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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Die deutsche Lcmdliga und der deutsche Großgrundbesitz.

garnichts einzuwenden finden; nur muß man nicht glauben, ein derartiger
Prozeß ließe sich mechanisch, etwa durch einfache Zerschlagung eines größern
Gutes, bewerkstelligen. Vielmehr würde es doch unerläßlich sein, die Leute anch
hierzu erst zu erziehen. Ähnlich verhält es sich mit der Zerlegung des Gro߬
grundbesitzes in bäuerlichen, der ich gleichfalls im Prinzip durchaus sympa¬
thisch gegenüberstehen würde; gerade der Bauer läßt sich doch nicht "machen,"
sondern er muß "werden." Es mag ohne weiteres anerkannt werden, daß auf
die Dauer eine Reduktion unsres Großgrundbesitzes unumgänglich ist, und unter
allen Wohlmeinenden wird es sich hier wohl nur um die Frage handeln, wie
weit mit einer solchen gegangen werden soll. Einstweilen aber sollte man den
Großgrundbesitz nicht schwärzer machen, als er ist. Auch den Großgrundbesitzer
ernährt die Grundrente nur in den seltensten Fällei? "ohne Arbeit" (S. 545).
Selbst Pachtgiiter erfordern zu gehöriger Überwachung ein Maß von Kenntnis
und Aufmerksamkeit, welches dasjenige des typischen Kuponabschneiders doch weit
übersteigen dürfte, und gar mancher Besitzer großer Güter muß, wenn er etwas
ans denselben hcrauswirtschaften will, eine Energie und Sorgfalt, eine land¬
wirtschaftliche Ein- und Umsicht, eine Geschäftskenntnis und Berücksichtigung
aller Verhältnisse entwickeln, welche schon für sich allein zu dein wirklichen Er¬
trage durchaus nicht im Mißverhältnisse stehen.

Aber noch mehr. Der Verfasser meint auf S. 545: "Unbestreitbar ist,
daß bei der Landwirtschaft nicht wie bei der Industrie der Vorteil mit dem
Großbetriebe wächst." Ich muß gestehen, daß ich vor Verwunderung das Heft
habe aus der Hand fallen lasse", als ich diesen Satz las; denn ich hatte aller¬
dings das gerade Gegenteil -- daß bei der Landwirtschaft, natürlich sofern sie
nicht zur bloßen Gärtnerei wird, sondern "Landwirtschaft" bleibt, der Vorteil
des Großbetriebes noch viel einleuchtender sei als bei der Industrie -- für "un¬
bestreitbar" gehalten. Zunächst spricht schon der Augenschein für die Richtigkeit
meiner Auffassung; jedermann bringt die Produkte der großen Güter ihrer
Güte und demgemäß auch ihrem Preise nach in eine höhere Rubrik als die
der bäuerlichen Besitzer, und hierzulande wenigstens ist es bekannt, daß die
größern Güter durchgehends besser bewirtschaftet werden als die kleinern. Dafür
aber, daß dies auch keineswegs ein bloßes Ausnahmcverhältnis oder etwas an
sich Auffallendes sei, läßt sich folgendes geltend machen. Nicht, wie der Ver¬
fasser meint, hat die Arbeitsteilung bei der Landwirtschaft mir ein geringes
Feld, haben die Maschinen nur einen begrenzten Wirkungskreis, bietet die ver-
schiedne Güte der einzelnen Gutsteile Schwierigkeiten, welche die kleinere
Wirtschaft uicht kennt ?e,, sondern von allen diesen Dingen gilt, soweit ich habe
beobachten können, ziemlich das Gegenteil. Mit dem letztgenannten Punkte ins¬
besondre hat der kleine Betrieb entschieden mehr zu kämpfen als der große, bei
welchem mancherlei Produktionszweige ineinander greifen können, und eben hier¬
durch kann bei letzterem anch eine viel vollständigere und vernünftigere Ausnutzung


