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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Aus der Chronik derer von Riffelshansen.

Der Hofmarschall wandte sich der Kleinen zu. Was sagst du da für Weis¬
heiten, Schatz? Komm einmal her, dn Schneck!

Mathilde hüpfte erfreut auf seine Kniee und ließ sich die väterlichen Lieb¬
kosungen bereitwilligst gefallen. Bohemund aber erinnerte sich einer Bemerkung
Diüoas, Sie wird eine Schönheit, hatte der Graf von der kleinen Mathilde
gesagt. Riffclshansen sah nach seiner Frau hinüber, deren sanfte Augen den
seinen begegneten, und er sagte leise zu der Kleinen: Werde nur so wie deine
Mutter, Kind.

An diesem Tage empfing der Hofmarschall den Besuch des Dorfschulzen,
der die jungen Herrschaften höflichst zu dem am nächsten Sonntag stattfindenden
Kindcrtcmze einlud. Ein solches Kinderfest feierte das Dorf alljährlich, und es
bereitete Jung und Alt besondres Ergötzen.

Der Hofmarschall, gegen den sich die Bauern in der letzten Zeit geradezu
feindlich gestellt hatten, fand es ganz rätlich, seinerseits einmal freundliche Ge¬
sinnung an den Tag zu legen. Er gab darum dem verlegenen Ortsvorstande
den Bescheid, er werde seine Kleinen mit besonderm Vergnügen in die Schenke
hinüberschicken.

Ich meine, dn solltest die Kinder selbst in den Tanzsaal begleiten, sagte
der Hofmarschall zu seiner Frau, als diese ihm die tägliche Arzenei bereitete.
Die Leute wissen so etwas sehr zu schätzen, und mir liegt viel daran, sie jetzt
bei günstiger Stimmung zu erhalten. Ich habe die Berechnungen Friedrichs,
des Geometers, eingeschickt und muß sie mir am Sonntag in Erfurt wieder
nbholeu. Sonst würde ich selbst mit euch hinüber in den Schenksaal gehen.
Du findest dort aber die Schützin, die Kantoru, die Günthern und andre dir be¬
kannte Frauen. Auch ist es ja uicht notwendig, daß du dich lauge dort aufhältst.

Therese dachte uicht ohne Grauen an Hitze und Tabaksqualm in dem
niedrigen, überfüllten Schcnksaal. Der Kopf schmerzte sie, und sie fühlte sich
recht unwohl, wagte indessen uicht, dem Gemahl zu widersprechen.

Die Kinder dagegen freuten sich über das in Aussicht gestellte Fest wie
die Kobolde. Sie besaßen treue und ergebene Freunde unter der Dorfjugend
und zogen die Gesellschaft der jungen Siebeuhofcr sogar dem Verkehr mit dem
wohlerzogenen Lieschen Schefflingen vor. Wenn mau vou Zeit zu Zeit in
Sonntagskleidern und in deu großen Wagen gepackt nach Trübensee hinüber¬
fuhr, so war man genötigt, so artig zu sein, daß an Spaß garnicht gedacht
werden konnte. War vollends der widerwärtige Emil anwesend, so hörte die
Gemütlichkeit ganz ans. Hinter dem Rücken der gestrengen Frau Mama ärgerte
und dünkte er ohne Unterschied seine geduldige kleine Schwester und deren
Freundinnen. Je mehr dann die Mädchen sich ärgerten, desto größer war sein
Vergnüge". Einmal hatte deshalb eine erbitterte Prügelei zwischen ihm
und dem um mehrere Jahre jüngeren Valer stattgefunden, sodaß beide Kämpfer
braune und blane Flecke davontrugen. Seitdem sah es Frau von Schesf-


Aus der Chronik derer von Riffelshansen.

Der Hofmarschall wandte sich der Kleinen zu. Was sagst du da für Weis¬
heiten, Schatz? Komm einmal her, dn Schneck!

Mathilde hüpfte erfreut auf seine Kniee und ließ sich die väterlichen Lieb¬
kosungen bereitwilligst gefallen. Bohemund aber erinnerte sich einer Bemerkung
Diüoas, Sie wird eine Schönheit, hatte der Graf von der kleinen Mathilde
gesagt. Riffclshansen sah nach seiner Frau hinüber, deren sanfte Augen den
seinen begegneten, und er sagte leise zu der Kleinen: Werde nur so wie deine
Mutter, Kind.

An diesem Tage empfing der Hofmarschall den Besuch des Dorfschulzen,
der die jungen Herrschaften höflichst zu dem am nächsten Sonntag stattfindenden
Kindcrtcmze einlud. Ein solches Kinderfest feierte das Dorf alljährlich, und es
bereitete Jung und Alt besondres Ergötzen.

Der Hofmarschall, gegen den sich die Bauern in der letzten Zeit geradezu
feindlich gestellt hatten, fand es ganz rätlich, seinerseits einmal freundliche Ge¬
sinnung an den Tag zu legen. Er gab darum dem verlegenen Ortsvorstande
den Bescheid, er werde seine Kleinen mit besonderm Vergnügen in die Schenke
hinüberschicken.

