefahr zu erkennen und sich zur Abwehr zu rüsten. Erst in dem letzte» Vierteljnhrhuudert fingen sie an, sich als Zweig am Stamme der deutschen Nationalität zu fühlen und den ihnen aufgezwungenen Vertcidiguugskampf gegen ihre slawischen Bedränger mit einiger Energie aufzunehmen. Diese Energie wuchs, immer weitere Kreise schlössen sich den Kämpfern an, es fanden sich geschickte Führer im Neichsrate und im böhmischen Landtage, es entstanden Gesellschaften, welche für die Ziele der Bewegung wirkten und die Absichten der Gegner nach Möglichkeit zu ver¬ eiteln bemüht waren, es entwickelte sich eine beachtenswerte deutschböhmische Presse, und man würde schon von größern Erfolgen zu berichten haben, auch auf parlamentarischem Boden, wenn die Führer der Deutschen in Österreich nicht lauge Zeit mehr an liberale Doktrinen aus politischem und wirtschaftlichem Boden, als an nationale Bedürfnisse gedacht und sich dadurch einflußreiche Kreise entfremdet hätten. In den letzten Jahren ist das mit der steigenden Gefahr in nicht wenigen Beziehungen anders geworden, die deutsche Partei steht im Begriffe, eine vorwiegend nationale zu werden, die an das Nächste und Wichtigste denkt und diesem vor allem ihre Thätigkeit zuwendet. Sie hatte, soweit sie dcutschgesinnt erschien, auch früher unsre Sympathien, dieselben sind mit jener Wendung wärmer geworden, und das wird sich in dem Maße steigern, in welchem die Umwandlung sich vollendet. Indem ich mir vorbehalte, in den folgenden Briefen einige Hauptphasen des Kampfes der Deutschböhmen mit den Tschechen und die Ausgänge derselben ausführlich zu schildern, gebe ich in diesen,, um Ihnen nicht zu viel Raum weg¬ zunehmen, nur im allgemeinen den Gang und das Wesen der betreffenden Er-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/573
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/573>, abgerufen am 25.08.2024.