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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Literatur.

Aber Oschwald hatte sogar die Kindlichkeit, zu verlangen, die katholischen Priester
sollten in Armut leben, ihren göttlichen Beruf nicht zu gewinnbringenden Amt
und Handwerk hernntcrwürdigcn, sondern nur das Nötigste zur Erhaltung des
Leibes einnehmen oder noch besser mit ihrer Hände Arbeit verdienen, alle Unwür¬
digen aber sollten ausgestoßen werden.

Das letztere geschah ihm, und er ging nach Amerika.




3.

Als Oschwald dem unvollkommenen Diesseits den Rücken zu kehren be¬
schloß, verkauften viele seiner Jünger "alles, was sie hatten" und zogen mit
ihm hinweg; viele andre mußten zurückbleiben. Unter den letztern waren die
von Bcillenberg und Witscht und überhaupt jener ganzen Gegend am tiefsten
gerührt, am schmerzlichsten ergriffen. Und den Propheten "erbarmte die Ver¬
lassenheit des Volkes." Seid getrost, ich lasse euch die Mcigdalcna zurück,
sprach er feierlich.

Ähnlich hatte Christus der Herr gesprochen von dem Tröster, dem heiligen
Geiste. Die Parallele war deutlich. Wie ein Lauffeuer ging das Wort durch
die verschiednen Gemeinden, es war wie ein heiliges Testament. Mit einem
Schlage war die Magdalena als Statthalterin des Propheten im Ozeans-Diesseits
allgemein anerkannt und hieß vou Stunde an die heilige Madlene, lind nicht
nur bei den Auserwühlteu. Diese nannten sie so in der Heimlichkeit des
Herzens mit ehrfurchtsvollem Ernst, die Weltkinder dagegen gebrauchten den
Namen laut, wenn sie dabei auch nicht die Schauer der Ehrfurcht und An¬
betung der Eingeweihten empfanden. In Witscht pfiffen die Spatzen auf den
Dächern den Namen, und die Kinder wußten gar keinen andern.

Wer und was war nun die Heilige, ehe sie zu dieser außerordentlichen
Würde gelangte, in der sie später so Großes vollbracht hat?

(Fortsetzung folgt.)




Literatur.
Lieder der Freiheitskriege, für den Schulgcbrciuch zusammengestellt von Dr. Paul
Glüßer, Oberlehrer am königl. Gymnasium in Leipzig. Leipzig, P, Frohberg, 1886.

An unsern Gymnasien und Realschulen besteht die Vorschrift, daß im deutschen
Unterrichte in einer der mittlern Klassen, wohl gewöhnlich in der Obertertia, ein
volles halbes Jahr auf die Dichter der Freiheitskriege verwendet werde. Diese


Literatur.

Aber Oschwald hatte sogar die Kindlichkeit, zu verlangen, die katholischen Priester
sollten in Armut leben, ihren göttlichen Beruf nicht zu gewinnbringenden Amt
und Handwerk hernntcrwürdigcn, sondern nur das Nötigste zur Erhaltung des
Leibes einnehmen oder noch besser mit ihrer Hände Arbeit verdienen, alle Unwür¬
digen aber sollten ausgestoßen werden.

Das letztere geschah ihm, und er ging nach Amerika.




3.

Als Oschwald dem unvollkommenen Diesseits den Rücken zu kehren be¬
schloß, verkauften viele seiner Jünger „alles, was sie hatten" und zogen mit
ihm hinweg; viele andre mußten zurückbleiben. Unter den letztern waren die
von Bcillenberg und Witscht und überhaupt jener ganzen Gegend am tiefsten
gerührt, am schmerzlichsten ergriffen. Und den Propheten „erbarmte die Ver¬
lassenheit des Volkes." Seid getrost, ich lasse euch die Mcigdalcna zurück,
sprach er feierlich.

Ähnlich hatte Christus der Herr gesprochen von dem Tröster, dem heiligen
Geiste. Die Parallele war deutlich. Wie ein Lauffeuer ging das Wort durch
die verschiednen Gemeinden, es war wie ein heiliges Testament. Mit einem
Schlage war die Magdalena als Statthalterin des Propheten im Ozeans-Diesseits
allgemein anerkannt und hieß vou Stunde an die heilige Madlene, lind nicht
nur bei den Auserwühlteu. Diese nannten sie so in der Heimlichkeit des
Herzens mit ehrfurchtsvollem Ernst, die Weltkinder dagegen gebrauchten den
Namen laut, wenn sie dabei auch nicht die Schauer der Ehrfurcht und An¬
betung der Eingeweihten empfanden. In Witscht pfiffen die Spatzen auf den
Dächern den Namen, und die Kinder wußten gar keinen andern.

Wer und was war nun die Heilige, ehe sie zu dieser außerordentlichen
Würde gelangte, in der sie später so Großes vollbracht hat?

(Fortsetzung folgt.)




Literatur.
Lieder der Freiheitskriege, für den Schulgcbrciuch zusammengestellt von Dr. Paul
Glüßer, Oberlehrer am königl. Gymnasium in Leipzig. Leipzig, P, Frohberg, 1886.

An unsern Gymnasien und Realschulen besteht die Vorschrift, daß im deutschen
Unterrichte in einer der mittlern Klassen, wohl gewöhnlich in der Obertertia, ein
volles halbes Jahr auf die Dichter der Freiheitskriege verwendet werde. Diese


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/53>, abgerufen am 22.12.2024.