Ich meine, dn solltest die Kinder selbst in den Tanzsaal begleiten, sagte
der Hofmarschall zu seiner Frau, als diese ihm die tägliche Arzenei bereitete.
Die Leute wissen so etwas sehr zu schätzen, und mir liegt viel daran, sie jetzt
bei günstiger Stimmung zu erhalten. Ich habe die Berechnungen Friedrichs,
des Geometers, eingeschickt und muß sie mir am Sonntag in Erfurt wieder
nbholeu. Sonst würde ich selbst mit euch hinüber in den Schenksaal gehen.
Du findest dort aber die Schützin, die Kantoru, die Günthern und andre dir be¬
kannte Frauen. Auch ist es ja uicht notwendig, daß du dich lauge dort aufhältst.

Therese dachte uicht ohne Grauen an Hitze und Tabaksqualm in dem
niedrigen, überfüllten Schcnksaal. Der Kopf schmerzte sie, und sie fühlte sich
recht unwohl, wagte indessen uicht, dem Gemahl zu widersprechen.

Die Kinder dagegen freuten sich über das in Aussicht gestellte Fest wie
die Kobolde. Sie besaßen treue und ergebene Freunde unter der Dorfjugend
und zogen die Gesellschaft der jungen Siebeuhofcr sogar dem Verkehr mit dem
wohlerzogenen Lieschen Schefflingen vor. Wenn mau vou Zeit zu Zeit in
Sonntagskleidern und in deu großen Wagen gepackt nach Trübensee hinüber¬
fuhr, so war man genötigt, so artig zu sein, daß an Spaß garnicht gedacht
werden konnte. War vollends der widerwärtige Emil anwesend, so hörte die
Gemütlichkeit ganz ans. Hinter dem Rücken der gestrengen Frau Mama ärgerte
und dünkte er ohne Unterschied seine geduldige kleine Schwester und deren
Freundinnen. Je mehr dann die Mädchen sich ärgerten, desto größer war sein
Vergnüge». Einmal hatte deshalb eine erbitterte Prügelei zwischen ihm
und dem um mehrere Jahre jüngeren Valer stattgefunden, sodaß beide Kämpfer
braune und blane Flecke davontrugen. Seitdem sah es Frau von Schesf-


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[0043] Aus der Chronik derer von Riffelshansen. Der Hofmarschall wandte sich der Kleinen zu. Was sagst du da für Weis¬ heiten, Schatz? Komm einmal her, dn Schneck! Mathilde hüpfte erfreut auf seine Kniee und ließ sich die väterlichen Lieb¬ kosungen bereitwilligst gefallen. Bohemund aber erinnerte sich einer Bemerkung Diüoas, Sie wird eine Schönheit, hatte der Graf von der kleinen Mathilde gesagt. Riffclshansen sah nach seiner Frau hinüber, deren sanfte Augen den seinen begegneten, und er sagte leise zu der Kleinen: Werde nur so wie deine Mutter, Kind. An diesem Tage empfing der Hofmarschall den Besuch des Dorfschulzen, der die jungen Herrschaften höflichst zu dem am nächsten Sonntag stattfindenden Kindcrtcmze einlud. Ein solches Kinderfest feierte das Dorf alljährlich, und es bereitete Jung und Alt besondres Ergötzen. Der Hofmarschall, gegen den sich die Bauern in der letzten Zeit geradezu feindlich gestellt hatten, fand es ganz rätlich, seinerseits einmal freundliche Ge¬ sinnung an den Tag zu legen. Er gab darum dem verlegenen Ortsvorstande den Bescheid, er werde seine Kleinen mit besonderm Vergnügen in die Schenke hinüberschicken. Ich meine, dn solltest die Kinder selbst in den Tanzsaal begleiten, sagte der Hofmarschall zu seiner Frau, als diese ihm die tägliche Arzenei bereitete. Die Leute wissen so etwas sehr zu schätzen, und mir liegt viel daran, sie jetzt bei günstiger Stimmung zu erhalten. Ich habe die Berechnungen Friedrichs, des Geometers, eingeschickt und muß sie mir am Sonntag in Erfurt wieder nbholeu. Sonst würde ich selbst mit euch hinüber in den Schenksaal gehen. Du findest dort aber die Schützin, die Kantoru, die Günthern und andre dir be¬ kannte Frauen. Auch ist es ja uicht notwendig, daß du dich lauge dort aufhältst. Therese dachte uicht ohne Grauen an Hitze und Tabaksqualm in dem niedrigen, überfüllten Schcnksaal. Der Kopf schmerzte sie, und sie fühlte sich recht unwohl, wagte indessen uicht, dem Gemahl zu widersprechen. Die Kinder dagegen freuten sich über das in Aussicht gestellte Fest wie die Kobolde. Sie besaßen treue und ergebene Freunde unter der Dorfjugend und zogen die Gesellschaft der jungen Siebeuhofcr sogar dem Verkehr mit dem wohlerzogenen Lieschen Schefflingen vor. Wenn mau vou Zeit zu Zeit in Sonntagskleidern und in deu großen Wagen gepackt nach Trübensee hinüber¬ fuhr, so war man genötigt, so artig zu sein, daß an Spaß garnicht gedacht werden konnte. War vollends der widerwärtige Emil anwesend, so hörte die Gemütlichkeit ganz ans. Hinter dem Rücken der gestrengen Frau Mama ärgerte und dünkte er ohne Unterschied seine geduldige kleine Schwester und deren Freundinnen. Je mehr dann die Mädchen sich ärgerten, desto größer war sein Vergnüge». Einmal hatte deshalb eine erbitterte Prügelei zwischen ihm und dem um mehrere Jahre jüngeren Valer stattgefunden, sodaß beide Kämpfer braune und blane Flecke davontrugen. Seitdem sah es Frau von Schesf-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/43>, abgerufen am 27.09.2024.