Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.Ans der Chronik derer von Riffelshansen. Krieg, und mein eignes Weib will ich schlitzen wie mein Vaterland! Für sie will Von Blässe auf Elisabeths Gesicht war nichts mehr zu sehen. Erglühend Elisabeth durfte dem Verlobten durch den Park das Geleite geben. Wenn Natürlich wollte er; doch halt, die Geschwister hatten ja die Absicht ausge¬ Freilich war es ihr recht, nur mußte sie in diesem Falle zurückbleiben. Wenn du mir nur so wiederkommst, wie du jetzt bist, Anton! Doch Meine Elisabeth, sagte er, wie machst du mich glücklich! Sie fühlte, daß sie trotz aller Anstrengung die Thränen nicht länger In den folgenden Tagen gewann Deutschland ein ganz neues Antlitz, Dies Gefühl, nur ein Glied in dem großen Räderwerke zu sein, war be¬ Jetzt, da wir Kriegsknechte geworden sind, rief der erstere seinem Referendar Valer griff nach seinem Gepäck. Hier hat mir meine Tante etwas mitgegeben, Es dauerte nicht lange, so kamen die ersten Siegesnachrichten und versetzten Ans der Chronik derer von Riffelshansen. Krieg, und mein eignes Weib will ich schlitzen wie mein Vaterland! Für sie will Von Blässe auf Elisabeths Gesicht war nichts mehr zu sehen. Erglühend Elisabeth durfte dem Verlobten durch den Park das Geleite geben. Wenn Natürlich wollte er; doch halt, die Geschwister hatten ja die Absicht ausge¬ Freilich war es ihr recht, nur mußte sie in diesem Falle zurückbleiben. Wenn du mir nur so wiederkommst, wie du jetzt bist, Anton! Doch Meine Elisabeth, sagte er, wie machst du mich glücklich! Sie fühlte, daß sie trotz aller Anstrengung die Thränen nicht länger In den folgenden Tagen gewann Deutschland ein ganz neues Antlitz, Dies Gefühl, nur ein Glied in dem großen Räderwerke zu sein, war be¬ Jetzt, da wir Kriegsknechte geworden sind, rief der erstere seinem Referendar Valer griff nach seinem Gepäck. Hier hat mir meine Tante etwas mitgegeben, Es dauerte nicht lange, so kamen die ersten Siegesnachrichten und versetzten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0615" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199969"/> <fw type="header" place="top"> Ans der Chronik derer von Riffelshansen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2993" prev="#ID_2992"> Krieg, und mein eignes Weib will ich schlitzen wie mein Vaterland! Für sie will<lb/> ich sterben, wenn es sein muß. Doch was rede ich vom Sterben! Nein, so<lb/> wie ich meine Elisabeth liebe, so fühle ich, daß ich zu frohem Wiedersehen zurück¬<lb/> kehren werde!</p><lb/> <p xml:id="ID_2994"> Von Blässe auf Elisabeths Gesicht war nichts mehr zu sehen. Erglühend<lb/> und mit verklärtem Gesicht sah sie zu ihrem Helden empor. Auch die Mutter<lb/> war von seiner Begeisterung überwältigt. Mein teurer Sohn, sagte sie, Gott<lb/> erhalte Sie meinem geliebten Kinde!</p><lb/> <p xml:id="ID_2995"> Elisabeth durfte dem Verlobten durch den Park das Geleite geben. Wenn<lb/> du über den Kirchhof gehen willst und den Feldweg nimmst, dann kann ich<lb/> noch ein Stückchen mit dir gehen, sagte sie.</p><lb/> <p xml:id="ID_2996"> Natürlich wollte er; doch halt, die Geschwister hatten ja die Absicht ausge¬<lb/> sprochen, ihm auf der Fahrstraße entgegenzuwciudern, er mußte also die Straße<lb/> nehmen. Ist es dir recht, Elisabeth?