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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Die deutsche Lcmdliga und der deutsche Großgrundbesitz.

1. Zunächst bin ich dankbar für die Aufhellung eines argen Irrtums, von
dem ich selbst nicht anzugeben vermag, wie ich hineingeraten bin. Ich meine
die Anrechnung der Hektaren in Morgen, wie ich sie für Frankreich ange¬
nommen habe. Mein Gegner hat hier unbedingt Recht; der unparteiische Leser
aber wird zugeben, daß aus diesem Irrtum nichts weiter folgt, als daß meine
Ansicht, Frankreich sei nicht das Land der extremsten Parzellirung, unrichtig
ist oder besser begründet werden muß.

2. Mit der der "Landwirtschaftlichem Börsenzeitung" entnommenen Ge¬
schichte von 15 Fürsten, welche 700 Quadratmeilen besitzen, gab ich Gelesenes
wieder, und ich würde auch dies unterlassen haben, wenn ich zur Zeit, wo ich
die Stelle schrieb, von der Widerlegung jener Behauptung Kenntnis gehabt
hatte. Allein wenn auch das Beispiel übel gewählt war, so ändert dies doch
an dein Satze nichts, daß die großen Güter viel mehr Menschen ernähren
könnten, wenn sie besser verteilt wären. Es scheint mir, daß, wenn mau die
fragliche Stelle aus meinem Aufsatze einfach streicht, kein Leser in demselben
eine Lücke finden wird. Mein Gegner schreibt mir bei dieser Anfechtung keine
üble Ansicht zu, wie auch ich es meiner Quelle gegenüber nicht gethan habe,

3. Ich habe S. 543 geschrieben: "Unbestreitbar ist, daß bei der Landwirt¬
schaft nicht wie bei der Industrie der Vorteil mit dem Großbetriebe wächst."
Hätte ich -- weniger nachlässig -- geschrieben: "Unbestreitbar ist, daß bei der
Landwirtschaft nicht in gleichem Maße wie bei der Industrie der Vorteil mit
dem Großbetriebe wächst," so würde mein Gegner an dieser Stelle wohl leinen
Anstoß genommen haben. Übrigens halte ich meine Ansicht, die sich überdies
auf unbestreitbare Autoritäten stützt, für ganz zweifellos. Der unbefangene
Leser wird dem gewiß auch beipflichten, wenn er nur das eine bedenkt, daß in
der Landwirtschaft nur wandernde, keine stehenden Dampfmaschinen zu ver¬
wenden sind, daß der Landwirt seine Produktion nicht beliebig steigern kann,
daß die Pflege der einträglichen Haudelsgewächse mehr die persönliche Thätig¬
keit des Landwirtes als seine Kapitalkraft in Anspruch nimmt, und anderes
mehr. Übrigens ist dies eine Frage, die nur zwischen Landwirten erörtert
werden kann, was wir beide nicht sind.

Dies sind die Pnnkte, auf welche ich meine Bemerkungen beschränken will.
Es würde mich freuen, auch ferner von meinem Gegner Zustimmung oder
Widerlegung zu erfahren, auch würde ich es uicht ablehnen, mit offnem Visir
mit ihm zu streiten. Er würde -- wie ich vermute -- dabei den Vorteil
haben, sich ans eine große Partei stützen zu können, ich aber den Nachteil, daß
ich zu keiner Partei gehöre und daß mich die Geschichte gelehrt hat, keiner
Institution einen absoluten Wert zuzugestehen, vielmehr zu glauben, daß alles,
was entsteht, auch wert sei, daß es zu Grunde gehe -- eine Ansicht, die freilich
nicht überall Beifall findet.




Die deutsche Lcmdliga und der deutsche Großgrundbesitz.

1. Zunächst bin ich dankbar für die Aufhellung eines argen Irrtums, von
dem ich selbst nicht anzugeben vermag, wie ich hineingeraten bin. Ich meine
die Anrechnung der Hektaren in Morgen, wie ich sie für Frankreich ange¬
nommen habe. Mein Gegner hat hier unbedingt Recht; der unparteiische Leser
aber wird zugeben, daß aus diesem Irrtum nichts weiter folgt, als daß meine
Ansicht, Frankreich sei nicht das Land der extremsten Parzellirung, unrichtig
ist oder besser begründet werden muß.

2. Mit der der „Landwirtschaftlichem Börsenzeitung" entnommenen Ge¬
schichte von 15 Fürsten, welche 700 Quadratmeilen besitzen, gab ich Gelesenes
wieder, und ich würde auch dies unterlassen haben, wenn ich zur Zeit, wo ich
die Stelle schrieb, von der Widerlegung jener Behauptung Kenntnis gehabt
hatte. Allein wenn auch das Beispiel übel gewählt war, so ändert dies doch
an dein Satze nichts, daß die großen Güter viel mehr Menschen ernähren
könnten, wenn sie besser verteilt wären. Es scheint mir, daß, wenn mau die
fragliche Stelle aus meinem Aufsatze einfach streicht, kein Leser in demselben
eine Lücke finden wird. Mein Gegner schreibt mir bei dieser Anfechtung keine
üble Ansicht zu, wie auch ich es meiner Quelle gegenüber nicht gethan habe,

