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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Neue Theaterstücke.

wir es miterleben, werden durchaus nicht geneigt sein, dieses "goldene Zeit¬
alter" anzuerkennen; die Klagen über den "Verfall" des Theaters bestehen heute
so gut wie früher. Woran liegt das? Die Verhältnisse sind zur Zeit so
günstig wie nur irgendmöglich: jede Stadt von mittlerer Größe hat ihr Theater,
jedes Theater verfügt über einige anständige Schansvielkräfte, das eine und
andre sogar über wirkliche Künstler, die ohne Zweifel den Bühnenkünstlern der
frühern Zeit überlegen sind"); die mittlere Bühnenliteratur hat sich gehoben;
noch zu keiner Zeit arbeiteten soviel gewandte und gebildete Leute für das Theater



Theaters und meinte dann: "Doch freilich sind das mir Träume, so lange noch auf unsern
meisten Bühnen entweder volle Anarchie oder eine unwissende Diktatur herrscht; eS sind
Träume, so lange auch der einsichtsvollste Direktor immer nur für Abwechslung, für Neuig¬
keiten sorgen, und wenn sichs bei der Probe ergiebt, daß jeder seine Rolle nnr einigermaßen
gelernt hat, geschwinde zur Aufführung schreiten muß ?c." Er klagte: "Wenn wir nur erst
Bühnen hätten, auf welchen es für jede Art von Charakteren Personen von vollkommenem
Talent gäbe, Bühnen, wo weder Unwissenheit noch Sorglosigkeit und Parteilichkeit die
Rollen unrecht verteilten. Aber wenn es Bühnen dieser Art nirgend als in Utopien giebt --
werd' ich da Unrecht haben, wenn ich die Probe des Lesens der Probe der Aufführung vor¬
ziehe?" Solger, dem Tieck die wehmütigsten Klagen über das deutsche Theater entgegen¬
gebracht hatte, antwortete darauf (1319): "Ich gestehe, man mag der Verzweiflung nahe
kommen, wenn man bei dramatischen Arbeiten an diese Bühne, diese Schauspieler und dieses
Publikum denkt ze," Und nenn Jahre später schrieb Klingcmann: "So gering geschätzt und
gewissermaßen verachtet das deuische Theater jetzt gerade von den Geistreichsten in der Nation
behandelt wird, so scheint es mir doch in dem Kerne noch fest und gesund zu wurzeln; und
es bedarf wohl nnr eines echt produktiven Genies, um das dnrch eine verwirrende und übcr-
tiinstelnde Kritik hcrvorgelockte wuchernde Gestrüpp niederzuschlagen und den Stamm des
Baumes selbst mit neuer, frischer Kraft emporzutreiben" ("Kunst und Natur"). Seydcl-
mnnn aber meinte 1835: "DaS hiesige Schauspiel (München) ist ein schöner Quark. Und
mit geringen Ansnnhmcn geht es jetzt so in ganz Deutschland. Und das nennen sie "Kunst¬
institute," "Hofbühnen," und die Kerle, die darauf herumfaullcnzcn, heißen "Künstler"! Tage¬
diebe, dumme, eitle Hunde! die ihre ganze Force im lüderlicher, ungewaschenen Maule haben,
in grenzenloser Eitelkeit und in Neid und niederer Schmähsucht." Die verzweiflungsvollen
Klagen Immermanns und andrer Männer späterer Zeit brauche ich wohl nicht noch zu er¬
wähnen. Wir sehen, das Theaterclend war immer das nämliche.
") Ich glaube nicht mehr an die Vorzüglichkeit der frühern Schnnspieler, und schreibe sie nur
der mangelnden ästhetischen Bildung ihrer Zuschauer und Beurteiler zu. Aus den meister¬
haften Schilderungen, die wir von Lichtenberg über das Spiel Garricks und Wcstons be¬
sitzen, ersehen wir nur, daß ihre Leistungen derart waren, ivie sie heute von jedem tüchtigen
Darsteller geliefert werden; einzelnes, wie z.B. daß Garrick in dem Hamletmonolvg bei den
Worten: Lo sxovllont a Xing die letzten Worte ganz verschluckte, daß er am Ende des Mo¬
nologs mitten im Ausbrechen des Unwillens eine Pause machte und das entscheidende Wort
unter Thränen hervorsprudelte, zeugt von höchster Geziertheit. Auch die berühmte "Rock¬
falte" scheint mir ein äußerst seltsames Komödiantenmätzchen gewesen zu sein. Und um dieses
"Effektes" willen, der selbst einem Lichtenberg erst nach wiederholtem Sehen auffiel, mußte
sich das Londoner Publikum einen Hamlet im Frack gefallen lassen! Überhaupt war Garrick
vorwiegend Komiker, und vermutlich (wenn man die Stücke betrachtet, in denen er spielte)
ein ziemlich derber Komiker. Was macht nicht Lessing für ein Aufheben von der Fiugcr-
tupferei der sterbenden Fran Hensel! Eckhof war wohl nichts weiter als ein verständiger
Neue Theaterstücke.

