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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Aus der Chronik derer von Riffelshanson.

habe beständig euer gedacht und war ganz unglücklich, uicht eher Urlaub er¬
halten zu können, um nach euch zu sehen.

Richter wollte sich entfernen, aber der Baron bat ihn, sie zu begleite".
Anton sah seinen Onkel etwas verwundert an, wandte sich aber sofort mit
einigen liebenswürdigen Bemerkungen an den Pfarrer. Dieser schien indessen
derart in Gedanken vertieft, daß Anton ruhig fortfuhr, dem Onkel Bericht zu
erstatte". Natürlich ging es ihm vortrefflich, natürlich war er herrlich mit
seinem Gelde ausgekommen, natürlich waren ihm wieder militärische und andre
Größen "ganz unverdient freundlich" entgegengekommen, natürlich hatte er wieder
eine Menge höchst "scharmanter" Bekanntschaften gemacht, und es that ihm kein
Finger weh.

Sag einmal, machst du denn nie einen dummen Streich? rief der Onkel
in komischer Verzweiflung. Anton lachte und sah dabei so schön und ruhig
ans wie ein griechischer Marmorgott.

Vor dem Hause des Amand Hegel bemerkten die drei Männer eine Art
von Auflauf. Bauern und Bäuerinnen umstanden die Hausthür in dichtem
Knäuel und redeten lebhaft hin und her.

Was giebt es da? rief der Baron die Leute an.

Der Christoph Schwarz -- Herr Baron! rief ein Gutsknecht.

Ist wieder hier, setzte jemand hinzu.

Und hat dem Hegel seiner Schwester das Geld weggenommen zum Branut-
weinsanfen.

Und dem Hegel ist er mit dem Messer zu Leibe gegangen --

Und --

Ruft ihn heraus, wenn er drin ist, sagte der Baron.

Sollen wir die Thür einschlagen, Herr Baron? Er hat sich fest verriegelt.

Nein, macht Platz, ich will ihn selbst rufen. Am Arme seines Neffen an
den zur Seite weichenden Bauern vorüberschreitend, näherte sich der Baron dem
Fenster.

Christoph Schwarz, rief er, an die papicrverklebtcn Scheiben klopfend, willst
du mir die Thür öffnen? Ich möchte zu dir hinein. Aber es blieb drinnen still.

Es ist unnütz. Sie werden gut daran thun, die Thüre aufzubrechen,
sagte Richter, man kann nicht wissen, welches Unheil er anrichtet, wenn Hegel
und seine Schwester noch im Hause sind. Ich traue diesem Menschen das
schlimmste zu.

Georg war ein Feind jeder Gewaltsamkeit; doch mußte er jetzt dem Pfarrer
Recht geben. Ein einziger kräftiger Stoß gegen die altersschwache Thür brach
sie aus den Fugen. Verschiedne schwere Gegenstände waren von innen dagegen-
gestemmt, doch auch diese vermochten der Riesenkraft des Trübenseer Pfarres
nicht stand zu halten. Alles zur Seite schiebend, trat er ins Haus.

Es liegt zu viel im Wege, rief er dem Baron zu, Sie. können nicht gut
herein; ich werde Ihnen den Mann bringen.

Die draußen wartenden hörten ein Gepolter und dann den lauten und
scharfen Klang einer drohenden Stimme.

Es wird ihm doch nichts zustoßen? Anton machte Miene, dem Pfarrer
nachzuklettern.

Laß ihn, sagte der Baron, er wird am besten allein fertig.

Pfarrer Richter pflegte allerdings allein fertig zu werden; in diesem Falle
war die gegenseitige Abneigung zu groß. Diese heftige Abneigung schrieb sich


Aus der Chronik derer von Riffelshanson.

habe beständig euer gedacht und war ganz unglücklich, uicht eher Urlaub er¬
halten zu können, um nach euch zu sehen.

Richter wollte sich entfernen, aber der Baron bat ihn, sie zu begleite».
Anton sah seinen Onkel etwas verwundert an, wandte sich aber sofort mit
einigen liebenswürdigen Bemerkungen an den Pfarrer. Dieser schien indessen
derart in Gedanken vertieft, daß Anton ruhig fortfuhr, dem Onkel Bericht zu
erstatte». Natürlich ging es ihm vortrefflich, natürlich war er herrlich mit
seinem Gelde ausgekommen, natürlich waren ihm wieder militärische und andre
Größen „ganz unverdient freundlich" entgegengekommen, natürlich hatte er wieder
eine Menge höchst „scharmanter" Bekanntschaften gemacht, und es that ihm kein
Finger weh.

Sag einmal, machst du denn nie einen dummen Streich? rief der Onkel
in komischer Verzweiflung. Anton lachte und sah dabei so schön und ruhig
ans wie ein griechischer Marmorgott.

Vor dem Hause des Amand Hegel bemerkten die drei Männer eine Art
von Auflauf. Bauern und Bäuerinnen umstanden die Hausthür in dichtem
Knäuel und redeten lebhaft hin und her.

Was giebt es da? rief der Baron die Leute an.

Der Christoph Schwarz — Herr Baron! rief ein Gutsknecht.

Ist wieder hier, setzte jemand hinzu.

Und hat dem Hegel seiner Schwester das Geld weggenommen zum Branut-
weinsanfen.

Und dem Hegel ist er mit dem Messer zu Leibe gegangen —

Und —

Ruft ihn heraus, wenn er drin ist, sagte der Baron.

