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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Aus der Chronik derer von Riffelshauson,

Ja, gnädige Frau. Damit mein' ich nicht von mir, sondern von unserm
Baron; vom Baron Georg sind sie's gewesen. Sehen Sie, gnädige Frau, der
hat zu mir gesprochen: Abel, Alter -- wir kennen uns eben schon gar lange, der
Baron und ich; hab' ich doch die Frau Mutter noch gesehen, ach, war das eine
schöne, feine Dame, dn lieber Gott! Ja, was ich noch wegen der Nelken
sagen wollte, närrische Einfälle konnte Ihnen unser Baron haben, und am meisten,
wie er noch laufen konnte. Da sagte er mal zu mir, wie ich vor so einem
Nelkcubusche stehe -- damals hatt' ich sie dort unten auf der Rabatte --: Abel,
sagte er, die roten Blumen haben mirs angethan, als hätte eine jede eine Seele,
wie du und ich. Sieh doch selbst! Schaun Sie nicht ganz anders drein als
die ausdruckslosen Blumen umher? Und dann lachten die Augen so übermütig,
und ehe ich mir's versah, tanzte er mit mir den Weg hinunter, und der alte
Baron, der mit der Nachtmütze auf dem Kopfe zum Fenster heraussah, lachte,
daß er sich nur so schüttelte und daß die Pfeife herunterfiel, wobei der schöne
Porzcllankopf mit dem alten Fritz darauf in tausend Stücke sprang. Späterhin
nach dem Unglück freilich ist's anders geworden! Da hat sich der Baron Georg
geradeweg umgedreht, daß man ihn nicht hätte wiederkeuncn sollen.

Wie kam es denn, Abel? Wie geschah das Unglück?

Ach, gnädige Frau, wie es kam, weiß ich so recht selbst nicht mehr.
Aber ganz genau ist mir's uoch gegenwärtig, wie der Herr Doktor kam und
wie das ganze Haus sagte: Das ist auch das erstemal, daß der an unserm
Baron was 'rumzudoktcrn hat. Nachher, da gab's einen Spektakel zwischen
unserm Herrn Doktor und dem alten Baron, der auch was Heftiges in sich
hatte -- 's liegt wohl so im Blute. Sie waren oben im Saale, und die Fenster
waren auf, und ich stand im Hofe beim Unkrautjäten; aber ich versichere Ihnen,
mir war's angst und bange vor dem Lärm, den der alte Baron da oben machte.
Abends kommt der Schmidt zu mir 'rüber in die Gärtnerwohnung ^- gnädige
Frau kennen doch Schmidten, der mit dem Baron nach Tirol gegangen ist?

Jawohl!

Na, sag' ich, wie Schmidt zu mir 'rüber kommt und sich so auf die Bank
hinfallen läßt, als hätte er Schnaps im Kopfe, Schmidt, sag' ich. was ist dir
denn, und wie geht's Baron Georgen? Hol' der Teufel den Doktor, sagt der,
gar nicht wieder gehen soll der junge Herr! Weiß wie die Wand ist er ge¬
worden, wie er's gehört hat, und hernach, wie die andern fort waren, hat er
mich ganz erbärmiglich gebeten, ihm das Schlafpnlver zu bringen, das er in
seinem Schreibtische stehen hat, er wollte nicht als Krüppel weiter leben, und
-- sagte der Schmidt -- wär' ich noch 'ne Minute länger bei ihm geblieben,
weiß Gott, ich hätt's gethan. Und da fing Ihnen der Schmidt zu heulen an.
wie ich mein Lebtag nicht gehört habe, und immerzu sagte er mir: Mein ganzes
Leben dnrch will ich bei ihm bleiben und für ihn sorgen! Das hat er auch
gethan, gnädige Frau, bis heute.


Aus der Chronik derer von Riffelshauson,

Ja, gnädige Frau. Damit mein' ich nicht von mir, sondern von unserm
Baron; vom Baron Georg sind sie's gewesen. Sehen Sie, gnädige Frau, der
hat zu mir gesprochen: Abel, Alter — wir kennen uns eben schon gar lange, der
Baron und ich; hab' ich doch die Frau Mutter noch gesehen, ach, war das eine
schöne, feine Dame, dn lieber Gott! Ja, was ich noch wegen der Nelken
sagen wollte, närrische Einfälle konnte Ihnen unser Baron haben, und am meisten,
wie er noch laufen konnte. Da sagte er mal zu mir, wie ich vor so einem
Nelkcubusche stehe — damals hatt' ich sie dort unten auf der Rabatte —: Abel,
sagte er, die roten Blumen haben mirs angethan, als hätte eine jede eine Seele,
wie du und ich. Sieh doch selbst! Schaun Sie nicht ganz anders drein als
die ausdruckslosen Blumen umher? Und dann lachten die Augen so übermütig,
und ehe ich mir's versah, tanzte er mit mir den Weg hinunter, und der alte
Baron, der mit der Nachtmütze auf dem Kopfe zum Fenster heraussah, lachte,
daß er sich nur so schüttelte und daß die Pfeife herunterfiel, wobei der schöne
Porzcllankopf mit dem alten Fritz darauf in tausend Stücke sprang. Späterhin
nach dem Unglück freilich ist's anders geworden! Da hat sich der Baron Georg
geradeweg umgedreht, daß man ihn nicht hätte wiederkeuncn sollen.

Wie kam es denn, Abel? Wie geschah das Unglück?

Ach, gnädige Frau, wie es kam, weiß ich so recht selbst nicht mehr.
Aber ganz genau ist mir's uoch gegenwärtig, wie der Herr Doktor kam und
wie das ganze Haus sagte: Das ist auch das erstemal, daß der an unserm
Baron was 'rumzudoktcrn hat. Nachher, da gab's einen Spektakel zwischen
unserm Herrn Doktor und dem alten Baron, der auch was Heftiges in sich
hatte — 's liegt wohl so im Blute. Sie waren oben im Saale, und die Fenster
waren auf, und ich stand im Hofe beim Unkrautjäten; aber ich versichere Ihnen,
mir war's angst und bange vor dem Lärm, den der alte Baron da oben machte.
Abends kommt der Schmidt zu mir 'rüber in die Gärtnerwohnung ^- gnädige
Frau kennen doch Schmidten, der mit dem Baron nach Tirol gegangen ist?

Jawohl!

Na, sag' ich, wie Schmidt zu mir 'rüber kommt und sich so auf die Bank
hinfallen läßt, als hätte er Schnaps im Kopfe, Schmidt, sag' ich. was ist dir
denn, und wie geht's Baron Georgen? Hol' der Teufel den Doktor, sagt der,
gar nicht wieder gehen soll der junge Herr! Weiß wie die Wand ist er ge¬
worden, wie er's gehört hat, und hernach, wie die andern fort waren, hat er
mich ganz erbärmiglich gebeten, ihm das Schlafpnlver zu bringen, das er in
seinem Schreibtische stehen hat, er wollte nicht als Krüppel weiter leben, und
— sagte der Schmidt — wär' ich noch 'ne Minute länger bei ihm geblieben,
weiß Gott, ich hätt's gethan. Und da fing Ihnen der Schmidt zu heulen an.
wie ich mein Lebtag nicht gehört habe, und immerzu sagte er mir: Mein ganzes
Leben dnrch will ich bei ihm bleiben und für ihn sorgen! Das hat er auch
gethan, gnädige Frau, bis heute.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/45>, abgerufen am 26.09.2024.