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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Aus der Chronik derer von Riffelshausen.

Andermütz erfreute bei Tische die Damen dadurch, daß er wenig redete und
viel aß. Er hatte in Trübensee die Nachmittagspredigt zu halten und fuhr,
nachdem er den letzten Bissen gegessen hatte, davon. Die andern unternahmen
einen gemeinschaftlichen Spaziergang auf die Kirschberge, wobei Herr Tralelberg
lebhaft vermißt wurde. Therese und Cäcilie empfanden, daß sie den hundert
Fragen nicht gewachsen waren, die trotz des eifrig betriebenen Kirschenschmauses
ihre Unterhaltung fortwährend unterbrachen.

In welche Familie gehört diese Blume, Mama?

Ist das Glimmerschiefer?

Wie heißt das Dorf dort hinten? -- man sieht nur den Kirchturm --
nein, du siehst ja nach dem falschen Fleck; den spitzen mein' ich.

Aber Kinder, so laßt uns doch ein wenig in Ruhe!

Da ertönte der Chor vorwurfsvoll: Herr Tralelberg kennt alle Blumen!
Herr Tralelberg will, daß wir Steine suchen! Herr Tralelberg weiß die Namen
von allen Dörfern und wer dort Pfarrer ist! Herr Tralelberg will nie in
Ruhe gelassen werden!

Therese riet den unruhigen Geistern, recht schöne Blumensträuße anzufer¬
tigen, von denen der gelungenste dem Papa bei dessen Heimkehr überreicht werden
sollte. Dieser Vorschlag fand Anklang, und die Kinder zerstreuten sich auf dem
AbHange.

Die Hofmarschallin strich mit der Hand über die Stirn. Was meinst du,
Cüeilie, kann ich die Minna mit den Kindern auf den Tanzboden schicken?
Mein Kopf schmerzt recht sehr.

Aber Cäcilie schlug entsetzt die Hände zusammen. Um alles in der Welt
nicht! Du weißt ja, daß die gute Schesflingen uns zwei große Körbe Johannis¬
beeren geschickt hat; die dürfen nicht länger stehen, ich muß die Früchte noch
heute mit der Minna einmachen.

Therese schwieg, und Cäcilie beklagte im Stillen die Charakterschwäche der
Schwägerin. Sie selbst hatte Kopfschmerzen nie gekannt.

Als die Gesellschaft nach dem Dorfe zurückkehrte, vernahm man bereits das
Getön der Fibeln aus dem Schenksacilc, das Lachen und Lärmen der Bursche
und Mädchen auf dem Platze und dazwischen das wohlbekannte Rollen und
Poltern in der Kegelbahn, wo auch heute die allsonntäglicher Spielgenossen sich
versammelt hatten.

Bald darauf wanderte auch die Hofmarschallin mit den vier geputzten
Kindern, vom alten Abel geleitet, nach der Schenke hin, deren Thür mit einem
schönen bunten Kranzgewinde verziert war. (Fortsetzung folgt.)




Aus der Chronik derer von Riffelshausen.

Andermütz erfreute bei Tische die Damen dadurch, daß er wenig redete und
viel aß. Er hatte in Trübensee die Nachmittagspredigt zu halten und fuhr,
nachdem er den letzten Bissen gegessen hatte, davon. Die andern unternahmen
einen gemeinschaftlichen Spaziergang auf die Kirschberge, wobei Herr Tralelberg
lebhaft vermißt wurde. Therese und Cäcilie empfanden, daß sie den hundert
Fragen nicht gewachsen waren, die trotz des eifrig betriebenen Kirschenschmauses
ihre Unterhaltung fortwährend unterbrachen.

In welche Familie gehört diese Blume, Mama?

Ist das Glimmerschiefer?

Wie heißt das Dorf dort hinten? — man sieht nur den Kirchturm —
nein, du siehst ja nach dem falschen Fleck; den spitzen mein' ich.

Aber Kinder, so laßt uns doch ein wenig in Ruhe!

Da ertönte der Chor vorwurfsvoll: Herr Tralelberg kennt alle Blumen!
Herr Tralelberg will, daß wir Steine suchen! Herr Tralelberg weiß die Namen
von allen Dörfern und wer dort Pfarrer ist! Herr Tralelberg will nie in
Ruhe gelassen werden!

