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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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(1879) der Berichterstatter, der hannoversche Rechtsanwalt Laporte, die hohen,
von der Kommission beschlossenen Gebühren empfahl, sagte er: "Durch die be¬
schlossenen Änderungen glaubte die Kommission vielseitig hervorgetretenen
Wünschen, und zwar innerhalb der äußersten Grenzen der Mäßigung und
Billigkeit, nachkommen zu sollen. Daß diese so erhöhten Sätze weit zurück¬
bleiben hinter demjenigen, was aus den Kreisen der Standesgenossen, und zwar
nicht bloß der Anwaltschaft, sondern auch der Richter, für notwendig und an¬
gemessen erachtet ist, darüber liegen eine Menge von Zeugnissen vor. Auf der
Erhaltung eines tüchtigen und ehrenhaften Nnwaltstandes beruht zweifellos in
erster Linie die gedeihliche Entfaltung der neuen Ordnung der Rechtspflege, bei
der alle gleichermaßen interessirt sind. Die Wünsche des Anwaltstandes ver¬
dienten deshalb gewiß die höchste Beachtung. Sind wir mit unsern Vorschlägen
hinter denselben zurückgeblieben, ich kann sagen, weit zurückgeblieben, wenn ich
namentlich den Auwaltstag als Vertreter dieser Wünsche mir vorstelle, dann,
meine Herren, haben wir das lediglich gethan, um das Gesetz und die einheit¬
liche Gerichtsverfassung für ganz Deutschland überhaupt nicht zu gefährden.
Wir haben die Hoffnung gehegt, daß das Opfer, welches zweifellos mit der
neue" Ordnung der Dinge auch der Anwaltschaft -- und ich glaube der für
die Interesse" des Vaterlandes und ihres Berufes allezeit opferbereiten An¬
waltschaft nicht in letzter Linie -- auferlegt wird, von ihr nicht allzuschwer
befunden werden wird."

Gehen wir nun ans die Beschlüsse des von dem Berichterstatter erwähnten
Anwaltstcigcs zurück, so äußerte sich dort ein rheinischer Advokat, dessen Anträge
vom Anwaltstage angenommen wurden, folgendermaßen: "Der vorgelegte Ent¬
wurf mag wohl genügen, um einer angemessenen Anzahl von Anwälten ein
Durchschnittseinkommen zu geben; aber das genügt nicht, denn es liegt in der
Einrichtung der Anwaltschaft als notwendige Konsequenz, daß immer ein großer
Teil der Anwälte nur die Hälfte des Durchschnittseinkommens hat." An¬
knüpfend sodann an einen Ausspruch des Ministers Leonhardt, wonach ein
Drittel der Anwälte ein Einkommen über den Durchschnitt, ein Drittel ein
Durchschnittseinkommen und das letzte Drittel nur ein Einkommen nnter dem
Durchschnitte habe, fuhr der Redner fort: "Es kann gewiß nicht die Absicht
sein, weder des Reichstages noch überhaupt jemandes, daß ein Drittel der
Anwälte ein cibsolnt unauskömmlichcs Einkommen habe." Daraus folgerte er
dann, daß mau Maßregeln ergreifen müsse, um dieses eine Drittel, welches mit
einem unaustömmlicheu Einkommen behaftet sei, durch Erhöhung des Tarifs
in eine sichere Lebensstellung zu bringen.

Es ist wohl anzunehmen, daß die Anwälte, indem sie die unbedingte Not¬
wendigkeit der jetzt bestehenden Gebühren vertreten, auch jetzt noch von gleichen
Anschauungen ausgehen. Zur Erläuterung ihrer Ansichten würde es vielleicht
am besten gedient haben, wenn die zusammengetretenen Vorstände hätten an-


(1879) der Berichterstatter, der hannoversche Rechtsanwalt Laporte, die hohen,
von der Kommission beschlossenen Gebühren empfahl, sagte er: „Durch die be¬
schlossenen Änderungen glaubte die Kommission vielseitig hervorgetretenen
Wünschen, und zwar innerhalb der äußersten Grenzen der Mäßigung und
Billigkeit, nachkommen zu sollen. Daß diese so erhöhten Sätze weit zurück¬
bleiben hinter demjenigen, was aus den Kreisen der Standesgenossen, und zwar
nicht bloß der Anwaltschaft, sondern auch der Richter, für notwendig und an¬
gemessen erachtet ist, darüber liegen eine Menge von Zeugnissen vor. Auf der
Erhaltung eines tüchtigen und ehrenhaften Nnwaltstandes beruht zweifellos in
erster Linie die gedeihliche Entfaltung der neuen Ordnung der Rechtspflege, bei
der alle gleichermaßen interessirt sind. Die Wünsche des Anwaltstandes ver¬
dienten deshalb gewiß die höchste Beachtung. Sind wir mit unsern Vorschlägen
hinter denselben zurückgeblieben, ich kann sagen, weit zurückgeblieben, wenn ich
namentlich den Auwaltstag als Vertreter dieser Wünsche mir vorstelle, dann,
meine Herren, haben wir das lediglich gethan, um das Gesetz und die einheit¬
liche Gerichtsverfassung für ganz Deutschland überhaupt nicht zu gefährden.
Wir haben die Hoffnung gehegt, daß das Opfer, welches zweifellos mit der
neue» Ordnung der Dinge auch der Anwaltschaft — und ich glaube der für
die Interesse» des Vaterlandes und ihres Berufes allezeit opferbereiten An¬
waltschaft nicht in letzter Linie — auferlegt wird, von ihr nicht allzuschwer
befunden werden wird."

Gehen wir nun ans die Beschlüsse des von dem Berichterstatter erwähnten
Anwaltstcigcs zurück, so äußerte sich dort ein rheinischer Advokat, dessen Anträge
vom Anwaltstage angenommen wurden, folgendermaßen: „Der vorgelegte Ent¬
wurf mag wohl genügen, um einer angemessenen Anzahl von Anwälten ein
Durchschnittseinkommen zu geben; aber das genügt nicht, denn es liegt in der
Einrichtung der Anwaltschaft als notwendige Konsequenz, daß immer ein großer
Teil der Anwälte nur die Hälfte des Durchschnittseinkommens hat." An¬
knüpfend sodann an einen Ausspruch des Ministers Leonhardt, wonach ein
Drittel der Anwälte ein Einkommen über den Durchschnitt, ein Drittel ein
Durchschnittseinkommen und das letzte Drittel nur ein Einkommen nnter dem
Durchschnitte habe, fuhr der Redner fort: „Es kann gewiß nicht die Absicht
sein, weder des Reichstages noch überhaupt jemandes, daß ein Drittel der
Anwälte ein cibsolnt unauskömmlichcs Einkommen habe." Daraus folgerte er
dann, daß mau Maßregeln ergreifen müsse, um dieses eine Drittel, welches mit
einem unaustömmlicheu Einkommen behaftet sei, durch Erhöhung des Tarifs
in eine sichere Lebensstellung zu bringen.

Es ist wohl anzunehmen, daß die Anwälte, indem sie die unbedingte Not¬
wendigkeit der jetzt bestehenden Gebühren vertreten, auch jetzt noch von gleichen
Anschauungen ausgehen. Zur Erläuterung ihrer Ansichten würde es vielleicht
am besten gedient haben, wenn die zusammengetretenen Vorstände hätten an-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/365>, abgerufen am 23.12.2024.