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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Herr von Hülsen und die Ankunft des Berliner Schauspielhauses.

am 17, Juni: "Herr von Hülsen will min dem ganzen Publikum verbieten,
im Theater Zeichen des Beifalls oder Tadels zu geben," Am 6. April 1852
schreibt Varnhagen: "Der Generalintendant von Hülsen führt das Theaterweseu
ganz aristokratisch, als Sache des Hofes und der Vornehmen, besonders wird
das Militär berücksichtigt, Offiziere bekommen Freibillets, Unteroffiziere und
Gemeine ebenfalls. Gegen die Schauspieler und Schriftsteller ist er schroff.
Das knechtische Gesindel im Publikum freut sich, und meint sich unbeteiligt am
Hofe und an den Vornehmen, wenn es in das Lob einstimmt, das die aristo¬
kratischen Kreise der Verwaltung geben"; am 8. März 1853: "Herr von Hülsen
soll Hofmarschall werden, Graf Pfeil Oberintendant der Schauspiele. Die Un¬
fähigkeit des ersten ist schon offenbar, die des zweiten wird es werden," und
am 23. Mai: "Herr von Hülsen, von der Kritik schonungslos angegriffen, ist
auch im vollen Streit mit den Schauspielern, sie wollen alle fort."

So wie es damals zuging, blieb es eine geraume Zeit. Aber der Intendant
wußte, was er wollte, und errang sich schließlich eine Stellung beim Publikum,
bei den Schauspielern und der Presse, die vielleicht nie ihres gleichen gehabt
hat. Das Publikum (einige unzufriedne Kreise abgerechnet) war schließlich
mit den Theatern zufriedner als je zuvor und nahm für den Intendanten
Partei, wenn er von irgend einer Seite angegriffen wurde; die Schauspieler,
und nicht nnr die ihm unmittelbar untergebnen, schwärmten geradezu für ihn,
weil er für die Hebung des ganzen Standes unausgesetzt arbeitete und armen
Angehörigen desselben ein stets bereiter Wohlthäter war; und die haupt¬
städtische Presse schrieb im allgemeinen nur noch Gutes von dem "Chef" und
seinen Instituten. Einen seiner Hauptgegner, den Dichter und Kritiker Titus
Ulrich, wußte er dadurch unschädlich zu machen, daß er ihm einen wichtigen
Posten im Theaterbüreau übertrug, den derselbe bis auf den heutigen Tag in
würdiger Weise bekleidet; die andern wurden müde und sahen wohl mich ein,
daß der Feind denn doch nicht nur schlechte Eigenschaften, sondern auch einige
sehr gute, sehr selten zu findende besaß.

Ich sagte schon, daß der Verstorbene ein Charakter gewesen sei; aber er
war noch mehr: ein Edelmann im besten Sinne des Wortes. Wer den Nedcns-
artenverkehr kennt, der den Schriftstellern gegenüber von den Theaterleitern
gepflogen wird, kann nicht anders als rühmend die gerade und doch zugleich
höfliche Art Hülsens anerkennen. Eine Zusage, die er gegeben hatte, wurde
von ihm auch unter den schwersten Verhältnissen erfüllt; wo er seiner Macht
nicht ganz gewiß war, da lehnte er lieber ab, um den Harrenden nicht zweck-
lvserweise hinzuhalten. Ebenso hielt er es Bühnenkünstlern gegenüber -- Zu¬
verlässigkeit und Geradheit waren zwei seiner hauptsächlichsten Tugenden, und
sie reiche" schon allein hin, einen Mann in dieser Stellung zu zieren. Eine
andre Tugend entzog sich dem Urteil der Fernerstehenden: seine unermüdliche,
alles überwachende und selbständig ordnende Thätigkeit als VerwaltnngSbcamter.


Herr von Hülsen und die Ankunft des Berliner Schauspielhauses.

am 17, Juni: „Herr von Hülsen will min dem ganzen Publikum verbieten,
im Theater Zeichen des Beifalls oder Tadels zu geben," Am 6. April 1852
schreibt Varnhagen: „Der Generalintendant von Hülsen führt das Theaterweseu
ganz aristokratisch, als Sache des Hofes und der Vornehmen, besonders wird
das Militär berücksichtigt, Offiziere bekommen Freibillets, Unteroffiziere und
Gemeine ebenfalls. Gegen die Schauspieler und Schriftsteller ist er schroff.
Das knechtische Gesindel im Publikum freut sich, und meint sich unbeteiligt am
Hofe und an den Vornehmen, wenn es in das Lob einstimmt, das die aristo¬
kratischen Kreise der Verwaltung geben"; am 8. März 1853: „Herr von Hülsen
soll Hofmarschall werden, Graf Pfeil Oberintendant der Schauspiele. Die Un¬
fähigkeit des ersten ist schon offenbar, die des zweiten wird es werden," und
am 23. Mai: „Herr von Hülsen, von der Kritik schonungslos angegriffen, ist
auch im vollen Streit mit den Schauspielern, sie wollen alle fort."

So wie es damals zuging, blieb es eine geraume Zeit. Aber der Intendant
wußte, was er wollte, und errang sich schließlich eine Stellung beim Publikum,
bei den Schauspielern und der Presse, die vielleicht nie ihres gleichen gehabt
hat. Das Publikum (einige unzufriedne Kreise abgerechnet) war schließlich
mit den Theatern zufriedner als je zuvor und nahm für den Intendanten
Partei, wenn er von irgend einer Seite angegriffen wurde; die Schauspieler,
und nicht nnr die ihm unmittelbar untergebnen, schwärmten geradezu für ihn,
weil er für die Hebung des ganzen Standes unausgesetzt arbeitete und armen
Angehörigen desselben ein stets bereiter Wohlthäter war; und die haupt¬
städtische Presse schrieb im allgemeinen nur noch Gutes von dem „Chef" und
seinen Instituten. Einen seiner Hauptgegner, den Dichter und Kritiker Titus
Ulrich, wußte er dadurch unschädlich zu machen, daß er ihm einen wichtigen
Posten im Theaterbüreau übertrug, den derselbe bis auf den heutigen Tag in
würdiger Weise bekleidet; die andern wurden müde und sahen wohl mich ein,
daß der Feind denn doch nicht nur schlechte Eigenschaften, sondern auch einige
sehr gute, sehr selten zu findende besaß.

Ich sagte schon, daß der Verstorbene ein Charakter gewesen sei; aber er
war noch mehr: ein Edelmann im besten Sinne des Wortes. Wer den Nedcns-
artenverkehr kennt, der den Schriftstellern gegenüber von den Theaterleitern
gepflogen wird, kann nicht anders als rühmend die gerade und doch zugleich
höfliche Art Hülsens anerkennen. Eine Zusage, die er gegeben hatte, wurde
von ihm auch unter den schwersten Verhältnissen erfüllt; wo er seiner Macht
nicht ganz gewiß war, da lehnte er lieber ab, um den Harrenden nicht zweck-
lvserweise hinzuhalten. Ebenso hielt er es Bühnenkünstlern gegenüber — Zu¬
verlässigkeit und Geradheit waren zwei seiner hauptsächlichsten Tugenden, und
sie reiche« schon allein hin, einen Mann in dieser Stellung zu zieren. Eine
andre Tugend entzog sich dem Urteil der Fernerstehenden: seine unermüdliche,
alles überwachende und selbständig ordnende Thätigkeit als VerwaltnngSbcamter.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/92>, abgerufen am 19.10.2024.