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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Aus der Chronik derer von Riffelshanson.

Der Zuckersieder? So! und Georg nicht da! Dem muß man am Ende
noch höflich begegnen.

Cäcilie trat an das Fenster und warf verstohlen einen Blick ans das
schöne Pferd, das unruhig deu Saud mit dem feinen Huf scharrte. Der Reiter
mar abgegesprungen und stand mit dem Gärtner vor einem der Blumenbeete,
während der Gärtnerbursche das Pferd hielt.

Cäcilie dachte seufzend, daß früher kein Unadlicher ein so prächtiges Tier
geritten haben würde; aber, meinte sie, die gute" Zeiten sind vorüber, da wir
uoch etwas galten. Sie entfernte sich von dem Fenster und rief Julien. Da
ist der Brennhold gekommen und will mit dem Onkel sprechen. Geh mal
hinunter und sei ein wenig höflich; Georg wünscht, daß er dem Hegel Ent¬
schädigung giebt.

Julie nahm sich nicht die Mühe, einen Blick in den Spiegel zu werfen, ehe
sie den fremden Herrn empfing.

Wollen Fräulein Julie nicht erst die Zopfe hinausstecken? sagte die Minna
auf der Treppe. Julie warf den Kopf zurück. Der Zuckersieder ist ein Ge¬
schäftsmann, dachte sie, was kümmert deu mein Aussehen?

Auf eine Bemerkung des Gärtners hin wandte sich Brenuhold nach ihr
um, heftete einen Augenblick seine scharfen, hellen Augen auf sie und grüßte.
Julie gewann die Überzeugung, daß er mit diesem einen Blicke jedes Fältchen
in ihrem einfachen Hauskleide und jede Linie ihres Gesichts wahrgenommen hatte-

Mein Onkel ist abwesend, Herr Brenuhold, sagte sie trocken; vielleicht können
Sie Ihre Angelegenheit mir anvertrauen. Vermutlich verdanken wir Ihren
Besuch dem Unglück eines Ihrer Siebeuhofner Arbeiter. Gehen wir etwas den
Gartenweg hinunter.

Er dachte, während sie sprach, daß sie angezogen sei wie ein Dienstmädchen
und ein Auftreten habe wie eine -- Fürstin, wollte nicht recht passen -- nein,
wie das, was sie war: wie ein armes Freifrüulein.

Wenn ich Sie mit rein geschäftlichen Dingen langweilen darf, gnädiges
Fräulein?

Ihr rascher, verwunderter Blick sagte: Mit was denu sonst? Brenuhold zog
die Braue" etwas zusammen und begann ihr mit kurzen, aber höflichen Worten
auseinanderzusetzen, daß er dem Arbeiter Amand Hegel aus Siebenhofm schon
mehrmals gedroht habe, ihn zu entlassen, da er manchmal schon am frühen
Morgen in trunknem Zustande in der Fabrik eingetroffen sei. Sie werden
mir unbedingt zugeben, daß so etwas in einer Fabrik nicht gelitten werden
darf, schon des Beispiels wegen.

Ich denke, die Niederdettenheimer Schenke gehört auch Ihnen?

Die Schenke, wie das halbe Dorf. Was thut das zur Sache, Fräulein?

Julie antwortete nur mit leichtem Achselzucken. Er sah sie von der Seite
an. Ihr Gesicht war etwas spitz, aber ihre Gestalt voll und von stolzer Haltung.


Aus der Chronik derer von Riffelshanson.

Der Zuckersieder? So! und Georg nicht da! Dem muß man am Ende
noch höflich begegnen.

Cäcilie trat an das Fenster und warf verstohlen einen Blick ans das
schöne Pferd, das unruhig deu Saud mit dem feinen Huf scharrte. Der Reiter
mar abgegesprungen und stand mit dem Gärtner vor einem der Blumenbeete,
während der Gärtnerbursche das Pferd hielt.

Cäcilie dachte seufzend, daß früher kein Unadlicher ein so prächtiges Tier
geritten haben würde; aber, meinte sie, die gute» Zeiten sind vorüber, da wir
uoch etwas galten. Sie entfernte sich von dem Fenster und rief Julien. Da
ist der Brennhold gekommen und will mit dem Onkel sprechen. Geh mal
hinunter und sei ein wenig höflich; Georg wünscht, daß er dem Hegel Ent¬
schädigung giebt.

Julie nahm sich nicht die Mühe, einen Blick in den Spiegel zu werfen, ehe
sie den fremden Herrn empfing.

Wollen Fräulein Julie nicht erst die Zopfe hinausstecken? sagte die Minna
auf der Treppe. Julie warf den Kopf zurück. Der Zuckersieder ist ein Ge¬
schäftsmann, dachte sie, was kümmert deu mein Aussehen?

