Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.Aus der "Lhronik derer von Riffelshausen, kesscl wcir längst verlöscht. Er zog es aber vor, sich nicht bemerkbar zu machen, Dn, Onkel Georg? rief sie lebhaft überrascht und eilte zu ihm hin. Hast du jemand anders erwartet? fragte er mit halbem Lächeln. Nein, nur dich, aber dich schon sehr lange, sodaß mir über dem Warten Und darum verfielst du zuletzt auf den Gedanken, ich würde zum Fenster Doch Julie ging und holte den Spiritus, mit dessen Hilfe das Thcewasser Onkel! Nun, Julie? Du weißt doch, was wir ausgeführt haben, oder hat dich mein Briefchen Ich danke meine Kenntnisse mündlichen Ueberlieferungen und muß mich Sie stand vor ihm, die Zuckerdose in der Hand, sah ihn groß an und sagte: Wenn Richter seine Kindespflicht nicht allein zu finden vermöchte, so wäre Er hatte ruhig gesprochen, aber sehr ernst. Julie wußte jetzt, daß sie in Ach Onkel Georg! sagte sie endlich, tief aufseufzend. Was fehlt dir, Kind? Ach ich bin so traurig! Alles mache ich verkehrt, und gerade dann, wenn Böse? Er wandte sich lächelnd ihr zu, aber der Ausdruck ihrer Augen Julie! Sollst du an mich denken und an meine Meinung, wenn es gilt, Aus der «Lhronik derer von Riffelshausen, kesscl wcir längst verlöscht. Er zog es aber vor, sich nicht bemerkbar zu machen, Dn, Onkel Georg? rief sie lebhaft überrascht und eilte zu ihm hin. Hast du jemand anders erwartet? fragte er mit halbem Lächeln. Nein, nur dich, aber dich schon sehr lange, sodaß mir über dem Warten Und darum verfielst du zuletzt auf den Gedanken, ich würde zum Fenster Doch Julie ging und holte den Spiritus, mit dessen Hilfe das Thcewasser Onkel! Nun, Julie? Du weißt doch, was wir ausgeführt haben, oder hat dich mein Briefchen Ich danke meine Kenntnisse mündlichen Ueberlieferungen und muß mich Sie stand vor ihm, die Zuckerdose in der Hand, sah ihn groß an und sagte: Wenn Richter seine Kindespflicht nicht allein zu finden vermöchte, so wäre Er hatte ruhig gesprochen, aber sehr ernst. Julie wußte jetzt, daß sie in Ach Onkel Georg! sagte sie endlich, tief aufseufzend. Was fehlt dir, Kind? Ach ich bin so traurig! Alles mache ich verkehrt, und gerade dann, wenn Böse? Er wandte sich lächelnd ihr zu, aber der Ausdruck ihrer Augen Julie! Sollst du an mich denken und an meine Meinung, wenn es gilt, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0654" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200008"/> <fw type="header" place="top"> Aus der «Lhronik derer von Riffelshausen,</fw><lb/> <p xml:id="ID_3171" prev="#ID_3170"> kesscl wcir längst verlöscht. 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Eifrig schob sie ihm die Herrlichkeiten der Tafel herbei und<lb/> sah ihn dazwischen verstohlen an, um ein wenig herauszufinden, was er über die<lb/> Begebenheiten des Nachmittags denke. Sie konnte nichts entdecken.</p><lb/> <p xml:id="ID_3177"> Onkel!</p><lb/> <p xml:id="ID_3178"> Nun, Julie?</p><lb/> <p xml:id="ID_3179"> Du weißt doch, was wir ausgeführt haben, oder hat dich mein Briefchen<lb/> nicht erreicht?</p><lb/> <p xml:id="ID_3180"> Ich danke meine Kenntnisse mündlichen Ueberlieferungen und muß mich<lb/> wohl oder übel in das Geschehene finden, da es sich nicht mehr ändern läßt.<lb/> Ich bitte um den Zucker — danke dir.</p><lb/> <p xml:id="ID_3181"> Sie stand vor ihm, die Zuckerdose in der Hand, sah ihn groß an und sagte:<lb/> Du findest — du meinst — wir hätten — und ich glaubte so bestimmt, in<lb/> deinem Sinne zu handeln! 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Aus der «Lhronik derer von Riffelshausen,
kesscl wcir längst verlöscht. Er zog es aber vor, sich nicht bemerkbar zu machen,
und schwieg, bis Julie das Fenster schloß und sich nach innen wandte.