Sollen wir die Thür einschlagen, Herr Baron? Er hat sich fest verriegelt.

Nein, macht Platz, ich will ihn selbst rufen. Am Arme seines Neffen an
den zur Seite weichenden Bauern vorüberschreitend, näherte sich der Baron dem
Fenster.

Christoph Schwarz, rief er, an die papicrverklebtcn Scheiben klopfend, willst
du mir die Thür öffnen? Ich möchte zu dir hinein. Aber es blieb drinnen still.

Es ist unnütz. Sie werden gut daran thun, die Thüre aufzubrechen,
sagte Richter, man kann nicht wissen, welches Unheil er anrichtet, wenn Hegel
und seine Schwester noch im Hause sind. Ich traue diesem Menschen das
schlimmste zu.

Georg war ein Feind jeder Gewaltsamkeit; doch mußte er jetzt dem Pfarrer
Recht geben. Ein einziger kräftiger Stoß gegen die altersschwache Thür brach
sie aus den Fugen. Verschiedne schwere Gegenstände waren von innen dagegen-
gestemmt, doch auch diese vermochten der Riesenkraft des Trübenseer Pfarres
nicht stand zu halten. Alles zur Seite schiebend, trat er ins Haus.

Es liegt zu viel im Wege, rief er dem Baron zu, Sie. können nicht gut
herein; ich werde Ihnen den Mann bringen.

Die draußen wartenden hörten ein Gepolter und dann den lauten und
scharfen Klang einer drohenden Stimme.

Es wird ihm doch nichts zustoßen? Anton machte Miene, dem Pfarrer
nachzuklettern.

Laß ihn, sagte der Baron, er wird am besten allein fertig.

Pfarrer Richter pflegte allerdings allein fertig zu werden; in diesem Falle
war die gegenseitige Abneigung zu groß. Diese heftige Abneigung schrieb sich


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[0606] Aus der Chronik derer von Riffelshanson. habe beständig euer gedacht und war ganz unglücklich, uicht eher Urlaub er¬ halten zu können, um nach euch zu sehen. Richter wollte sich entfernen, aber der Baron bat ihn, sie zu begleite». Anton sah seinen Onkel etwas verwundert an, wandte sich aber sofort mit einigen liebenswürdigen Bemerkungen an den Pfarrer. Dieser schien indessen derart in Gedanken vertieft, daß Anton ruhig fortfuhr, dem Onkel Bericht zu erstatte». Natürlich ging es ihm vortrefflich, natürlich war er herrlich mit seinem Gelde ausgekommen, natürlich waren ihm wieder militärische und andre Größen „ganz unverdient freundlich" entgegengekommen, natürlich hatte er wieder eine Menge höchst „scharmanter" Bekanntschaften gemacht, und es that ihm kein Finger weh. Sag einmal, machst du denn nie einen dummen Streich? rief der Onkel in komischer Verzweiflung. Anton lachte und sah dabei so schön und ruhig ans wie ein griechischer Marmorgott. Vor dem Hause des Amand Hegel bemerkten die drei Männer eine Art von Auflauf. Bauern und Bäuerinnen umstanden die Hausthür in dichtem Knäuel und redeten lebhaft hin und her. Was giebt es da? rief der Baron die Leute an. Der Christoph Schwarz — Herr Baron! rief ein Gutsknecht. Ist wieder hier, setzte jemand hinzu. Und hat dem Hegel seiner Schwester das Geld weggenommen zum Branut- weinsanfen. Und dem Hegel ist er mit dem Messer zu Leibe gegangen — Und — Ruft ihn heraus, wenn er drin ist, sagte der Baron. Sollen wir die Thür einschlagen, Herr Baron? Er hat sich fest verriegelt. Nein, macht Platz, ich will ihn selbst rufen. Am Arme seines Neffen an den zur Seite weichenden Bauern vorüberschreitend, näherte sich der Baron dem Fenster. Christoph Schwarz, rief er, an die papicrverklebtcn Scheiben klopfend, willst du mir die Thür öffnen? Ich möchte zu dir hinein. Aber es blieb drinnen still. Es ist unnütz. Sie werden gut daran thun, die Thüre aufzubrechen, sagte Richter, man kann nicht wissen, welches Unheil er anrichtet, wenn Hegel und seine Schwester noch im Hause sind. Ich traue diesem Menschen das schlimmste zu. Georg war ein Feind jeder Gewaltsamkeit; doch mußte er jetzt dem Pfarrer Recht geben. Ein einziger kräftiger Stoß gegen die altersschwache Thür brach sie aus den Fugen. Verschiedne schwere Gegenstände waren von innen dagegen- gestemmt, doch auch diese vermochten der Riesenkraft des Trübenseer Pfarres nicht stand zu halten. Alles zur Seite schiebend, trat er ins Haus. Es liegt zu viel im Wege, rief er dem Baron zu, Sie. können nicht gut herein; ich werde Ihnen den Mann bringen. Die draußen wartenden hörten ein Gepolter und dann den lauten und scharfen Klang einer drohenden Stimme. Es wird ihm doch nichts zustoßen? Anton machte Miene, dem Pfarrer nachzuklettern. Laß ihn, sagte der Baron, er wird am besten allein fertig. Pfarrer Richter pflegte allerdings allein fertig zu werden; in diesem Falle war die gegenseitige Abneigung zu groß. Diese heftige Abneigung schrieb sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/606>, abgerufen am 27.09.2024.