3. Ich habe S. 543 geschrieben: „Unbestreitbar ist, daß bei der Landwirt¬
schaft nicht wie bei der Industrie der Vorteil mit dem Großbetriebe wächst."
Hätte ich — weniger nachlässig — geschrieben: „Unbestreitbar ist, daß bei der
Landwirtschaft nicht in gleichem Maße wie bei der Industrie der Vorteil mit
dem Großbetriebe wächst," so würde mein Gegner an dieser Stelle wohl leinen
Anstoß genommen haben. Übrigens halte ich meine Ansicht, die sich überdies
auf unbestreitbare Autoritäten stützt, für ganz zweifellos. Der unbefangene
Leser wird dem gewiß auch beipflichten, wenn er nur das eine bedenkt, daß in
der Landwirtschaft nur wandernde, keine stehenden Dampfmaschinen zu ver¬
wenden sind, daß der Landwirt seine Produktion nicht beliebig steigern kann,
daß die Pflege der einträglichen Haudelsgewächse mehr die persönliche Thätig¬
keit des Landwirtes als seine Kapitalkraft in Anspruch nimmt, und anderes
mehr. Übrigens ist dies eine Frage, die nur zwischen Landwirten erörtert
werden kann, was wir beide nicht sind.

Dies sind die Pnnkte, auf welche ich meine Bemerkungen beschränken will.
Es würde mich freuen, auch ferner von meinem Gegner Zustimmung oder
Widerlegung zu erfahren, auch würde ich es uicht ablehnen, mit offnem Visir
mit ihm zu streiten. Er würde — wie ich vermute — dabei den Vorteil
haben, sich ans eine große Partei stützen zu können, ich aber den Nachteil, daß
ich zu keiner Partei gehöre und daß mich die Geschichte gelehrt hat, keiner
Institution einen absoluten Wert zuzugestehen, vielmehr zu glauben, daß alles,
was entsteht, auch wert sei, daß es zu Grunde gehe — eine Ansicht, die freilich
nicht überall Beifall findet.




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[0325] Die deutsche Lcmdliga und der deutsche Großgrundbesitz. 1. Zunächst bin ich dankbar für die Aufhellung eines argen Irrtums, von dem ich selbst nicht anzugeben vermag, wie ich hineingeraten bin. Ich meine die Anrechnung der Hektaren in Morgen, wie ich sie für Frankreich ange¬ nommen habe. Mein Gegner hat hier unbedingt Recht; der unparteiische Leser aber wird zugeben, daß aus diesem Irrtum nichts weiter folgt, als daß meine Ansicht, Frankreich sei nicht das Land der extremsten Parzellirung, unrichtig ist oder besser begründet werden muß. 2. Mit der der „Landwirtschaftlichem Börsenzeitung" entnommenen Ge¬ schichte von 15 Fürsten, welche 700 Quadratmeilen besitzen, gab ich Gelesenes wieder, und ich würde auch dies unterlassen haben, wenn ich zur Zeit, wo ich die Stelle schrieb, von der Widerlegung jener Behauptung Kenntnis gehabt hatte. Allein wenn auch das Beispiel übel gewählt war, so ändert dies doch an dein Satze nichts, daß die großen Güter viel mehr Menschen ernähren könnten, wenn sie besser verteilt wären. Es scheint mir, daß, wenn mau die fragliche Stelle aus meinem Aufsatze einfach streicht, kein Leser in demselben eine Lücke finden wird. Mein Gegner schreibt mir bei dieser Anfechtung keine üble Ansicht zu, wie auch ich es meiner Quelle gegenüber nicht gethan habe, 3. Ich habe S. 543 geschrieben: „Unbestreitbar ist, daß bei der Landwirt¬ schaft nicht wie bei der Industrie der Vorteil mit dem Großbetriebe wächst." Hätte ich — weniger nachlässig — geschrieben: „Unbestreitbar ist, daß bei der Landwirtschaft nicht in gleichem Maße wie bei der Industrie der Vorteil mit dem Großbetriebe wächst," so würde mein Gegner an dieser Stelle wohl leinen Anstoß genommen haben. Übrigens halte ich meine Ansicht, die sich überdies auf unbestreitbare Autoritäten stützt, für ganz zweifellos. Der unbefangene Leser wird dem gewiß auch beipflichten, wenn er nur das eine bedenkt, daß in der Landwirtschaft nur wandernde, keine stehenden Dampfmaschinen zu ver¬ wenden sind, daß der Landwirt seine Produktion nicht beliebig steigern kann, daß die Pflege der einträglichen Haudelsgewächse mehr die persönliche Thätig¬ keit des Landwirtes als seine Kapitalkraft in Anspruch nimmt, und anderes mehr. Übrigens ist dies eine Frage, die nur zwischen Landwirten erörtert werden kann, was wir beide nicht sind. Dies sind die Pnnkte, auf welche ich meine Bemerkungen beschränken will. Es würde mich freuen, auch ferner von meinem Gegner Zustimmung oder Widerlegung zu erfahren, auch würde ich es uicht ablehnen, mit offnem Visir mit ihm zu streiten. Er würde — wie ich vermute — dabei den Vorteil haben, sich ans eine große Partei stützen zu können, ich aber den Nachteil, daß ich zu keiner Partei gehöre und daß mich die Geschichte gelehrt hat, keiner Institution einen absoluten Wert zuzugestehen, vielmehr zu glauben, daß alles, was entsteht, auch wert sei, daß es zu Grunde gehe — eine Ansicht, die freilich nicht überall Beifall findet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/325>, abgerufen am 19.10.2024.