Die deutsche Lcmdliga und der deutsche Großgrundbesitz.

garnichts einzuwenden finden; nur muß man nicht glauben, ein derartiger
Prozeß ließe sich mechanisch, etwa durch einfache Zerschlagung eines größern
Gutes, bewerkstelligen. Vielmehr würde es doch unerläßlich sein, die Leute anch
hierzu erst zu erziehen. Ähnlich verhält es sich mit der Zerlegung des Gro߬
grundbesitzes in bäuerlichen, der ich gleichfalls im Prinzip durchaus sympa¬
thisch gegenüberstehen würde; gerade der Bauer läßt sich doch nicht „machen,"
sondern er muß „werden." Es mag ohne weiteres anerkannt werden, daß auf
die Dauer eine Reduktion unsres Großgrundbesitzes unumgänglich ist, und unter
allen Wohlmeinenden wird es sich hier wohl nur um die Frage handeln, wie
weit mit einer solchen gegangen werden soll. Einstweilen aber sollte man den
Großgrundbesitz nicht schwärzer machen, als er ist. Auch den Großgrundbesitzer
ernährt die Grundrente nur in den seltensten Fällei? „ohne Arbeit" (S. 545).
Selbst Pachtgiiter erfordern zu gehöriger Überwachung ein Maß von Kenntnis
und Aufmerksamkeit, welches dasjenige des typischen Kuponabschneiders doch weit
übersteigen dürfte, und gar mancher Besitzer großer Güter muß, wenn er etwas
ans denselben hcrauswirtschaften will, eine Energie und Sorgfalt, eine land¬
wirtschaftliche Ein- und Umsicht, eine Geschäftskenntnis und Berücksichtigung
aller Verhältnisse entwickeln, welche schon für sich allein zu dein wirklichen Er¬
trage durchaus nicht im Mißverhältnisse stehen.

Aber noch mehr. Der Verfasser meint auf S. 545: „Unbestreitbar ist,
daß bei der Landwirtschaft nicht wie bei der Industrie der Vorteil mit dem
Großbetriebe wächst." Ich muß gestehen, daß ich vor Verwunderung das Heft
habe aus der Hand fallen lasse», als ich diesen Satz las; denn ich hatte aller¬
dings das gerade Gegenteil — daß bei der Landwirtschaft, natürlich sofern sie
nicht zur bloßen Gärtnerei wird, sondern „Landwirtschaft" bleibt, der Vorteil
des Großbetriebes noch viel einleuchtender sei als bei der Industrie — für „un¬
bestreitbar" gehalten. Zunächst spricht schon der Augenschein für die Richtigkeit
meiner Auffassung; jedermann bringt die Produkte der großen Güter ihrer
Güte und demgemäß auch ihrem Preise nach in eine höhere Rubrik als die
der bäuerlichen Besitzer, und hierzulande wenigstens ist es bekannt, daß die
größern Güter durchgehends besser bewirtschaftet werden als die kleinern. Dafür
aber, daß dies auch keineswegs ein bloßes Ausnahmcverhältnis oder etwas an
sich Auffallendes sei, läßt sich folgendes geltend machen. Nicht, wie der Ver¬
fasser meint, hat die Arbeitsteilung bei der Landwirtschaft mir ein geringes
Feld, haben die Maschinen nur einen begrenzten Wirkungskreis, bietet die ver-
schiedne Güte der einzelnen Gutsteile Schwierigkeiten, welche die kleinere
Wirtschaft uicht kennt ?e,, sondern von allen diesen Dingen gilt, soweit ich habe
beobachten können, ziemlich das Gegenteil. Mit dem letztgenannten Punkte ins¬
besondre hat der kleine Betrieb entschieden mehr zu kämpfen als der große, bei
welchem mancherlei Produktionszweige ineinander greifen können, und eben hier¬
durch kann bei letzterem anch eine viel vollständigere und vernünftigere Ausnutzung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/323>, abgerufen am 19.10.2024.