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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Aus der Chronik derer von Riffelshausen.

Die Tracht der Männer und Bursche hatte wenig eigentümliches, die hohen
Westen von Hcmsgespiunst abgerechnet, die sie unter den langen Rocken trugen
und die sich in voller Schönheit zeigten, wenn in der Hitze des Tanzsaales die
jungen Bursche sich der Oberröcke entledigten und nun in der blendenden Weiße
der groben Hemdsärmel glänzten.

Heute aber mußten die Burschen und die muntern Mädchen ihre Tanzlust
zügeln und dem jüngern Nachwüchse das Feld überlassen. Dieser stand auch
bereits, ein Pärchen hinter dem andern, in langem Zuge aufmarschirt an der
Hinterwand des Saales, die Gesichter rot vor Freude im Bewußtsein der eignen
Wichtigkeit.

Therese ließ sich neben der Schützin nieder und hörte nicht ohne Ver¬
gnügen deren bewundernde Worte über die "herzigen jungen Herrschaften" an.
Herr Taub, der Schullehrer, führte besagte junge Herrschaften an die Spitze
des Zuges und ersuchte die zwei ersten Herren, den Neuangekommenen ihre
Tänzerinnen abzutreten und dasür Julie und Mathilde Niffelshansen in Em¬
pfang zu nehmen.

So führte nun Anton den Zug an, respektvoll die Fingerspitzen des ver¬
legner Mädchens fassend, das, nicht so unbefangen wie ihr Kavalier, sich der
Beobachtung aller Anwesenden bewußt war. Es folgten Valerian und Franziska
Wild, genannt Franze, ein hübsches Mädchen, das Verlegenheit wenig kannte
und jetzt ebenfalls mit bewundernden Blicken nach Antons Uniform mit den
blanken Knöpfen sah. Valerian bemerkte dies mit Ärger, und ohne lange über
Ursache und Wirkung nachzudenken, sagte er seiner Tänzerin ins Ohr: Die
Meute Schwarz sieht nicht halb so hübsch aus wie du, wenn du's wissen willst.

Hvcherrötend wandte sie sich ihm zu. So angenehme Dinge wußte Anton
freilich nicht zu sagen.

Mathilde indessen, die im weißen Kleidchen und den Blumenkranz in den
braunen Locken wie ein Blumcnelfchen aus dem Bilde aussah, bemerkte trotz
dieser Elfenhaftigkeit ihrem Tänzer ängstlich, er möge sich bei dem großen Riß
in der Diele vorsehen, daß sie nicht zu Falle kämen. Julie aber beriet mit
ihrem Freunde Heinrich, ob dessen Bruder "Hucho," der zu Michaeli den Schul¬
besuch beginnen sollte, um dies wichtige Ereignis gebührend zu begehen, eine
neue Jacke erhalten werde.

Da schlug der Schullehrer, der wie ein Zirkusführer achtsam in der Mitte
des Saales stand, in die Hände, und sofort setzten sich die ersten acht Paare
in Bewegung. Sie tanzten sonder Bedenken über alle Hindernisse hinweg, einige
male herum und stellten sich dann bescheidentlich an das untere Ende des Zuges,
worauf der Schullehrer wieder in die Hände schlug und andre acht Paare
herumtanzten.

Nach und nach riß freilich in die schöne Reihenfolge etwas Unordnung
ein. Hier stießen ein paar rechts herumkommende auf ein kühn sich von links


Aus der Chronik derer von Riffelshausen.

Die Tracht der Männer und Bursche hatte wenig eigentümliches, die hohen
Westen von Hcmsgespiunst abgerechnet, die sie unter den langen Rocken trugen
und die sich in voller Schönheit zeigten, wenn in der Hitze des Tanzsaales die
jungen Bursche sich der Oberröcke entledigten und nun in der blendenden Weiße
der groben Hemdsärmel glänzten.

Heute aber mußten die Burschen und die muntern Mädchen ihre Tanzlust
zügeln und dem jüngern Nachwüchse das Feld überlassen. Dieser stand auch
bereits, ein Pärchen hinter dem andern, in langem Zuge aufmarschirt an der
Hinterwand des Saales, die Gesichter rot vor Freude im Bewußtsein der eignen
Wichtigkeit.

Therese ließ sich neben der Schützin nieder und hörte nicht ohne Ver¬
gnügen deren bewundernde Worte über die „herzigen jungen Herrschaften" an.
Herr Taub, der Schullehrer, führte besagte junge Herrschaften an die Spitze
des Zuges und ersuchte die zwei ersten Herren, den Neuangekommenen ihre
Tänzerinnen abzutreten und dasür Julie und Mathilde Niffelshansen in Em¬
pfang zu nehmen.

So führte nun Anton den Zug an, respektvoll die Fingerspitzen des ver¬
legner Mädchens fassend, das, nicht so unbefangen wie ihr Kavalier, sich der
Beobachtung aller Anwesenden bewußt war. Es folgten Valerian und Franziska
Wild, genannt Franze, ein hübsches Mädchen, das Verlegenheit wenig kannte
und jetzt ebenfalls mit bewundernden Blicken nach Antons Uniform mit den
blanken Knöpfen sah. Valerian bemerkte dies mit Ärger, und ohne lange über
Ursache und Wirkung nachzudenken, sagte er seiner Tänzerin ins Ohr: Die
Meute Schwarz sieht nicht halb so hübsch aus wie du, wenn du's wissen willst.

Hvcherrötend wandte sie sich ihm zu. So angenehme Dinge wußte Anton
freilich nicht zu sagen.

Mathilde indessen, die im weißen Kleidchen und den Blumenkranz in den
braunen Locken wie ein Blumcnelfchen aus dem Bilde aussah, bemerkte trotz
dieser Elfenhaftigkeit ihrem Tänzer ängstlich, er möge sich bei dem großen Riß
in der Diele vorsehen, daß sie nicht zu Falle kämen. Julie aber beriet mit
ihrem Freunde Heinrich, ob dessen Bruder „Hucho," der zu Michaeli den Schul¬
besuch beginnen sollte, um dies wichtige Ereignis gebührend zu begehen, eine
neue Jacke erhalten werde.

Da schlug der Schullehrer, der wie ein Zirkusführer achtsam in der Mitte
des Saales stand, in die Hände, und sofort setzten sich die ersten acht Paare
in Bewegung. Sie tanzten sonder Bedenken über alle Hindernisse hinweg, einige
male herum und stellten sich dann bescheidentlich an das untere Ende des Zuges,
worauf der Schullehrer wieder in die Hände schlug und andre acht Paare
herumtanzten.

Nach und nach riß freilich in die schöne Reihenfolge etwas Unordnung
ein. Hier stießen ein paar rechts herumkommende auf ein kühn sich von links


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/98>, abgerufen am 27.09.2024.