</p><lb/> <p xml:id="ID_2997"> Freilich war es ihr recht, nur mußte sie in diesem Falle zurückbleiben.<lb/> Mama sieht es nicht gern, wenn ich allein die Straße gehe, sagte sie. Am,<lb/> Gartenthür reichten sie sich noch einmal die Hand.</p><lb/> <p xml:id="ID_2998"> Wenn du mir nur so wiederkommst, wie du jetzt bist, Anton! Doch<lb/> nein, wie du aussiehst, ist mir gleich, wenn dn nur selbst kommst und mich<lb/> noch lieb hast.</p><lb/> <p xml:id="ID_2999"> Meine Elisabeth, sagte er, wie machst du mich glücklich!</p><lb/> <p xml:id="ID_3000"> Sie fühlte, daß sie trotz aller Anstrengung die Thränen nicht länger<lb/> zurückdrängen konnte, und doch hatte sie sich fest vorgenommen, ihrem Ver¬<lb/> lobten den Abschied nicht zu erschweren. Noch einmal sah Anton tief in ihre<lb/> Augen, dann ging er hochaufgerichtet den lindenbeschattetcn Pfad hinunter, der<lb/> nach der Fahrstraße führte. Seine Gedanken flogen zu Sieg und Tod, er<lb/> pfiff sogar die Melodie des Neitcrliedes: Wohl auf Kameraden, aufs Pferd, aufs<lb/> Pferd! Das zurückbleibende Mädchen aber lehnte kraftlos am Gitter und weinte,<lb/> als wollte ihr das Herz brechen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3001"> In den folgenden Tagen gewann Deutschland ein ganz neues Antlitz,<lb/> man kannte Land und Volk kaum wieder. Das Einzelleben hatte aufgehört,<lb/> von einem Verkehr unter einzelnen war nicht mehr die Rede. Die ungeheure<lb/> Kriegsmaschine verschlang alles Lebendige. Jeder Dienstpflichtige wußte, wo<lb/> er sich zu melde» hatte, er trat ein, wurde eingekleidet und in die große Ma¬<lb/> schine eingefügt, die sich langsam, aber mit unerschütterlicher Sicherheit vorwärts<lb/> bewegte; wohin, das wußte freilich kein Einzelner.</p><lb/> <p xml:id="ID_3002"> Dies Gefühl, nur ein Glied in dem großen Räderwerke zu sein, war be¬<lb/> drückend genug, aber es gab zugleich dem ganzen Volke eine unbedingte<lb/> Sicherheit. Der Unterschied der Stände hatte aufgehört; Valerian saß zwischen<lb/> seinem Kreisgerichtsdirektor und seinem Barbier im Eisenbahnwagen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3003"> Jetzt, da wir Kriegsknechte geworden sind, rief der erstere seinem Referendar<lb/> zu, können wir uns auch eine kleine Rohheit verstatten. Kosten Sie, meine<lb/> Herren — echter alter Nordhäuser!</p><lb/> <p xml:id="ID_3004"> Valer griff nach seinem Gepäck. Hier hat mir meine Tante etwas mitgegeben,<lb/> das ganz nach einer guten Wurst aussteht. Er öffnete und fand ein Päckchen<lb/> alter Leinwand. Höhnisch auflachend, wollte er es zum Fenster hinauswerfen,<lb/> aber der Barbier hielt ihn zurück. Lassen Sie es stecken, Herr Referendar, wer<lb/> kann wissen, wozu es gut ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_3005" next="#ID_3006"> Es dauerte nicht lange, so kamen die ersten Siegesnachrichten und versetzten</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0615]
Ans der Chronik derer von Riffelshansen.
Krieg, und mein eignes Weib will ich schlitzen wie mein Vaterland! Für sie will
ich sterben, wenn es sein muß. Doch was rede ich vom Sterben! Nein, so
wie ich meine Elisabeth liebe, so fühle ich, daß ich zu frohem Wiedersehen zurück¬
kehren werde!
