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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Volkswirtschaftliche Betrachtungen eines Laien.

teilungsmaßstab hat, nämlich den Wert der Besitzobjekte selbst, der in seiner
unendlichen Zahlenreihe alle Verhältnisse würdigt und in sich aufnimmt und
derart praktisch ist, daß die bisherigen, bisweilen in der verwickeltsten Weise
gesuchten Steuersätze, Simpla, Progressionen, Skalen, Klassen, Stufen, Ver-
hältnisznhlen, Mnstergründe und Musterhäuser ze" gar keinen Vergleich mit ihm
auszuhalten vermögen, so ist sie auch gleichmäßig, d. h, sie bevorzugt keine Be¬
sitzgattung vor der rudern, und bewirkt hierdurch, daß die gegenwärtigen be¬
gründeten Klagen darüber, daß eine Besitzgattung gegenüber einer andern be¬
nachteiligt sei, daß z. B, der Grundbesitz und das Gewerbe mehr als das
Zinskapital belastet seien, verstummen müßten. Weil der Besitz als ein that¬
sächliches Verhältnis mehr zu Tage tritt, als die häufig in der umständlichsten
und mühsamsten Weise erst festzustellenden Begriffe Ertrag und Einkommen,"
so folgt hieraus: 1. daß die Besitzsteuer so eingehende Erhebungen nicht erfordert
wie die Ertrags- und Einkommensteuern, bei welchen neben dein Besitze der
Steuervbjekte auch noch deren wechselnder Ertrag ?c, in der genauesten Weise
erhoben werden muß; 2. daß die Besitzstcuer somit einfacher als die genannten
andern Steuerarten und daher leichter ein- und durchführbar ist; 3, daß die
Steuerpflichtigen durch die Vesitzstener weniger belästigt werden, als durch die
beiden rudern Steuerarten; 4. daß die Verschweigung der Vesitzobjekte viel
weniger möglich ist als die des Ertrages und Einkommens, und 5. daß die
Besitzsteucr auch von diesen Gesichtspunkten aus gerechter und ausreichender ist, als
die andern Steuerarten. Indem die Besitzsteucr sich auf alle Besitzobjekte erstreckt,
insofern diese nur überhaupt einen Wert haben und kcipitalisirt werden können,
somit auch die gewöhnlich als unproduktiv bezeichneten, aber häufig mit ganz
besondrer Steuerkraft begabten Besitzobjekte heranzieht und auch alle phhsischen
und juristischen Personen, insofern nicht das Staats- und Völkerrecht Aus¬
nahmen aufstellt, umfaßt, so ist sie sowohl objektiv als anch subjektiv allgemein
und durch diese Eigenschaft auch unnbwälzbar; denn wohin sollte sie abgewälzt
werden können, da sie ja nicht, wie die gegenwärtigen direkten Steuerarten, nur
einzelne Klassen der Bevölkerung trifft, sondern der steuerpflichtigen Allgemein¬
heit auferlegt werden soll?

Infolge alles dessen schließt sich die Besitzsteuer derartig den Steuerkasten
der einzelnen Pflichtigen an, daß, während z. B, ein lediger Beamter eine ge¬
wisse Besitzsteuersnmme zu bezahlen hätte, dessen in gleichen Vermögens- und
Einkommensverhältnissen lebender, jedoch verheirateter Kollege mit Familie nur
die Hälfte jener Steuersumine zu entrichten hätte, daß z, B, bei einem Steuer¬
satze von 2 vom Tausend der Bcsteuerungssummc eine Dienstmagd mit einem
jährlichen Einkommen von <>50 Mark eine jährliche Besitzsteuer vou 1 Mark
25 Pf. z" leisten hätte, während ein vermögensloser Familienvater mit Frau
und vier im Ernähcungsalter befindlichen Kindern selbst bei einem jährlichen
Gesamtvcrdicnste von 2400 Mark noch steuerfrei wäre. Hat er aber Schulden,