Therese riet den unruhigen Geistern, recht schöne Blumensträuße anzufer¬
tigen, von denen der gelungenste dem Papa bei dessen Heimkehr überreicht werden
sollte. Dieser Vorschlag fand Anklang, und die Kinder zerstreuten sich auf dem
AbHange.

Die Hofmarschallin strich mit der Hand über die Stirn. Was meinst du,
Cüeilie, kann ich die Minna mit den Kindern auf den Tanzboden schicken?
Mein Kopf schmerzt recht sehr.

Aber Cäcilie schlug entsetzt die Hände zusammen. Um alles in der Welt
nicht! Du weißt ja, daß die gute Schesflingen uns zwei große Körbe Johannis¬
beeren geschickt hat; die dürfen nicht länger stehen, ich muß die Früchte noch
heute mit der Minna einmachen.

Therese schwieg, und Cäcilie beklagte im Stillen die Charakterschwäche der
Schwägerin. Sie selbst hatte Kopfschmerzen nie gekannt.

Als die Gesellschaft nach dem Dorfe zurückkehrte, vernahm man bereits das
Getön der Fibeln aus dem Schenksacilc, das Lachen und Lärmen der Bursche
und Mädchen auf dem Platze und dazwischen das wohlbekannte Rollen und
Poltern in der Kegelbahn, wo auch heute die allsonntäglicher Spielgenossen sich
versammelt hatten.

Bald darauf wanderte auch die Hofmarschallin mit den vier geputzten
Kindern, vom alten Abel geleitet, nach der Schenke hin, deren Thür mit einem
schönen bunten Kranzgewinde verziert war. (Fortsetzung folgt.)




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[0048] Aus der Chronik derer von Riffelshausen. Andermütz erfreute bei Tische die Damen dadurch, daß er wenig redete und viel aß. Er hatte in Trübensee die Nachmittagspredigt zu halten und fuhr, nachdem er den letzten Bissen gegessen hatte, davon. Die andern unternahmen einen gemeinschaftlichen Spaziergang auf die Kirschberge, wobei Herr Tralelberg lebhaft vermißt wurde. Therese und Cäcilie empfanden, daß sie den hundert Fragen nicht gewachsen waren, die trotz des eifrig betriebenen Kirschenschmauses ihre Unterhaltung fortwährend unterbrachen. In welche Familie gehört diese Blume, Mama? Ist das Glimmerschiefer? Wie heißt das Dorf dort hinten? — man sieht nur den Kirchturm — nein, du siehst ja nach dem falschen Fleck; den spitzen mein' ich. Aber Kinder, so laßt uns doch ein wenig in Ruhe! Da ertönte der Chor vorwurfsvoll: Herr Tralelberg kennt alle Blumen! Herr Tralelberg will, daß wir Steine suchen! Herr Tralelberg weiß die Namen von allen Dörfern und wer dort Pfarrer ist! Herr Tralelberg will nie in Ruhe gelassen werden! Therese riet den unruhigen Geistern, recht schöne Blumensträuße anzufer¬ tigen, von denen der gelungenste dem Papa bei dessen Heimkehr überreicht werden sollte. Dieser Vorschlag fand Anklang, und die Kinder zerstreuten sich auf dem AbHange. Die Hofmarschallin strich mit der Hand über die Stirn. Was meinst du, Cüeilie, kann ich die Minna mit den Kindern auf den Tanzboden schicken? Mein Kopf schmerzt recht sehr. Aber Cäcilie schlug entsetzt die Hände zusammen. Um alles in der Welt nicht! Du weißt ja, daß die gute Schesflingen uns zwei große Körbe Johannis¬ beeren geschickt hat; die dürfen nicht länger stehen, ich muß die Früchte noch heute mit der Minna einmachen. Therese schwieg, und Cäcilie beklagte im Stillen die Charakterschwäche der Schwägerin. Sie selbst hatte Kopfschmerzen nie gekannt. Als die Gesellschaft nach dem Dorfe zurückkehrte, vernahm man bereits das Getön der Fibeln aus dem Schenksacilc, das Lachen und Lärmen der Bursche und Mädchen auf dem Platze und dazwischen das wohlbekannte Rollen und Poltern in der Kegelbahn, wo auch heute die allsonntäglicher Spielgenossen sich versammelt hatten. Bald darauf wanderte auch die Hofmarschallin mit den vier geputzten Kindern, vom alten Abel geleitet, nach der Schenke hin, deren Thür mit einem schönen bunten Kranzgewinde verziert war. (Fortsetzung folgt.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/48>, abgerufen am 27.09.2024.