Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.Jugenderinnerungen. gewahrte man des Nachts, sowohl im Sommer wie im Winter, häufig hell¬ Die leuchtende Flamme sah ich auch mehr denn einmal über der schwarzen Der Fuß des Scheibebergcs lief auf der Südseite in ein Thal aus, das Über all dieser Orten lag, ich kann es nicht bestreiten, ein unbeschreibbares Grenzboten I. 1887. 63
Jugenderinnerungen. gewahrte man des Nachts, sowohl im Sommer wie im Winter, häufig hell¬ Die leuchtende Flamme sah ich auch mehr denn einmal über der schwarzen Der Fuß des Scheibebergcs lief auf der Südseite in ein Thal aus, das Über all dieser Orten lag, ich kann es nicht bestreiten, ein unbeschreibbares Grenzboten I. 1887. 63
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0505" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200610"/> <fw type="header" place="top"> Jugenderinnerungen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1572" prev="#ID_1571"> gewahrte man des Nachts, sowohl im Sommer wie im Winter, häufig hell¬<lb/> auflohende Flammen, die nach einiger Zeit wieder erloschen. Ohne Zweifel<lb/> waren es leuchtende Gase, die aus dem kohlen- und salpeterhciltigen Erdinnern<lb/> aufstiegen; denn unerschöpfliche Flötze einer sehr harzigen Braunkohle liegen<lb/> meilenweit rund um Zittau im Schoß der Erde verborgen und wurden erst<lb/> zwanzig oder dreißig Jahre später bergmännisch ausgebeutet. Das Volk be¬<lb/> hauptete und glaubte fest daran, es liege, wo solche Flammen sich zeigten, ein<lb/> Schatz verborgen. Vorübergehende, die sich entschließen könnten, solchem ge¬<lb/> räuschlos flackernden Feuer sich dreist zu nähern und einen Gegenstand von<lb/> einigem Wert, etwa ein Taschenmesser, einen silbernen Fingerring ze. hinein¬<lb/> zuwerfen und die Stelle dnrch ein Merkzeichen kenntlich zu machen, sollten<lb/> Tags darauf alte Gold- oder Silberstücke daselbst finden. Man pflegte des¬<lb/> halb beim Erblicken solcher Faunen zu sagen, es „brenne Geld."</p><lb/> <p xml:id="ID_1573"> Die leuchtende Flamme sah ich auch mehr denn einmal über der schwarzen<lb/> Ackerscholle in die Luft züngeln, sie verlosch aber, ehe ich sie erreichte, und daß<lb/> diejenigen, denen es wirklich geglückt sein wollte, ein Messer hineinzuwerfen,<lb/> womit einzelne Wohl prahlten, späterhin Geld oder Geldcswert an der bezeich¬<lb/> neten Stelle gefunden hätten, habe ich niemals gehört.</p><lb/> <p xml:id="ID_1574"> Der Fuß des Scheibebergcs lief auf der Südseite in ein Thal aus, das<lb/> umbuschte Hügel bis an die vorüberströmende Mauban begrenzten. Der Fluß<lb/> machte an dem höchsten dieser Hügel, dem Drehberge, eine Wendung gegen den<lb/> Schülerbusch und bildete dort eine kleine Bucht, in der sich das Wasser staute.<lb/> Die Stelle galt ihrer seltenen Tiefe wegen für gefährlich, ward aber auch noch<lb/> aus einem andern Grnnde gemieden. Dem Volksglauben zufolge wohnte nämlich<lb/> nnter den geräuschlos dahinziehenden Wellen der Wassermann. Wenn es rundum<lb/> ganz still war und der Nix nicht besorgen durfte, von neugierigen Mcnschen-<lb/> angen beobachtet zu werden, verließ er sein krystallenes Hans, setzte sich auf<lb/> das blumige Ufer, wo die Sonne recht heiß schien, und vertrieb sich die Zeit<lb/> durch lautes Zählen der Flicken auf seinen Kleidern, wobei er klatschend an<lb/> seine Schenkel schlug. Zu den wenigen Glücklichen, welche den Wassermann am<lb/> hellen Mittage beim Drehberge gesehen hatten, gehörte die Mutter meines<lb/> Freundes und dieselbe Dienstmagd, der ich beim Sauerampferpflücken für unsre<lb/> Polnische Einquartierung als kleiner Junge so tapfer geholfen hatte. Die Magd<lb/> war wagehalsig genug gewesen, sich lustig auf die Hüfte zu schlagen und aus¬<lb/> zurufen: „Da auch ein Flink!" worauf der Nix sich kopfüber ins Wasser ge¬<lb/> stürzt hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1575" next="#ID_1576"> Über all dieser Orten lag, ich kann es nicht bestreiten, ein unbeschreibbares<lb/> Etwas, das zu der Annahme berechtigte, just hier könne und müsst ein Tummel¬<lb/> platz für Geister sein, wenn es derer überhaupt gebe. Unzählige male habe<lb/> ich, bald in Begleitung, bald allein, bei Tage wie in finsterer Nacht, diese Orte<lb/> betreten, nicht aus Übermut, sondern um Aufträge des Vaters zu besorgen;</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1887. 63</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0505]
Jugenderinnerungen.
