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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Dichterfreundinnen.

Sie zu denken, und so wird's bleiben, nicht wahr? Leben Sie Wohl, lieber
Freund. Denken Sie meiner oft, und immer mit einer freundschaftlichen Em¬
pfindung, ich erwiedere sie so gern." Und Karoline: "Seien Sie gegrüßt von
ganzer Seele, mein teurer Freund! Dies ist der erste Gruß, der durch einen
so weiten Weg zu Ihnen gelangt. Das Gefühl Ihrer Entfernung bleibt immer
lebendig in mir, tausend Erinnerungen, tausend liebe Gewohnheiten wecken es.
Ach, ich kenne keinen Ersatz für das, was Sie meinem Leben gegeben haben,
so frei und lebendig exisiirte mein Geist vor Ihnen! So wie Sie hat es noch
niemand verstanden, die Saiten meines innersten Wesens zu rühren -- bis zu
Thränen hat es mich oft bewegt, mit welcher Zartheit Sie meine Seele in trüben
Momenten gepflegt, getragen haben. Wie nötig ist es mir, in der Hoffnung zu
leben, Erinnerung allein würde mein Herz zerreißen, aber so schöpfe ich aus
ihr Ahnungen künftiger Glückseligkeit. O gutes Schicksal! Nur Sie in unsrer
Nähe, und dann mögen die Parze" noch hinzuspiunen, was ihnen sonst gefällt."

Schiller hatte sich gewöhnt, die beiden Schwestern als ein unzertrennliches
Paar zu denken, darum galt auch seiue Liebe von Anfang an beiden. So
schrieb er am 11. Dezember 1788 an Lotten: "Ihre beiderseitige gute Harmonie
ist ein schöner Genuß für mich, weil ich Sie in meinem Herzen vereinige, wie
Sie sich selbst vereinigt haben. Möchten Sie oder möchte vielmehr das Schicksal
Sie beide nie weit auseinander führen, wenn es möglich ist. Es ist gar nieder¬
schlagend für mich, wenn ich Sie mir getrennt denke, weil ich dann immer eine,
wenn nicht beide entbehren müßte." Ob er einen Vergleich zwischen beiden
angestellt, ob sein Herz geschwankt hat, läßt sich ans den Briefen nicht erkennen.

Am 3. August 1789 besuchte er die Schwestern in Lauchstädt und verlobte
sich im Stillen mit Charlotten. Karoline war die Vertraute der Liebenden und
geschäftig, alle Hindernisse aus dein Wege zu räumen. "Meine Schwester
-- erzählt sie -- bekannte ihm ihre Liebe und versprach ihm ihre Hand. Die
Zufriedenheit der gutem Mutter, die uns heilig war, hofften wir, obgleich die
äußere Lage wohl noch Bedenken bei ihr erregen konnte. Um ihr unnötige
Sorge zu ersparen, sollte noch alles für sie geheim bleiben, bis Schiller eines
kleinen fixen Gehaltes gewiß würde, der seine Existenz in Jena sicherte; einen
solchen konnten wir von dem Herzog von Weimar erwarten." Sie war auch
bei der Erklärung der beiden behilflich. Schiller gesteht dies Lotten in dem
ersten Briefe nach der Verlobung: "Ein wohlthätiger Engel war Karoline, die
meinem furchtsame,, Geheimnis so schön entgegenkam." Und im Oktober 1789
schreibt er ihr: "Ohne Karoline hätte ich lange mit dir umgehen können, ohne
es deutlich zu hoffen, daß ich dir mehr sein könnte als dein Freund. Soll
ich es dir gestehen? Ich hielt dich nicht mehr für ganz frei. Eine frühere
Neigung, fürchtete ich, hätte dich gebunden, und ihr Eindruck würde durch einen
neuen nicht mehr ganz zu verlöschen sein. Wenn mir dieser Gedanke nicht
vorgeschwebt hätte, würde ich schneller in deiner Seele gelesen haben."


Dichterfreundinnen.

