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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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der Große haben die Überzeugung ausgesprochen, daß der Staat am längste"
existire, der am längsten Geld hat. Wer hat am längsten Geld? Wer keins
ausgiebt. Also fort mit dem ganzen stehenden Heere, ans dem schon deshalb
nichts rechtes werden kaun, weil es immer von Sachverständigen geführt wird.
Fort mit der Hochseefischerei, es lebe die Niederbörsenfischerei. Fort mit dem
überseeischen Verkehr, deu schon die Engländer besorgen werden. Fort mit der
verbrecherischen Tendenz, "die Industrie und den Handel nicht Schaden leiden
zu lassen."

Und nun komme ich zu dem über alle verehrten Herrn Richter. Er hat
-- wie immer in unwiderleglicher Weise -- dargethan, das; alles besser wäre,
wenn er Reichskanzler gewesen wäre anstatt des Stümpers Bismarck. Wieder
diese falsche Bescheidenheit! Weshalb greift er nicht weiter zurück? So muß
denn ich mit meiner viel geringern Beredsamkeit ihn ergänzen. Ja, Herr
v. Maltzahn, es wäre anders, wenn wir schon seit Jahrhunderten regiert hätten.
Wir hätten 1711 in Berlin nicht eine Akademie der Wissenschaften eröffnet,
sondern eine Fondsbörse, wir hätten Friedrich Wilhelm 1. nicht erlaubt, so viel
schönes Geld für die Urbarmachung Lithauens und für die Erziehung eines
schlagfertigen Heeres aufzuwenden; wir hätten nicht drei Kriege geführt, um
Schlesien an Preußen zu bringen, weil wir natürlich vorausgesehen hätte", daß
dort einmal der Hungertyphus ausbrechen werde; daher wäre auch Preußen,
oder meinetwegen Brandenburg, nicht in die Welthändel verwickelt worden, hätte
dem Rheinbünde beitreten und sich von Napoleon dem Großen mühelos ver¬
größern lassen können; wir hätten dann kein kostspieliges deutsches Reich, sondern
lebten stillvergnügt nnter den Fittigen des Bu"destages, und nähmen im Aus-
lande den Schutz des dänischen oder englischen Konsuls in Anspruch. Wohl
müßten wir dann darauf verzichten, hier mit den ausgezeichnetste!! Männern
zusammenzuwirken. Herr Windthorst wäre wohl Bundestagsgesandter, die Herren
Bamberger und Richter säßen in Paris, wo es ihnen auch viel besser gefallen
würde, und Herr Nickert dito im polnischen Reichstage. Das wäre freilich
bitter für uns, aber für so große Vorteile könnten wir auch schon eine Einbuße
hinnehmen. Nun ermessen Sie, meine Herren, wie g"t es wäre, wenn nur
endlich einmal die herrschende Partei würden. Alles, was versäumt oder schlecht
gemacht ist, könnten wir allerdings nicht wieder gut machen, aber: "Was ge¬
macht werden kann, würde gemacht werden."

Über die Militärfrage zu sprechen, wäre ich durch meinen gänzlichen Mangel
an Sachkenntnis vorzüglich berufen; allein ich erkenne auch in diesem Punkte
die Überlegenheit meiner Parteifreunde an, und hoffe, daß sie mich der Mühe
überheben werden. Nicht wahr, Herr Richter?




der Große haben die Überzeugung ausgesprochen, daß der Staat am längste»
existire, der am längsten Geld hat. Wer hat am längsten Geld? Wer keins
ausgiebt. Also fort mit dem ganzen stehenden Heere, ans dem schon deshalb
nichts rechtes werden kaun, weil es immer von Sachverständigen geführt wird.
Fort mit der Hochseefischerei, es lebe die Niederbörsenfischerei. Fort mit dem
überseeischen Verkehr, deu schon die Engländer besorgen werden. Fort mit der
verbrecherischen Tendenz, „die Industrie und den Handel nicht Schaden leiden
zu lassen."

Und nun komme ich zu dem über alle verehrten Herrn Richter. Er hat
— wie immer in unwiderleglicher Weise — dargethan, das; alles besser wäre,
wenn er Reichskanzler gewesen wäre anstatt des Stümpers Bismarck. Wieder
diese falsche Bescheidenheit! Weshalb greift er nicht weiter zurück? So muß
denn ich mit meiner viel geringern Beredsamkeit ihn ergänzen. Ja, Herr
v. Maltzahn, es wäre anders, wenn wir schon seit Jahrhunderten regiert hätten.
Wir hätten 1711 in Berlin nicht eine Akademie der Wissenschaften eröffnet,
sondern eine Fondsbörse, wir hätten Friedrich Wilhelm 1. nicht erlaubt, so viel
schönes Geld für die Urbarmachung Lithauens und für die Erziehung eines
schlagfertigen Heeres aufzuwenden; wir hätten nicht drei Kriege geführt, um
Schlesien an Preußen zu bringen, weil wir natürlich vorausgesehen hätte», daß
dort einmal der Hungertyphus ausbrechen werde; daher wäre auch Preußen,
oder meinetwegen Brandenburg, nicht in die Welthändel verwickelt worden, hätte
dem Rheinbünde beitreten und sich von Napoleon dem Großen mühelos ver¬
größern lassen können; wir hätten dann kein kostspieliges deutsches Reich, sondern
lebten stillvergnügt nnter den Fittigen des Bu»destages, und nähmen im Aus-
lande den Schutz des dänischen oder englischen Konsuls in Anspruch. Wohl
müßten wir dann darauf verzichten, hier mit den ausgezeichnetste!! Männern
zusammenzuwirken. Herr Windthorst wäre wohl Bundestagsgesandter, die Herren
Bamberger und Richter säßen in Paris, wo es ihnen auch viel besser gefallen
würde, und Herr Nickert dito im polnischen Reichstage. Das wäre freilich
bitter für uns, aber für so große Vorteile könnten wir auch schon eine Einbuße
hinnehmen. Nun ermessen Sie, meine Herren, wie g»t es wäre, wenn nur
endlich einmal die herrschende Partei würden. Alles, was versäumt oder schlecht
gemacht ist, könnten wir allerdings nicht wieder gut machen, aber: „Was ge¬
macht werden kann, würde gemacht werden."

Über die Militärfrage zu sprechen, wäre ich durch meinen gänzlichen Mangel
an Sachkenntnis vorzüglich berufen; allein ich erkenne auch in diesem Punkte
die Überlegenheit meiner Parteifreunde an, und hoffe, daß sie mich der Mühe
überheben werden. Nicht wahr, Herr Richter?




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/550>, abgerufen am 15.01.2025.