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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Die neuen Briefe Robert Schumanns.

ein Beweis verdorbener Kunstbildung, wenn man dramatische Meisterwerke der
Deutschen neben denen Wagners herunterzusetzen wagt. Doch genug davon.
Die Zukunft wird auch über dieses richten." Wir haben diesem Urteile^) nichts
hinzuzufügen; es ist kein andres als das, das so oft in diesen grünen Blättern
zu lesen gewesen ist.

Auf die Jubelwvrte, mit denen Schumann 1853 in den Briefen an Joachim
den jungen Brahms feiert, machen wir die Leser besonders aufmerksam. Brahms'
Werke sandte Schumann an Härtels, die sie auch in Verlag nahmen, wie sie
denn fast jedesmal darauf eingegangen sind, wenn ihnen ein junger Komponist
von Schumann empfohlen wurde, und überhaupt sein Verkehr mit diesen Ver¬
legern ein sehr erfreuliches Bild beiderseitigen Entgegenkommens zeigt. Freilich
erfuhr er auch manche Zurückweisung und mußte zuweilen seine Forderungen
vermindert sehen. Als einmal eine Meinungsverschiedenheit wegen des Honorars
(für die D-woll-Vivlinsoimte) entstanden war, fügte er sich in die Vorschläge
Dr. Härtels mit den Worten: "Wegen der geringen Differenz das Geschäft
rückgängig zu machen, kam mir nicht in den Sinn. Sie haben sich seit einer
Reihe von Jahren immer wohlwollend gezeigt und, wie ich glaube, über das
persönliche Interesse an meinen Bestrebungen das kaufmännische oft zurückgestellt.
Lassen wir es also dabei bleiben, wie Sie es bestimmt haben." In einem andern
Briefe ^1845^ heißt es: "Ach, es wird mir schwer, über solche Dinge mit Ihnen,
von dem ich eben weiß, daß Sie noch andern Anteil als bloß kaufmännischen
an uns nehmen, sprechen zu müssen. Aber wir sind eben nicht alle Lord Byrons,
der in der ersten Zeit seines Auftretens durchaus nichts annehmen wollte von
seinen Verlegern. Freilich in der letzten Zeit hat er sich zehn- und mehrfach
gerächt dafür. Vor so einer Rache sind Sie wenigstens bei mir sicher." Bis¬
weilen kam es vor, daß sich beide Parteien in Großmut überboten. Für "Para¬
dies und Perl" bekam Schumann 100 Louisd'or (1600 Mark), für das Klavier¬
quintett 20 Louisd'or, dasselbe für das v-moll-Trio. Da der Druck der
Pari-Partitur den Verlegern größere Kosten machte, erbot sich Schumann, ihnen
unentgeltlich noch ein Konzert-Allegro zuzugeben. Es war der erste Satz des
Klavierkonzerts. Härtels nahmen die Zugabe aber nicht an und zahlten später
für das vervollständigte ^.-raoll-Konzert 25 Louisd'or. Für die Ritvrnellc
(ox. 65) zahlten Härtels mehr, als Schumann verlangt hatte. Schumann ant¬
wortete: "Den Zettel hab' ich geöffnet; nach bestem Gewissen kann ich aber
nicht so viel verlangen, sondern nur 8 Louisd'or. Halten Sie dies für keine
Ziererei. Die Stücke sind klein -- und Männergesangsachen ohnedies für ein
kleineres Publikum. Also bitte ich, berechnen Sie mir nicht mehr, als wie ich
sagte. Ich bin vollkommen zufrieden damit. Könnte ich Ihnen nur einmal



War es eine Vergeltung fiir dieses offene Urteil Schumanns, daß die "Bayreuther
Blätter" einst einen schonungsloser Angriff gegen Schumann brachten?
Die neuen Briefe Robert Schumanns.

ein Beweis verdorbener Kunstbildung, wenn man dramatische Meisterwerke der
Deutschen neben denen Wagners herunterzusetzen wagt. Doch genug davon.
Die Zukunft wird auch über dieses richten." Wir haben diesem Urteile^) nichts
hinzuzufügen; es ist kein andres als das, das so oft in diesen grünen Blättern
zu lesen gewesen ist.

Auf die Jubelwvrte, mit denen Schumann 1853 in den Briefen an Joachim
den jungen Brahms feiert, machen wir die Leser besonders aufmerksam. Brahms'
Werke sandte Schumann an Härtels, die sie auch in Verlag nahmen, wie sie
denn fast jedesmal darauf eingegangen sind, wenn ihnen ein junger Komponist
von Schumann empfohlen wurde, und überhaupt sein Verkehr mit diesen Ver¬
legern ein sehr erfreuliches Bild beiderseitigen Entgegenkommens zeigt. Freilich
erfuhr er auch manche Zurückweisung und mußte zuweilen seine Forderungen
vermindert sehen. Als einmal eine Meinungsverschiedenheit wegen des Honorars
(für die D-woll-Vivlinsoimte) entstanden war, fügte er sich in die Vorschläge
Dr. Härtels mit den Worten: „Wegen der geringen Differenz das Geschäft
rückgängig zu machen, kam mir nicht in den Sinn. Sie haben sich seit einer
Reihe von Jahren immer wohlwollend gezeigt und, wie ich glaube, über das
persönliche Interesse an meinen Bestrebungen das kaufmännische oft zurückgestellt.
Lassen wir es also dabei bleiben, wie Sie es bestimmt haben." In einem andern
Briefe ^1845^ heißt es: „Ach, es wird mir schwer, über solche Dinge mit Ihnen,
von dem ich eben weiß, daß Sie noch andern Anteil als bloß kaufmännischen
an uns nehmen, sprechen zu müssen. Aber wir sind eben nicht alle Lord Byrons,
der in der ersten Zeit seines Auftretens durchaus nichts annehmen wollte von
seinen Verlegern. Freilich in der letzten Zeit hat er sich zehn- und mehrfach
gerächt dafür. Vor so einer Rache sind Sie wenigstens bei mir sicher." Bis¬
weilen kam es vor, daß sich beide Parteien in Großmut überboten. Für „Para¬
dies und Perl" bekam Schumann 100 Louisd'or (1600 Mark), für das Klavier¬
quintett 20 Louisd'or, dasselbe für das v-moll-Trio. Da der Druck der
Pari-Partitur den Verlegern größere Kosten machte, erbot sich Schumann, ihnen
unentgeltlich noch ein Konzert-Allegro zuzugeben. Es war der erste Satz des
Klavierkonzerts. Härtels nahmen die Zugabe aber nicht an und zahlten später
für das vervollständigte ^.-raoll-Konzert 25 Louisd'or. Für die Ritvrnellc
(ox. 65) zahlten Härtels mehr, als Schumann verlangt hatte. Schumann ant¬
wortete: „Den Zettel hab' ich geöffnet; nach bestem Gewissen kann ich aber
nicht so viel verlangen, sondern nur 8 Louisd'or. Halten Sie dies für keine
Ziererei. Die Stücke sind klein — und Männergesangsachen ohnedies für ein
kleineres Publikum. Also bitte ich, berechnen Sie mir nicht mehr, als wie ich
sagte. Ich bin vollkommen zufrieden damit. Könnte ich Ihnen nur einmal



War es eine Vergeltung fiir dieses offene Urteil Schumanns, daß die „Bayreuther
Blätter" einst einen schonungsloser Angriff gegen Schumann brachten?
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/443>, abgerufen am 27.09.2024.