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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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französische Königtum um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts zu lösen
hatte. Auch hier galt es, zu dem K'önigtume erst den der Bezeichnung als
Königreich würdigen Staat, zu dem königlichen Namen die in Rechten und
Pflichten gleich hoch bemessene königliche Herrschaft hinzuzuschaffen.

Das that Friedrich Wilhelm I. vermöge einer großen organisatorischen
Maßregel, welche in Anlage und Tendenz, ja in den Einzelheiten der Aus¬
führung überraschend an das Werk Jacques Cocnrs, des Kaufmanns von
Bourges, erinnert. Was für Frankreich Karls VII. Ordonnanz gewesen, das
wurde für den jungen preußischen Königsstaat jene Instruktion, die Friedrich
Wilhelm I. Ende 1722 in der Einsamkeit des Jagdschlosses Schonebeck aus¬
arbeitete und die nach "Kassirung" des Generalkommissariats und des Gencral-
direktvriums, von denen ersteres den militärischen Anforderungen der neuern
Zeit so wenig entsprach, wie letzteres den finanziellen, seinem Staate eine "neue
Verfassung" verlieh. Die Organisation der preußischen Verwaltung unter dem
Generaldirektvrinm, welches die bisher gesonderten Departements der Domänen,
der Finanzen und des Kriegswesens straff zentralisirt in sich vereinigte, erscheint
wie eine der fortgeschrittenen staatlichen Kultur und ihren gesteigerten An¬
sprüchen angepaßte Erweiterung und Ausbildung derjenigen, die einst Jacques
Coeur in Frankreich durchgeführt hatte. Dieselbe Sonderung der Finanzen und
des Kriegswesens, dieselbe Beziehung beider aufeinander, dieselbe Verknüpfung
allgemeiner Staatsinteressen mit besondern StantSbedürfniffen hier wie dort.
Aber dort hören wir gleichsam das unbeholfene Stammeln des eben zum
Selbstbewußtsein erwachenden Staates, hier das scharfe, schneidende, wie mili¬
tärisches Kommando klingende Gebot des Staates, der in der vollen Erkenntnis
seines Berufes auch vou allen seinen Gliedern ohne Unterschied unbedingte Er¬
füllung ihrer Pflichten verlangt. Bekannt ist, wie ernst, wie heilig Friedrich
Wilhelm I. auch den sozialen Beruf des Königtums ergriffen, wie segensreich
er ihn erfüllt hat, was der endlich aufatmende Bauernstand, was das Bürger¬
tum, was Ackerbau, Handwerk, Gewerbebetrieb und Städtewesen seiner uner¬
müdlichen Fürsorge verdanken. Die unterschiedslose Dienstbarkeit aller Stände
gegenüber dem von dem strengen Geiste militärischer Zucht erfüllten Staate
wurde vergolten und belohnt durch die gleich unterschiedslose Fürsorge des
Staates für alle seine Angehörigen.

Was an der Schwelle der neuern Zeit weitblickende Geister als den Beruf
des neuen Königtums geahnt haben mochten, hier war es erfüllt, und zwar
nicht bloß in politischem, sondern in einem höhern, einem sittlichen Sinne. Unter
diesem Königtumc, das nicht bloß seinen politischen und militärischen, sondern
auch seinen sozialen Pflichten in selbstverleugncnder Hingebung gerecht wurde
und von dem ein reicher wirtschaftlicher Segen ausströmte, wuchsen nun anch
die verschiednen Stämme und Landschaften, die bisher mehr äußerlich unter den
Hohenzollern vereinigt gewesen waren, zu wahrer Lebensgemeinschaft zusammen:


französische Königtum um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts zu lösen
hatte. Auch hier galt es, zu dem K'önigtume erst den der Bezeichnung als
Königreich würdigen Staat, zu dem königlichen Namen die in Rechten und
Pflichten gleich hoch bemessene königliche Herrschaft hinzuzuschaffen.

Das that Friedrich Wilhelm I. vermöge einer großen organisatorischen
Maßregel, welche in Anlage und Tendenz, ja in den Einzelheiten der Aus¬
führung überraschend an das Werk Jacques Cocnrs, des Kaufmanns von
Bourges, erinnert. Was für Frankreich Karls VII. Ordonnanz gewesen, das
wurde für den jungen preußischen Königsstaat jene Instruktion, die Friedrich
Wilhelm I. Ende 1722 in der Einsamkeit des Jagdschlosses Schonebeck aus¬
arbeitete und die nach „Kassirung" des Generalkommissariats und des Gencral-
direktvriums, von denen ersteres den militärischen Anforderungen der neuern
Zeit so wenig entsprach, wie letzteres den finanziellen, seinem Staate eine „neue
Verfassung" verlieh. Die Organisation der preußischen Verwaltung unter dem
Generaldirektvrinm, welches die bisher gesonderten Departements der Domänen,
der Finanzen und des Kriegswesens straff zentralisirt in sich vereinigte, erscheint
wie eine der fortgeschrittenen staatlichen Kultur und ihren gesteigerten An¬
sprüchen angepaßte Erweiterung und Ausbildung derjenigen, die einst Jacques
Coeur in Frankreich durchgeführt hatte. Dieselbe Sonderung der Finanzen und
des Kriegswesens, dieselbe Beziehung beider aufeinander, dieselbe Verknüpfung
allgemeiner Staatsinteressen mit besondern StantSbedürfniffen hier wie dort.
Aber dort hören wir gleichsam das unbeholfene Stammeln des eben zum
Selbstbewußtsein erwachenden Staates, hier das scharfe, schneidende, wie mili¬
tärisches Kommando klingende Gebot des Staates, der in der vollen Erkenntnis
seines Berufes auch vou allen seinen Gliedern ohne Unterschied unbedingte Er¬
füllung ihrer Pflichten verlangt. Bekannt ist, wie ernst, wie heilig Friedrich
Wilhelm I. auch den sozialen Beruf des Königtums ergriffen, wie segensreich
er ihn erfüllt hat, was der endlich aufatmende Bauernstand, was das Bürger¬
tum, was Ackerbau, Handwerk, Gewerbebetrieb und Städtewesen seiner uner¬
müdlichen Fürsorge verdanken. Die unterschiedslose Dienstbarkeit aller Stände
gegenüber dem von dem strengen Geiste militärischer Zucht erfüllten Staate
wurde vergolten und belohnt durch die gleich unterschiedslose Fürsorge des
Staates für alle seine Angehörigen.