wir es miterleben, werden durchaus nicht geneigt sein, dieses „goldene Zeit¬
alter" anzuerkennen; die Klagen über den „Verfall" des Theaters bestehen heute
so gut wie früher. Woran liegt das? Die Verhältnisse sind zur Zeit so
günstig wie nur irgendmöglich: jede Stadt von mittlerer Größe hat ihr Theater,
jedes Theater verfügt über einige anständige Schansvielkräfte, das eine und
andre sogar über wirkliche Künstler, die ohne Zweifel den Bühnenkünstlern der
frühern Zeit überlegen sind"); die mittlere Bühnenliteratur hat sich gehoben;
noch zu keiner Zeit arbeiteten soviel gewandte und gebildete Leute für das Theater



Theaters und meinte dann: „Doch freilich sind das mir Träume, so lange noch auf unsern
meisten Bühnen entweder volle Anarchie oder eine unwissende Diktatur herrscht; eS sind
Träume, so lange auch der einsichtsvollste Direktor immer nur für Abwechslung, für Neuig¬
keiten sorgen, und wenn sichs bei der Probe ergiebt, daß jeder seine Rolle nnr einigermaßen
gelernt hat, geschwinde zur Aufführung schreiten muß ?c." Er klagte: „Wenn wir nur erst
Bühnen hätten, auf welchen es für jede Art von Charakteren Personen von vollkommenem
Talent gäbe, Bühnen, wo weder Unwissenheit noch Sorglosigkeit und Parteilichkeit die
Rollen unrecht verteilten. Aber wenn es Bühnen dieser Art nirgend als in Utopien giebt —
werd' ich da Unrecht haben, wenn ich die Probe des Lesens der Probe der Aufführung vor¬
ziehe?" Solger, dem Tieck die wehmütigsten Klagen über das deutsche Theater entgegen¬
gebracht hatte, antwortete darauf (1319): „Ich gestehe, man mag der Verzweiflung nahe
kommen, wenn man bei dramatischen Arbeiten an diese Bühne, diese Schauspieler und dieses
Publikum denkt ze," Und nenn Jahre später schrieb Klingcmann: „So gering geschätzt und
gewissermaßen verachtet das deuische Theater jetzt gerade von den Geistreichsten in der Nation
behandelt wird, so scheint es mir doch in dem Kerne noch fest und gesund zu wurzeln; und
es bedarf wohl nnr eines echt produktiven Genies, um das dnrch eine verwirrende und übcr-
tiinstelnde Kritik hcrvorgelockte wuchernde Gestrüpp niederzuschlagen und den Stamm des
Baumes selbst mit neuer, frischer Kraft emporzutreiben" („Kunst und Natur"). Seydcl-
mnnn aber meinte 1835: „DaS hiesige Schauspiel (München) ist ein schöner Quark. Und
mit geringen Ansnnhmcn geht es jetzt so in ganz Deutschland. Und das nennen sie »Kunst¬
institute,« »Hofbühnen,« und die Kerle, die darauf herumfaullcnzcn, heißen »Künstler«! Tage¬
diebe, dumme, eitle Hunde! die ihre ganze Force im lüderlicher, ungewaschenen Maule haben,
in grenzenloser Eitelkeit und in Neid und niederer Schmähsucht." Die verzweiflungsvollen
Klagen Immermanns und andrer Männer späterer Zeit brauche ich wohl nicht noch zu er¬
wähnen. Wir sehen, das Theaterclend war immer das nämliche.
") Ich glaube nicht mehr an die Vorzüglichkeit der frühern Schnnspieler, und schreibe sie nur
der mangelnden ästhetischen Bildung ihrer Zuschauer und Beurteiler zu. Aus den meister¬
haften Schilderungen, die wir von Lichtenberg über das Spiel Garricks und Wcstons be¬
sitzen, ersehen wir nur, daß ihre Leistungen derart waren, ivie sie heute von jedem tüchtigen
Darsteller geliefert werden; einzelnes, wie z.B. daß Garrick in dem Hamletmonolvg bei den
Worten: Lo sxovllont a Xing die letzten Worte ganz verschluckte, daß er am Ende des Mo¬
nologs mitten im Ausbrechen des Unwillens eine Pause machte und das entscheidende Wort
unter Thränen hervorsprudelte, zeugt von höchster Geziertheit. Auch die berühmte „Rock¬
falte" scheint mir ein äußerst seltsames Komödiantenmätzchen gewesen zu sein. Und um dieses
„Effektes" willen, der selbst einem Lichtenberg erst nach wiederholtem Sehen auffiel, mußte
sich das Londoner Publikum einen Hamlet im Frack gefallen lassen! Überhaupt war Garrick
vorwiegend Komiker, und vermutlich (wenn man die Stücke betrachtet, in denen er spielte)
ein ziemlich derber Komiker. Was macht nicht Lessing für ein Aufheben von der Fiugcr-
tupferei der sterbenden Fran Hensel! Eckhof war wohl nichts weiter als ein verständiger