Sie zu denken, und so wird's bleiben, nicht wahr? Leben Sie Wohl, lieber
Freund. Denken Sie meiner oft, und immer mit einer freundschaftlichen Em¬
pfindung, ich erwiedere sie so gern." Und Karoline: „Seien Sie gegrüßt von
ganzer Seele, mein teurer Freund! Dies ist der erste Gruß, der durch einen
so weiten Weg zu Ihnen gelangt. Das Gefühl Ihrer Entfernung bleibt immer
lebendig in mir, tausend Erinnerungen, tausend liebe Gewohnheiten wecken es.
Ach, ich kenne keinen Ersatz für das, was Sie meinem Leben gegeben haben,
so frei und lebendig exisiirte mein Geist vor Ihnen! So wie Sie hat es noch
niemand verstanden, die Saiten meines innersten Wesens zu rühren — bis zu
Thränen hat es mich oft bewegt, mit welcher Zartheit Sie meine Seele in trüben
Momenten gepflegt, getragen haben. Wie nötig ist es mir, in der Hoffnung zu
leben, Erinnerung allein würde mein Herz zerreißen, aber so schöpfe ich aus
ihr Ahnungen künftiger Glückseligkeit. O gutes Schicksal! Nur Sie in unsrer
Nähe, und dann mögen die Parze» noch hinzuspiunen, was ihnen sonst gefällt."

Schiller hatte sich gewöhnt, die beiden Schwestern als ein unzertrennliches
Paar zu denken, darum galt auch seiue Liebe von Anfang an beiden. So
schrieb er am 11. Dezember 1788 an Lotten: „Ihre beiderseitige gute Harmonie
ist ein schöner Genuß für mich, weil ich Sie in meinem Herzen vereinige, wie
Sie sich selbst vereinigt haben. Möchten Sie oder möchte vielmehr das Schicksal
Sie beide nie weit auseinander führen, wenn es möglich ist. Es ist gar nieder¬
schlagend für mich, wenn ich Sie mir getrennt denke, weil ich dann immer eine,
wenn nicht beide entbehren müßte." Ob er einen Vergleich zwischen beiden
angestellt, ob sein Herz geschwankt hat, läßt sich ans den Briefen nicht erkennen.

Am 3. August 1789 besuchte er die Schwestern in Lauchstädt und verlobte
sich im Stillen mit Charlotten. Karoline war die Vertraute der Liebenden und
geschäftig, alle Hindernisse aus dein Wege zu räumen. „Meine Schwester
— erzählt sie — bekannte ihm ihre Liebe und versprach ihm ihre Hand. Die
Zufriedenheit der gutem Mutter, die uns heilig war, hofften wir, obgleich die
äußere Lage wohl noch Bedenken bei ihr erregen konnte. Um ihr unnötige
Sorge zu ersparen, sollte noch alles für sie geheim bleiben, bis Schiller eines
kleinen fixen Gehaltes gewiß würde, der seine Existenz in Jena sicherte; einen
solchen konnten wir von dem Herzog von Weimar erwarten." Sie war auch
bei der Erklärung der beiden behilflich. Schiller gesteht dies Lotten in dem
ersten Briefe nach der Verlobung: „Ein wohlthätiger Engel war Karoline, die
meinem furchtsame,, Geheimnis so schön entgegenkam." Und im Oktober 1789
schreibt er ihr: „Ohne Karoline hätte ich lange mit dir umgehen können, ohne
es deutlich zu hoffen, daß ich dir mehr sein könnte als dein Freund. Soll
ich es dir gestehen? Ich hielt dich nicht mehr für ganz frei. Eine frühere
Neigung, fürchtete ich, hätte dich gebunden, und ihr Eindruck würde durch einen
neuen nicht mehr ganz zu verlöschen sein. Wenn mir dieser Gedanke nicht
vorgeschwebt hätte, würde ich schneller in deiner Seele gelesen haben."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/550>, abgerufen am 01.10.2024.