Was an der Schwelle der neuern Zeit weitblickende Geister als den Beruf
des neuen Königtums geahnt haben mochten, hier war es erfüllt, und zwar
nicht bloß in politischem, sondern in einem höhern, einem sittlichen Sinne. Unter
diesem Königtumc, das nicht bloß seinen politischen und militärischen, sondern
auch seinen sozialen Pflichten in selbstverleugncnder Hingebung gerecht wurde
und von dem ein reicher wirtschaftlicher Segen ausströmte, wuchsen nun anch
die verschiednen Stämme und Landschaften, die bisher mehr äußerlich unter den
Hohenzollern vereinigt gewesen waren, zu wahrer Lebensgemeinschaft zusammen:


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[0221] französische Königtum um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts zu lösen hatte. Auch hier galt es, zu dem K'önigtume erst den der Bezeichnung als Königreich würdigen Staat, zu dem königlichen Namen die in Rechten und Pflichten gleich hoch bemessene königliche Herrschaft hinzuzuschaffen. Das that Friedrich Wilhelm I. vermöge einer großen organisatorischen Maßregel, welche in Anlage und Tendenz, ja in den Einzelheiten der Aus¬ führung überraschend an das Werk Jacques Cocnrs, des Kaufmanns von Bourges, erinnert. Was für Frankreich Karls VII. Ordonnanz gewesen, das wurde für den jungen preußischen Königsstaat jene Instruktion, die Friedrich Wilhelm I. Ende 1722 in der Einsamkeit des Jagdschlosses Schonebeck aus¬ arbeitete und die nach „Kassirung" des Generalkommissariats und des Gencral- direktvriums, von denen ersteres den militärischen Anforderungen der neuern Zeit so wenig entsprach, wie letzteres den finanziellen, seinem Staate eine „neue Verfassung" verlieh. Die Organisation der preußischen Verwaltung unter dem Generaldirektvrinm, welches die bisher gesonderten Departements der Domänen, der Finanzen und des Kriegswesens straff zentralisirt in sich vereinigte, erscheint wie eine der fortgeschrittenen staatlichen Kultur und ihren gesteigerten An¬ sprüchen angepaßte Erweiterung und Ausbildung derjenigen, die einst Jacques Coeur in Frankreich durchgeführt hatte. Dieselbe Sonderung der Finanzen und des Kriegswesens, dieselbe Beziehung beider aufeinander, dieselbe Verknüpfung allgemeiner Staatsinteressen mit besondern StantSbedürfniffen hier wie dort. Aber dort hören wir gleichsam das unbeholfene Stammeln des eben zum Selbstbewußtsein erwachenden Staates, hier das scharfe, schneidende, wie mili¬ tärisches Kommando klingende Gebot des Staates, der in der vollen Erkenntnis seines Berufes auch vou allen seinen Gliedern ohne Unterschied unbedingte Er¬ füllung ihrer Pflichten verlangt. Bekannt ist, wie ernst, wie heilig Friedrich Wilhelm I. auch den sozialen Beruf des Königtums ergriffen, wie segensreich er ihn erfüllt hat, was der endlich aufatmende Bauernstand, was das Bürger¬ tum, was Ackerbau, Handwerk, Gewerbebetrieb und Städtewesen seiner uner¬ müdlichen Fürsorge verdanken. Die unterschiedslose Dienstbarkeit aller Stände gegenüber dem von dem strengen Geiste militärischer Zucht erfüllten Staate wurde vergolten und belohnt durch die gleich unterschiedslose Fürsorge des Staates für alle seine Angehörigen. Was an der Schwelle der neuern Zeit weitblickende Geister als den Beruf des neuen Königtums geahnt haben mochten, hier war es erfüllt, und zwar nicht bloß in politischem, sondern in einem höhern, einem sittlichen Sinne. Unter diesem Königtumc, das nicht bloß seinen politischen und militärischen, sondern auch seinen sozialen Pflichten in selbstverleugncnder Hingebung gerecht wurde und von dem ein reicher wirtschaftlicher Segen ausströmte, wuchsen nun anch die verschiednen Stämme und Landschaften, die bisher mehr äußerlich unter den Hohenzollern vereinigt gewesen waren, zu wahrer Lebensgemeinschaft zusammen:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/221>, abgerufen am 01.10.2024.