Von Blässe auf Elisabeths Gesicht war nichts mehr zu sehen. Erglühend
und mit verklärtem Gesicht sah sie zu ihrem Helden empor. Auch die Mutter
war von seiner Begeisterung überwältigt. Mein teurer Sohn, sagte sie, Gott
erhalte Sie meinem geliebten Kinde!
Elisabeth durfte dem Verlobten durch den Park das Geleite geben. Wenn
du über den Kirchhof gehen willst und den Feldweg nimmst, dann kann ich
noch ein Stückchen mit dir gehen, sagte sie.
Natürlich wollte er; doch halt, die Geschwister hatten ja die Absicht ausge¬
sprochen, ihm auf der Fahrstraße entgegenzuwciudern, er mußte also die Straße
nehmen. Ist es dir recht, Elisabeth?
Freilich war es ihr recht, nur mußte sie in diesem Falle zurückbleiben.
Mama sieht es nicht gern, wenn ich allein die Straße gehe, sagte sie. Am,
Gartenthür reichten sie sich noch einmal die Hand.
Wenn du mir nur so wiederkommst, wie du jetzt bist, Anton! Doch
nein, wie du aussiehst, ist mir gleich, wenn dn nur selbst kommst und mich
noch lieb hast.
Meine Elisabeth, sagte er, wie machst du mich glücklich!
Sie fühlte, daß sie trotz aller Anstrengung die Thränen nicht länger
zurückdrängen konnte, und doch hatte sie sich fest vorgenommen, ihrem Ver¬
lobten den Abschied nicht zu erschweren. Noch einmal sah Anton tief in ihre
Augen, dann ging er hochaufgerichtet den lindenbeschattetcn Pfad hinunter, der
nach der Fahrstraße führte. Seine Gedanken flogen zu Sieg und Tod, er
pfiff sogar die Melodie des Neitcrliedes: Wohl auf Kameraden, aufs Pferd, aufs
Pferd! Das zurückbleibende Mädchen aber lehnte kraftlos am Gitter und weinte,
als wollte ihr das Herz brechen.
In den folgenden Tagen gewann Deutschland ein ganz neues Antlitz,
man kannte Land und Volk kaum wieder. Das Einzelleben hatte aufgehört,
von einem Verkehr unter einzelnen war nicht mehr die Rede. Die ungeheure
Kriegsmaschine verschlang alles Lebendige. Jeder Dienstpflichtige wußte, wo
er sich zu melde» hatte, er trat ein, wurde eingekleidet und in die große Ma¬
schine eingefügt, die sich langsam, aber mit unerschütterlicher Sicherheit vorwärts
bewegte; wohin, das wußte freilich kein Einzelner.
Dies Gefühl, nur ein Glied in dem großen Räderwerke zu sein, war be¬
drückend genug, aber es gab zugleich dem ganzen Volke eine unbedingte
Sicherheit. Der Unterschied der Stände hatte aufgehört; Valerian saß zwischen
seinem Kreisgerichtsdirektor und seinem Barbier im Eisenbahnwagen.
Jetzt, da wir Kriegsknechte geworden sind, rief der erstere seinem Referendar
zu, können wir uns auch eine kleine Rohheit verstatten. Kosten Sie, meine
Herren — echter alter Nordhäuser!
Valer griff nach seinem Gepäck. Hier hat mir meine Tante etwas mitgegeben,
das ganz nach einer guten Wurst aussteht. Er öffnete und fand ein Päckchen
alter Leinwand. Höhnisch auflachend, wollte er es zum Fenster hinauswerfen,
aber der Barbier hielt ihn zurück. Lassen Sie es stecken, Herr Referendar, wer
kann wissen, wozu es gut ist.
Es dauerte nicht lange, so kamen die ersten Siegesnachrichten und versetzten
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