Auf eine Bemerkung des Gärtners hin wandte sich Brenuhold nach ihr
um, heftete einen Augenblick seine scharfen, hellen Augen auf sie und grüßte.
Julie gewann die Überzeugung, daß er mit diesem einen Blicke jedes Fältchen
in ihrem einfachen Hauskleide und jede Linie ihres Gesichts wahrgenommen hatte-

Mein Onkel ist abwesend, Herr Brenuhold, sagte sie trocken; vielleicht können
Sie Ihre Angelegenheit mir anvertrauen. Vermutlich verdanken wir Ihren
Besuch dem Unglück eines Ihrer Siebeuhofner Arbeiter. Gehen wir etwas den
Gartenweg hinunter.

Er dachte, während sie sprach, daß sie angezogen sei wie ein Dienstmädchen
und ein Auftreten habe wie eine — Fürstin, wollte nicht recht passen — nein,
wie das, was sie war: wie ein armes Freifrüulein.

Wenn ich Sie mit rein geschäftlichen Dingen langweilen darf, gnädiges
Fräulein?

Ihr rascher, verwunderter Blick sagte: Mit was denu sonst? Brenuhold zog
die Braue» etwas zusammen und begann ihr mit kurzen, aber höflichen Worten
auseinanderzusetzen, daß er dem Arbeiter Amand Hegel aus Siebenhofm schon
mehrmals gedroht habe, ihn zu entlassen, da er manchmal schon am frühen
Morgen in trunknem Zustande in der Fabrik eingetroffen sei. Sie werden
mir unbedingt zugeben, daß so etwas in einer Fabrik nicht gelitten werden
darf, schon des Beispiels wegen.

Ich denke, die Niederdettenheimer Schenke gehört auch Ihnen?

Die Schenke, wie das halbe Dorf. Was thut das zur Sache, Fräulein?

Julie antwortete nur mit leichtem Achselzucken. Er sah sie von der Seite
an. Ihr Gesicht war etwas spitz, aber ihre Gestalt voll und von stolzer Haltung.


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[0298] Aus der Chronik derer von Riffelshanson. Der Zuckersieder? So! und Georg nicht da! Dem muß man am Ende noch höflich begegnen. Cäcilie trat an das Fenster und warf verstohlen einen Blick ans das schöne Pferd, das unruhig deu Saud mit dem feinen Huf scharrte. Der Reiter mar abgegesprungen und stand mit dem Gärtner vor einem der Blumenbeete, während der Gärtnerbursche das Pferd hielt. Cäcilie dachte seufzend, daß früher kein Unadlicher ein so prächtiges Tier geritten haben würde; aber, meinte sie, die gute» Zeiten sind vorüber, da wir uoch etwas galten. Sie entfernte sich von dem Fenster und rief Julien. Da ist der Brennhold gekommen und will mit dem Onkel sprechen. Geh mal hinunter und sei ein wenig höflich; Georg wünscht, daß er dem Hegel Ent¬ schädigung giebt. Julie nahm sich nicht die Mühe, einen Blick in den Spiegel zu werfen, ehe sie den fremden Herrn empfing. Wollen Fräulein Julie nicht erst die Zopfe hinausstecken? sagte die Minna auf der Treppe. Julie warf den Kopf zurück. Der Zuckersieder ist ein Ge¬ schäftsmann, dachte sie, was kümmert deu mein Aussehen? Auf eine Bemerkung des Gärtners hin wandte sich Brenuhold nach ihr um, heftete einen Augenblick seine scharfen, hellen Augen auf sie und grüßte. Julie gewann die Überzeugung, daß er mit diesem einen Blicke jedes Fältchen in ihrem einfachen Hauskleide und jede Linie ihres Gesichts wahrgenommen hatte- Mein Onkel ist abwesend, Herr Brenuhold, sagte sie trocken; vielleicht können Sie Ihre Angelegenheit mir anvertrauen. Vermutlich verdanken wir Ihren Besuch dem Unglück eines Ihrer Siebeuhofner Arbeiter. Gehen wir etwas den Gartenweg hinunter. Er dachte, während sie sprach, daß sie angezogen sei wie ein Dienstmädchen und ein Auftreten habe wie eine — Fürstin, wollte nicht recht passen — nein, wie das, was sie war: wie ein armes Freifrüulein. Wenn ich Sie mit rein geschäftlichen Dingen langweilen darf, gnädiges Fräulein? Ihr rascher, verwunderter Blick sagte: Mit was denu sonst? Brenuhold zog die Braue» etwas zusammen und begann ihr mit kurzen, aber höflichen Worten auseinanderzusetzen, daß er dem Arbeiter Amand Hegel aus Siebenhofm schon mehrmals gedroht habe, ihn zu entlassen, da er manchmal schon am frühen Morgen in trunknem Zustande in der Fabrik eingetroffen sei. Sie werden mir unbedingt zugeben, daß so etwas in einer Fabrik nicht gelitten werden darf, schon des Beispiels wegen. Ich denke, die Niederdettenheimer Schenke gehört auch Ihnen? Die Schenke, wie das halbe Dorf. Was thut das zur Sache, Fräulein? Julie antwortete nur mit leichtem Achselzucken. Er sah sie von der Seite an. Ihr Gesicht war etwas spitz, aber ihre Gestalt voll und von stolzer Haltung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/298>, abgerufen am 20.10.2024.