Volkswirtschaftliche Betrachtungen eines Laien.

teilungsmaßstab hat, nämlich den Wert der Besitzobjekte selbst, der in seiner
unendlichen Zahlenreihe alle Verhältnisse würdigt und in sich aufnimmt und
derart praktisch ist, daß die bisherigen, bisweilen in der verwickeltsten Weise
gesuchten Steuersätze, Simpla, Progressionen, Skalen, Klassen, Stufen, Ver-
hältnisznhlen, Mnstergründe und Musterhäuser ze„ gar keinen Vergleich mit ihm
auszuhalten vermögen, so ist sie auch gleichmäßig, d. h, sie bevorzugt keine Be¬
sitzgattung vor der rudern, und bewirkt hierdurch, daß die gegenwärtigen be¬
gründeten Klagen darüber, daß eine Besitzgattung gegenüber einer andern be¬
nachteiligt sei, daß z. B, der Grundbesitz und das Gewerbe mehr als das
Zinskapital belastet seien, verstummen müßten. Weil der Besitz als ein that¬
sächliches Verhältnis mehr zu Tage tritt, als die häufig in der umständlichsten
und mühsamsten Weise erst festzustellenden Begriffe Ertrag und Einkommen,"
so folgt hieraus: 1. daß die Besitzsteuer so eingehende Erhebungen nicht erfordert
wie die Ertrags- und Einkommensteuern, bei welchen neben dein Besitze der
Steuervbjekte auch noch deren wechselnder Ertrag ?c, in der genauesten Weise
erhoben werden muß; 2. daß die Besitzstcuer somit einfacher als die genannten
andern Steuerarten und daher leichter ein- und durchführbar ist; 3, daß die
Steuerpflichtigen durch die Vesitzstener weniger belästigt werden, als durch die
beiden rudern Steuerarten; 4. daß die Verschweigung der Vesitzobjekte viel
weniger möglich ist als die des Ertrages und Einkommens, und 5. daß die
Besitzsteucr auch von diesen Gesichtspunkten aus gerechter und ausreichender ist, als
die andern Steuerarten. Indem die Besitzsteucr sich auf alle Besitzobjekte erstreckt,
insofern diese nur überhaupt einen Wert haben und kcipitalisirt werden können,
somit auch die gewöhnlich als unproduktiv bezeichneten, aber häufig mit ganz
besondrer Steuerkraft begabten Besitzobjekte heranzieht und auch alle phhsischen
und juristischen Personen, insofern nicht das Staats- und Völkerrecht Aus¬
nahmen aufstellt, umfaßt, so ist sie sowohl objektiv als anch subjektiv allgemein
und durch diese Eigenschaft auch unnbwälzbar; denn wohin sollte sie abgewälzt
werden können, da sie ja nicht, wie die gegenwärtigen direkten Steuerarten, nur
einzelne Klassen der Bevölkerung trifft, sondern der steuerpflichtigen Allgemein¬
heit auferlegt werden soll?

Infolge alles dessen schließt sich die Besitzsteuer derartig den Steuerkasten
der einzelnen Pflichtigen an, daß, während z. B, ein lediger Beamter eine ge¬
wisse Besitzsteuersnmme zu bezahlen hätte, dessen in gleichen Vermögens- und
Einkommensverhältnissen lebender, jedoch verheirateter Kollege mit Familie nur
die Hälfte jener Steuersumine zu entrichten hätte, daß z, B, bei einem Steuer¬
satze von 2 vom Tausend der Bcsteuerungssummc eine Dienstmagd mit einem
jährlichen Einkommen von <>50 Mark eine jährliche Besitzsteuer vou 1 Mark
25 Pf. z» leisten hätte, während ein vermögensloser Familienvater mit Frau
und vier im Ernähcungsalter befindlichen Kindern selbst bei einem jährlichen
Gesamtvcrdicnste von 2400 Mark noch steuerfrei wäre. Hat er aber Schulden,


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[0421] Volkswirtschaftliche Betrachtungen eines Laien. teilungsmaßstab hat, nämlich den Wert der Besitzobjekte selbst, der in seiner unendlichen Zahlenreihe alle Verhältnisse würdigt und in sich aufnimmt und derart praktisch ist, daß die bisherigen, bisweilen in der verwickeltsten Weise gesuchten Steuersätze, Simpla, Progressionen, Skalen, Klassen, Stufen, Ver- hältnisznhlen, Mnstergründe und Musterhäuser ze„ gar keinen Vergleich mit ihm auszuhalten vermögen, so ist sie auch gleichmäßig, d. h, sie bevorzugt keine Be¬ sitzgattung vor der rudern, und bewirkt hierdurch, daß die gegenwärtigen be¬ gründeten Klagen darüber, daß eine Besitzgattung gegenüber einer andern be¬ nachteiligt sei, daß z. B, der Grundbesitz und das Gewerbe mehr als das Zinskapital belastet seien, verstummen müßten. Weil der Besitz als ein that¬ sächliches Verhältnis mehr zu Tage tritt, als die häufig in der umständlichsten und mühsamsten Weise erst festzustellenden Begriffe Ertrag und Einkommen," so folgt hieraus: 1. daß die Besitzsteuer so eingehende Erhebungen nicht erfordert wie die Ertrags- und Einkommensteuern, bei welchen neben dein Besitze der Steuervbjekte auch noch deren wechselnder Ertrag ?c, in der genauesten Weise erhoben werden muß; 2. daß die Besitzstcuer somit einfacher als die genannten andern Steuerarten und daher leichter ein- und durchführbar ist; 3, daß die Steuerpflichtigen durch die Vesitzstener weniger belästigt werden, als durch die beiden rudern Steuerarten; 4. daß die Verschweigung der Vesitzobjekte viel weniger möglich ist als die des Ertrages und Einkommens, und 5. daß die Besitzsteucr auch von diesen Gesichtspunkten aus gerechter und ausreichender ist, als die andern Steuerarten. Indem die Besitzsteucr sich auf alle Besitzobjekte erstreckt, insofern diese nur überhaupt einen Wert haben und kcipitalisirt werden können, somit auch die gewöhnlich als unproduktiv bezeichneten, aber häufig mit ganz besondrer Steuerkraft begabten Besitzobjekte heranzieht und auch alle phhsischen und juristischen Personen, insofern nicht das Staats- und Völkerrecht Aus¬ nahmen aufstellt, umfaßt, so ist sie sowohl objektiv als anch subjektiv allgemein und durch diese Eigenschaft auch unnbwälzbar; denn wohin sollte sie abgewälzt werden können, da sie ja nicht, wie die gegenwärtigen direkten Steuerarten, nur einzelne Klassen der Bevölkerung trifft, sondern der steuerpflichtigen Allgemein¬ heit auferlegt werden soll? Infolge alles dessen schließt sich die Besitzsteuer derartig den Steuerkasten der einzelnen Pflichtigen an, daß, während z. B, ein lediger Beamter eine ge¬ wisse Besitzsteuersnmme zu bezahlen hätte, dessen in gleichen Vermögens- und Einkommensverhältnissen lebender, jedoch verheirateter Kollege mit Familie nur die Hälfte jener Steuersumine zu entrichten hätte, daß z, B, bei einem Steuer¬ satze von 2 vom Tausend der Bcsteuerungssummc eine Dienstmagd mit einem jährlichen Einkommen von <>50 Mark eine jährliche Besitzsteuer vou 1 Mark 25 Pf. z» leisten hätte, während ein vermögensloser Familienvater mit Frau und vier im Ernähcungsalter befindlichen Kindern selbst bei einem jährlichen Gesamtvcrdicnste von 2400 Mark noch steuerfrei wäre. Hat er aber Schulden,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/421>, abgerufen am 27.09.2024.