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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Zwei Minderer des Reichs.

man auf den ersten Blick glauben sollte. Ganze Kirchspiele haben den Sauer¬
teig aufgenommen, und er gcihrt; und zu Stellen, wo man es am wenigsten er¬
warten sollte, ist er auf verborgnen und geheimnisvollen Wegen gebracht worden."

Als Pius IX., ohne die englische Regierung zu fragen, das Land in Bis¬
tümer, wie man sich damals ausdrückte, parzellirt hatte und Lord John Russell
der Entrüstung John Bulls über diese gMiössion eine schwächliche

Genugthuung durch die (1870 wieder aufgehobene) Titelbill zu geben suchte,
war es Gladstone, der mit der Bitte, nicht verraten zu werden, die Jrländer
zum Widerstande ermunterte; Sadleir, in dem Ministerium Aberdeen Lord des
Schatzamts, hat dies 1862 öffentlich ausgeplaudert, einige Jahre bevor er, um
den Folgen seiner Unterschleife zu entgehen, auf Hampstead Heath ein Kamraden
Blausäure leerte.

Gladstone führte die Entstaatlichung der anglikanischen Kirche in Irland
durch, eine sehr gerechte Maßregel, setzte aber in seine Bill über die Dubliner
Universität eine natürlich von dem Unterhause gestrichene Klausel, welche den
protestantischen Professoren bei Strafe der Absetzung untersagte, "mündlich,
schriftlich oder anderweitig" irgend etwas zu lehren, was den religiösen Über¬
zeugungen irgend eines Papisten in der Universität Anstoß geben könnte.

Er begünstigte, wie er sich rühmt, die Einheit Italiens, die ohne Zer¬
störung des Kirchenstaates nicht herzustellen war; und als im Juni 1883 in
dem Palast des Herzogs von Southerlcmd ein Denkmal zur Erinnerung an den
Besuch Garibaldis im Jahre 1864 enthüllt wurde, war es Gladstone, der die
Rede dazu hielt und von freudigen Erinnerungen an jene Begegnung mit dem
Helden überfloß. Freilich veranlaßte diese Feierlichkeit den Sohn Alexander
Herzens, die Aufzeichnungen seines Vaters zu veröffentlichen (0u,mioig. Rossg.,
(Zg.ridMi Z. I^nares <zu 1864; Lausanne, Venda), aus denen hervorgeht, daß
Gladstone den Gefeierten, der gekommen war, um auf einer Rundreise durch
England das Evangelium der Demokratie zu predigen und gegen die Kreuz¬
spinne in Rom zu donnern, nach wenig Tagen überzeugte, daß das englische
Klima seiner kostbaren Gesundheit nicht zusagen würde und ihn auf ein mit
allem Komfort ausgestattetes Schiff beförderte, kurz gesagt, ihn auf den
Schub brachte.

Das alte englische Staatsrecht untersagt bei schweren Strafen jeden diploma¬
tischen Verkehr mit dem Papste, den es nur als Bischof von Rom kennt, wie
umgekehrt der Papst von den Unionen mit Schottland und Irland keine amtliche
Kenntnis hat, von einer Königin des Vereinigten Königreichs von Großbritannien
und Irland nichts weiß, sondern nur eine Königin von England kennt. Eine
Akte von 1843 gestattete den amtlichen Verkehr mit "dem Souverän der päpst¬
lichen Staaten." Aber nachdem der Papst aufgehört hat, Souverän irgend eines
Staates zu sein, geht Mr. Errington zwischen Dowuing Street und dem Vatikan
hin und her und hat in Rom seine Wohnung in dem Palast gewählt, in welchem


Zwei Minderer des Reichs.

man auf den ersten Blick glauben sollte. Ganze Kirchspiele haben den Sauer¬
teig aufgenommen, und er gcihrt; und zu Stellen, wo man es am wenigsten er¬
warten sollte, ist er auf verborgnen und geheimnisvollen Wegen gebracht worden."

Als Pius IX., ohne die englische Regierung zu fragen, das Land in Bis¬
tümer, wie man sich damals ausdrückte, parzellirt hatte und Lord John Russell
der Entrüstung John Bulls über diese gMiössion eine schwächliche

Genugthuung durch die (1870 wieder aufgehobene) Titelbill zu geben suchte,
war es Gladstone, der mit der Bitte, nicht verraten zu werden, die Jrländer
zum Widerstande ermunterte; Sadleir, in dem Ministerium Aberdeen Lord des
Schatzamts, hat dies 1862 öffentlich ausgeplaudert, einige Jahre bevor er, um
den Folgen seiner Unterschleife zu entgehen, auf Hampstead Heath ein Kamraden
Blausäure leerte.

Gladstone führte die Entstaatlichung der anglikanischen Kirche in Irland
durch, eine sehr gerechte Maßregel, setzte aber in seine Bill über die Dubliner
Universität eine natürlich von dem Unterhause gestrichene Klausel, welche den
protestantischen Professoren bei Strafe der Absetzung untersagte, „mündlich,
schriftlich oder anderweitig" irgend etwas zu lehren, was den religiösen Über¬
zeugungen irgend eines Papisten in der Universität Anstoß geben könnte.

Er begünstigte, wie er sich rühmt, die Einheit Italiens, die ohne Zer¬
störung des Kirchenstaates nicht herzustellen war; und als im Juni 1883 in
dem Palast des Herzogs von Southerlcmd ein Denkmal zur Erinnerung an den
Besuch Garibaldis im Jahre 1864 enthüllt wurde, war es Gladstone, der die
Rede dazu hielt und von freudigen Erinnerungen an jene Begegnung mit dem
Helden überfloß. Freilich veranlaßte diese Feierlichkeit den Sohn Alexander
Herzens, die Aufzeichnungen seines Vaters zu veröffentlichen (0u,mioig. Rossg.,
(Zg.ridMi Z. I^nares <zu 1864; Lausanne, Venda), aus denen hervorgeht, daß
Gladstone den Gefeierten, der gekommen war, um auf einer Rundreise durch
England das Evangelium der Demokratie zu predigen und gegen die Kreuz¬
spinne in Rom zu donnern, nach wenig Tagen überzeugte, daß das englische
Klima seiner kostbaren Gesundheit nicht zusagen würde und ihn auf ein mit
allem Komfort ausgestattetes Schiff beförderte, kurz gesagt, ihn auf den
Schub brachte.

Das alte englische Staatsrecht untersagt bei schweren Strafen jeden diploma¬
tischen Verkehr mit dem Papste, den es nur als Bischof von Rom kennt, wie
umgekehrt der Papst von den Unionen mit Schottland und Irland keine amtliche
Kenntnis hat, von einer Königin des Vereinigten Königreichs von Großbritannien
und Irland nichts weiß, sondern nur eine Königin von England kennt. Eine
Akte von 1843 gestattete den amtlichen Verkehr mit „dem Souverän der päpst¬
lichen Staaten." Aber nachdem der Papst aufgehört hat, Souverän irgend eines
Staates zu sein, geht Mr. Errington zwischen Dowuing Street und dem Vatikan
hin und her und hat in Rom seine Wohnung in dem Palast gewählt, in welchem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/60>, abgerufen am 27.09.2024.