gewahrte man des Nachts, sowohl im Sommer wie im Winter, häufig hell¬
auflohende Flammen, die nach einiger Zeit wieder erloschen. Ohne Zweifel
waren es leuchtende Gase, die aus dem kohlen- und salpeterhciltigen Erdinnern
aufstiegen; denn unerschöpfliche Flötze einer sehr harzigen Braunkohle liegen
meilenweit rund um Zittau im Schoß der Erde verborgen und wurden erst
zwanzig oder dreißig Jahre später bergmännisch ausgebeutet. Das Volk be¬
hauptete und glaubte fest daran, es liege, wo solche Flammen sich zeigten, ein
Schatz verborgen. Vorübergehende, die sich entschließen könnten, solchem ge¬
räuschlos flackernden Feuer sich dreist zu nähern und einen Gegenstand von
einigem Wert, etwa ein Taschenmesser, einen silbernen Fingerring ze. hinein¬
zuwerfen und die Stelle dnrch ein Merkzeichen kenntlich zu machen, sollten
Tags darauf alte Gold- oder Silberstücke daselbst finden. Man pflegte des¬
halb beim Erblicken solcher Faunen zu sagen, es „brenne Geld."
Die leuchtende Flamme sah ich auch mehr denn einmal über der schwarzen
Ackerscholle in die Luft züngeln, sie verlosch aber, ehe ich sie erreichte, und daß
diejenigen, denen es wirklich geglückt sein wollte, ein Messer hineinzuwerfen,
womit einzelne Wohl prahlten, späterhin Geld oder Geldcswert an der bezeich¬
neten Stelle gefunden hätten, habe ich niemals gehört.
Der Fuß des Scheibebergcs lief auf der Südseite in ein Thal aus, das
umbuschte Hügel bis an die vorüberströmende Mauban begrenzten. Der Fluß
machte an dem höchsten dieser Hügel, dem Drehberge, eine Wendung gegen den
Schülerbusch und bildete dort eine kleine Bucht, in der sich das Wasser staute.
Die Stelle galt ihrer seltenen Tiefe wegen für gefährlich, ward aber auch noch
aus einem andern Grnnde gemieden. Dem Volksglauben zufolge wohnte nämlich
nnter den geräuschlos dahinziehenden Wellen der Wassermann. Wenn es rundum
ganz still war und der Nix nicht besorgen durfte, von neugierigen Mcnschen-
angen beobachtet zu werden, verließ er sein krystallenes Hans, setzte sich auf
das blumige Ufer, wo die Sonne recht heiß schien, und vertrieb sich die Zeit
durch lautes Zählen der Flicken auf seinen Kleidern, wobei er klatschend an
seine Schenkel schlug. Zu den wenigen Glücklichen, welche den Wassermann am
hellen Mittage beim Drehberge gesehen hatten, gehörte die Mutter meines
Freundes und dieselbe Dienstmagd, der ich beim Sauerampferpflücken für unsre
Polnische Einquartierung als kleiner Junge so tapfer geholfen hatte. Die Magd
war wagehalsig genug gewesen, sich lustig auf die Hüfte zu schlagen und aus¬
zurufen: „Da auch ein Flink!" worauf der Nix sich kopfüber ins Wasser ge¬
stürzt hatte.
Über all dieser Orten lag, ich kann es nicht bestreiten, ein unbeschreibbares
Etwas, das zu der Annahme berechtigte, just hier könne und müsst ein Tummel¬
platz für Geister sein, wenn es derer überhaupt gebe. Unzählige male habe
ich, bald in Begleitung, bald allein, bei Tage wie in finsterer Nacht, diese Orte
betreten, nicht aus Übermut, sondern um Aufträge des Vaters zu besorgen;
Grenzboten I. 1887. 63
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |