Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Aus der Chronik derer von Riffelshansen.

Mein Gott! rief Lembrück, schwieg aber auf einen verweisenden Blick der
Mutter.

Überhaupt, sagte Cäcilie von Niffelshausen, diese Daidas --

Jawohl, meine Liebe. Die Schefflingen faßte Cäciliens Hand und begann
zu flüstern.

Sie endigte etwas lauter mit der Bemerkung, daß Dcüdas Tochter sich
durchaus keiner musterhaften Erziehung erfreue. Ich werde Lischen nicht mit
ihr zusammenkommen lassen, selbst wenn sie hier Besuch machen sollte.

Natürlich nicht, erwiederte Cäcilie eifrig, ich würde den Besuch nicht einmal
annehmen.

Eine der Komtessen Lembrück erzählte Mathilden, die Komtesse Daida sei
garnicht so besonders schön, wie man immer von ihr sage.

Die Arme wird nun auch die Freuden des Landlebens kennen lernen,
lachte Emilcheu, aber, nimm mir's nicht übel, Cousine, schön ist sie doch!

Nach dem Essen begab man sich in den schattigen Park, um einzeln oder zu
zweien zu lustwandeln.

Leutnant Rohr, ein leidenschaftlicher Zeichner, bat Julie um die Erlaubnis,
sie in sein Taschenbuch skizziren zu dürfen. Sie willigte ein, stellte aber die Be¬
dingung, daß er sie gut unterhalte während der "Sitzung." Was sie interessire?
fragte Rohr. Alles, was von wirklich originellen Menschen handelt, sagte sie,
zum Beispiel diese Daidas.

Rohr schien ihrer Meinung sein. Er erzählte lebhaft, während er zeichnete;
waren doch die genialen Streiche der Söhne Daidas unter den Offizieren der
Residenz ein unerschöpfliches Thema.

Es^ ist ein Jammer um diese begabten Menschen, schloß Rohr, in ihrem
tollen Eigensinn rennen sie so lange gegen alle Wände, bis sie mit zerbrochnen
Schädel am Boden liegen. Am meisten oomincm ssuss hat noch der Vater.
Aus dem hätte etwas werden können, wenn er rechtzeitig in die rechten Hände
gekommen wäre.

Julie hatte eine ausgeprägte Vorliebe sür starken und schrankenlosen Eigen¬
willen. Ein Körnchen Genie, erklärte sie, wiegt viele Zentner Vernunft auf.

Während diese beiden sich auf diese Weise vergnügten, bearbeiteten Anton und
Valer Riffelshausen eine Variation des gleichen Themas. Als nämlich Valer
in einem der schattigen Wege zufällig seinen Bruder allein traf, fragte er ihn:
Höre mal, Toni, kennst du diese Daida?

Die Tochter?

Ja, natürlich. Kennst dn sie?

Ja.

Nun?

Was denn?


Aus der Chronik derer von Riffelshansen.

Mein Gott! rief Lembrück, schwieg aber auf einen verweisenden Blick der
Mutter.

Überhaupt, sagte Cäcilie von Niffelshausen, diese Daidas —

Jawohl, meine Liebe. Die Schefflingen faßte Cäciliens Hand und begann
zu flüstern.

Sie endigte etwas lauter mit der Bemerkung, daß Dcüdas Tochter sich
durchaus keiner musterhaften Erziehung erfreue. Ich werde Lischen nicht mit
ihr zusammenkommen lassen, selbst wenn sie hier Besuch machen sollte.

Natürlich nicht, erwiederte Cäcilie eifrig, ich würde den Besuch nicht einmal
annehmen.

Eine der Komtessen Lembrück erzählte Mathilden, die Komtesse Daida sei
garnicht so besonders schön, wie man immer von ihr sage.

Die Arme wird nun auch die Freuden des Landlebens kennen lernen,
lachte Emilcheu, aber, nimm mir's nicht übel, Cousine, schön ist sie doch!

Nach dem Essen begab man sich in den schattigen Park, um einzeln oder zu
zweien zu lustwandeln.

Leutnant Rohr, ein leidenschaftlicher Zeichner, bat Julie um die Erlaubnis,
sie in sein Taschenbuch skizziren zu dürfen. Sie willigte ein, stellte aber die Be¬
dingung, daß er sie gut unterhalte während der „Sitzung." Was sie interessire?
fragte Rohr. Alles, was von wirklich originellen Menschen handelt, sagte sie,
zum Beispiel diese Daidas.

Rohr schien ihrer Meinung sein. Er erzählte lebhaft, während er zeichnete;
waren doch die genialen Streiche der Söhne Daidas unter den Offizieren der
Residenz ein unerschöpfliches Thema.

Es^ ist ein Jammer um diese begabten Menschen, schloß Rohr, in ihrem
tollen Eigensinn rennen sie so lange gegen alle Wände, bis sie mit zerbrochnen
Schädel am Boden liegen. Am meisten oomincm ssuss hat noch der Vater.
Aus dem hätte etwas werden können, wenn er rechtzeitig in die rechten Hände
gekommen wäre.

Julie hatte eine ausgeprägte Vorliebe sür starken und schrankenlosen Eigen¬
willen. Ein Körnchen Genie, erklärte sie, wiegt viele Zentner Vernunft auf.

Während diese beiden sich auf diese Weise vergnügten, bearbeiteten Anton und
Valer Riffelshausen eine Variation des gleichen Themas. Als nämlich Valer
in einem der schattigen Wege zufällig seinen Bruder allein traf, fragte er ihn:
Höre mal, Toni, kennst du diese Daida?

Die Tochter?

Ja, natürlich. Kennst dn sie?

Ja.

Nun?

Was denn?


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0350" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199704"/>
          <fw type="header" place="top"> Aus der Chronik derer von Riffelshansen.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1394"> Mein Gott! rief Lembrück, schwieg aber auf einen verweisenden Blick der<lb/>
Mutter.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1395"> Überhaupt, sagte Cäcilie von Niffelshausen, diese Daidas &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1396"> Jawohl, meine Liebe. Die Schefflingen faßte Cäciliens Hand und begann<lb/>
zu flüstern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1397"> Sie endigte etwas lauter mit der Bemerkung, daß Dcüdas Tochter sich<lb/>
durchaus keiner musterhaften Erziehung erfreue. Ich werde Lischen nicht mit<lb/>
ihr zusammenkommen lassen, selbst wenn sie hier Besuch machen sollte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1398"> Natürlich nicht, erwiederte Cäcilie eifrig, ich würde den Besuch nicht einmal<lb/>
annehmen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1399"> Eine der Komtessen Lembrück erzählte Mathilden, die Komtesse Daida sei<lb/>
garnicht so besonders schön, wie man immer von ihr sage.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1400"> Die Arme wird nun auch die Freuden des Landlebens kennen lernen,<lb/>
lachte Emilcheu, aber, nimm mir's nicht übel, Cousine, schön ist sie doch!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1401"> Nach dem Essen begab man sich in den schattigen Park, um einzeln oder zu<lb/>
zweien zu lustwandeln.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1402"> Leutnant Rohr, ein leidenschaftlicher Zeichner, bat Julie um die Erlaubnis,<lb/>
sie in sein Taschenbuch skizziren zu dürfen. Sie willigte ein, stellte aber die Be¬<lb/>
dingung, daß er sie gut unterhalte während der &#x201E;Sitzung." Was sie interessire?<lb/>
fragte Rohr. Alles, was von wirklich originellen Menschen handelt, sagte sie,<lb/>
zum Beispiel diese Daidas.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1403"> Rohr schien ihrer Meinung sein. Er erzählte lebhaft, während er zeichnete;<lb/>
waren doch die genialen Streiche der Söhne Daidas unter den Offizieren der<lb/>
Residenz ein unerschöpfliches Thema.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1404"> Es^ ist ein Jammer um diese begabten Menschen, schloß Rohr, in ihrem<lb/>
tollen Eigensinn rennen sie so lange gegen alle Wände, bis sie mit zerbrochnen<lb/>
Schädel am Boden liegen. Am meisten oomincm ssuss hat noch der Vater.<lb/>
Aus dem hätte etwas werden können, wenn er rechtzeitig in die rechten Hände<lb/>
gekommen wäre.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1405"> Julie hatte eine ausgeprägte Vorliebe sür starken und schrankenlosen Eigen¬<lb/>
willen.  Ein Körnchen Genie, erklärte sie, wiegt viele Zentner Vernunft auf.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1406"> Während diese beiden sich auf diese Weise vergnügten, bearbeiteten Anton und<lb/>
Valer Riffelshausen eine Variation des gleichen Themas. Als nämlich Valer<lb/>
in einem der schattigen Wege zufällig seinen Bruder allein traf, fragte er ihn:<lb/>
Höre mal, Toni, kennst du diese Daida?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1407"> Die Tochter?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1408"> Ja, natürlich. Kennst dn sie?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1409"> Ja.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1410"> Nun?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1411"> Was denn?</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0350] Aus der Chronik derer von Riffelshansen. Mein Gott! rief Lembrück, schwieg aber auf einen verweisenden Blick der Mutter. Überhaupt, sagte Cäcilie von Niffelshausen, diese Daidas — Jawohl, meine Liebe. Die Schefflingen faßte Cäciliens Hand und begann zu flüstern. Sie endigte etwas lauter mit der Bemerkung, daß Dcüdas Tochter sich durchaus keiner musterhaften Erziehung erfreue. Ich werde Lischen nicht mit ihr zusammenkommen lassen, selbst wenn sie hier Besuch machen sollte. Natürlich nicht, erwiederte Cäcilie eifrig, ich würde den Besuch nicht einmal annehmen. Eine der Komtessen Lembrück erzählte Mathilden, die Komtesse Daida sei garnicht so besonders schön, wie man immer von ihr sage. Die Arme wird nun auch die Freuden des Landlebens kennen lernen, lachte Emilcheu, aber, nimm mir's nicht übel, Cousine, schön ist sie doch! Nach dem Essen begab man sich in den schattigen Park, um einzeln oder zu zweien zu lustwandeln. Leutnant Rohr, ein leidenschaftlicher Zeichner, bat Julie um die Erlaubnis, sie in sein Taschenbuch skizziren zu dürfen. Sie willigte ein, stellte aber die Be¬ dingung, daß er sie gut unterhalte während der „Sitzung." Was sie interessire? fragte Rohr. Alles, was von wirklich originellen Menschen handelt, sagte sie, zum Beispiel diese Daidas. Rohr schien ihrer Meinung sein. Er erzählte lebhaft, während er zeichnete; waren doch die genialen Streiche der Söhne Daidas unter den Offizieren der Residenz ein unerschöpfliches Thema. Es^ ist ein Jammer um diese begabten Menschen, schloß Rohr, in ihrem tollen Eigensinn rennen sie so lange gegen alle Wände, bis sie mit zerbrochnen Schädel am Boden liegen. Am meisten oomincm ssuss hat noch der Vater. Aus dem hätte etwas werden können, wenn er rechtzeitig in die rechten Hände gekommen wäre. Julie hatte eine ausgeprägte Vorliebe sür starken und schrankenlosen Eigen¬ willen. Ein Körnchen Genie, erklärte sie, wiegt viele Zentner Vernunft auf. Während diese beiden sich auf diese Weise vergnügten, bearbeiteten Anton und Valer Riffelshausen eine Variation des gleichen Themas. Als nämlich Valer in einem der schattigen Wege zufällig seinen Bruder allein traf, fragte er ihn: Höre mal, Toni, kennst du diese Daida? Die Tochter? Ja, natürlich. Kennst dn sie? Ja. Nun? Was denn?

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/350
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/350>, abgerufen am 27.09.2024.