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[0290] Neue Theaterstücke. wir es miterleben, werden durchaus nicht geneigt sein, dieses „goldene Zeit¬ alter" anzuerkennen; die Klagen über den „Verfall" des Theaters bestehen heute so gut wie früher. Woran liegt das? Die Verhältnisse sind zur Zeit so günstig wie nur irgendmöglich: jede Stadt von mittlerer Größe hat ihr Theater, jedes Theater verfügt über einige anständige Schansvielkräfte, das eine und andre sogar über wirkliche Künstler, die ohne Zweifel den Bühnenkünstlern der frühern Zeit überlegen sind"); die mittlere Bühnenliteratur hat sich gehoben; noch zu keiner Zeit arbeiteten soviel gewandte und gebildete Leute für das Theater Theaters und meinte dann: „Doch freilich sind das mir Träume, so lange noch auf unsern meisten Bühnen entweder volle Anarchie oder eine unwissende Diktatur herrscht; eS sind Träume, so lange auch der einsichtsvollste Direktor immer nur für Abwechslung, für Neuig¬ keiten sorgen, und wenn sichs bei der Probe ergiebt, daß jeder seine Rolle nnr einigermaßen gelernt hat, geschwinde zur Aufführung schreiten muß ?c." Er klagte: „Wenn wir nur erst Bühnen hätten, auf welchen es für jede Art von Charakteren Personen von vollkommenem Talent gäbe, Bühnen, wo weder Unwissenheit noch Sorglosigkeit und Parteilichkeit die Rollen unrecht verteilten. Aber wenn es Bühnen dieser Art nirgend als in Utopien giebt — werd' ich da Unrecht haben, wenn ich die Probe des Lesens der Probe der Aufführung vor¬ ziehe?" Solger, dem Tieck die wehmütigsten Klagen über das deutsche Theater entgegen¬ gebracht hatte, antwortete darauf (1319): „Ich gestehe, man mag der Verzweiflung nahe kommen, wenn man bei dramatischen Arbeiten an diese Bühne, diese Schauspieler und dieses Publikum denkt ze," Und nenn Jahre später schrieb Klingcmann: „So gering geschätzt und gewissermaßen verachtet das deuische Theater jetzt gerade von den Geistreichsten in der Nation behandelt wird, so scheint es mir doch in dem Kerne noch fest und gesund zu wurzeln; und es bedarf wohl nnr eines echt produktiven Genies, um das dnrch eine verwirrende und übcr- tiinstelnde Kritik hcrvorgelockte wuchernde Gestrüpp niederzuschlagen und den Stamm des Baumes selbst mit neuer, frischer Kraft emporzutreiben" („Kunst und Natur"). Seydcl- mnnn aber meinte 1835: „DaS hiesige Schauspiel (München) ist ein schöner Quark. Und mit geringen Ansnnhmcn geht es jetzt so in ganz Deutschland. Und das nennen sie »Kunst¬ institute,« »Hofbühnen,« und die Kerle, die darauf herumfaullcnzcn, heißen »Künstler«! Tage¬ diebe, dumme, eitle Hunde! die ihre ganze Force im lüderlicher, ungewaschenen Maule haben, in grenzenloser Eitelkeit und in Neid und niederer Schmähsucht." Die verzweiflungsvollen Klagen Immermanns und andrer Männer späterer Zeit brauche ich wohl nicht noch zu er¬ wähnen. Wir sehen, das Theaterclend war immer das nämliche. ") Ich glaube nicht mehr an die Vorzüglichkeit der frühern Schnnspieler, und schreibe sie nur der mangelnden ästhetischen Bildung ihrer Zuschauer und Beurteiler zu. Aus den meister¬ haften Schilderungen, die wir von Lichtenberg über das Spiel Garricks und Wcstons be¬ sitzen, ersehen wir nur, daß ihre Leistungen derart waren, ivie sie heute von jedem tüchtigen Darsteller geliefert werden; einzelnes, wie z.B. daß Garrick in dem Hamletmonolvg bei den Worten: Lo sxovllont a Xing die letzten Worte ganz verschluckte, daß er am Ende des Mo¬ nologs mitten im Ausbrechen des Unwillens eine Pause machte und das entscheidende Wort unter Thränen hervorsprudelte, zeugt von höchster Geziertheit. Auch die berühmte „Rock¬ falte" scheint mir ein äußerst seltsames Komödiantenmätzchen gewesen zu sein. Und um dieses „Effektes" willen, der selbst einem Lichtenberg erst nach wiederholtem Sehen auffiel, mußte sich das Londoner Publikum einen Hamlet im Frack gefallen lassen! Überhaupt war Garrick vorwiegend Komiker, und vermutlich (wenn man die Stücke betrachtet, in denen er spielte) ein ziemlich derber Komiker. Was macht nicht Lessing für ein Aufheben von der Fiugcr- tupferei der sterbenden Fran Hensel! Eckhof war wohl nichts weiter als ein verständiger

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/290>, abgerufen am 20.10.2024.