Dn, Onkel Georg? rief sie lebhaft überrascht und eilte zu ihm hin.
Hast du jemand anders erwartet? fragte er mit halbem Lächeln.
Nein, nur dich, aber dich schon sehr lange, sodaß mir über dem Warten
fast die Hoffnung verging, dich je eintreten zu sehen.
Und darum verfielst du zuletzt auf den Gedanken, ich würde zum Fenster
hineinsteigen? Setze dich, Kind, und gieb mir etwas zu essen. Aha, die Maschine
hat auch die Geduld verloren. Es thut nichts, gehe deswegen nicht noch ein¬
mal hinaus.
Doch Julie ging und holte den Spiritus, mit dessen Hilfe das Thcewasser
bald wieder sang. Eifrig schob sie ihm die Herrlichkeiten der Tafel herbei und
sah ihn dazwischen verstohlen an, um ein wenig herauszufinden, was er über die
Begebenheiten des Nachmittags denke. Sie konnte nichts entdecken.
Onkel!
Nun, Julie?
Du weißt doch, was wir ausgeführt haben, oder hat dich mein Briefchen
nicht erreicht?
Ich danke meine Kenntnisse mündlichen Ueberlieferungen und muß mich
wohl oder übel in das Geschehene finden, da es sich nicht mehr ändern läßt.
Ich bitte um den Zucker — danke dir.
Sie stand vor ihm, die Zuckerdose in der Hand, sah ihn groß an und sagte:
Du findest — du meinst — wir hätten — und ich glaubte so bestimmt, in
deinem Sinne zu handeln! Sein Vater liegt im Sterben, Onkel Georg!
Wenn Richter seine Kindespflicht nicht allein zu finden vermöchte, so wäre
auch für seine Frau wenig Glück in Aussicht. Hast du dich immer noch
nicht überzeugt, Kind, daß es wichtig ist, den Anforderungen der Sitte möglichst
genau nachzukommen? Wir haben uns vor nichts mehr zu hüten als vor dem
ersten Schritt in die sogenannte Freiheit, selbst wenn die Verhältnisse uns dahin
zu drängen scheinen! Wenn mich wirklich nicht unmittelbar Schaden daraus
erwachsen sollte, so liegt doch eine unabsehbare Gefahr in der Ansicht, daß äußere
Verhältnisse unsre Handlungsweise zu rechtfertigen vermöchten. Wo willst du
enden, wenn du einmal damit angefangen hast? Kein Verstand reicht aus, die
niedergerissener Schranken wieder aufzurichten, und außerhalb derselben rettet
auch das feinste Gefühl nicht vor Verirrung. Wir wollen nicht mehr über diese
Sache sprechen, aber ich hoffe, dn hast mich ganz verstanden.
Er hatte ruhig gesprochen, aber sehr ernst. Julie wußte jetzt, daß sie in
seinen Augen schwer gefehlt hatte. Es bekümmerte sie sehr, und sie saß in
traurigem Schweigen neben ihm, ohne noch einen Versuch zu machen, sich zu
entschuldigen.
Ach Onkel Georg! sagte sie endlich, tief aufseufzend.
Was fehlt dir, Kind?
Ach ich bin so traurig! Alles mache ich verkehrt, und gerade dann, wenn
ich es mir am besten ausgedacht habe. Was soll ich um anfangen, wenn du
böse bist?
Böse? Er wandte sich lächelnd ihr zu, aber der Ausdruck ihrer Augen
machte ihn betroffen.
Julie! Sollst du an mich denken und an meine Meinung, wenn es gilt,
Recht von Unrecht zu unterscheiden? Willst du denn aufhören, nach dem Guten
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