Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Glymxia und der olympische Zeustempel.

176

langen zu eröffnen, welches die Erweiterung unsrer Kenntnisse in der griechischen
Kunst sowohl als in der Gelehrsamkeit und in der Geschichte dieser Nation be¬
trifft. Dieses ist eine Reise nach Griechenland, nicht an Orte, die von vielen
besucht sind, sondern nach Elis, wohin noch kein Gelehrter noch Kunstverständiger
hindurchgedrungen ist. Dem Gelehrten Fourmont selbst ist es nicht gelungen,
in diese Gegenden zu gehen, wo die Statuen aller Helden und berühmten Per¬
sonen der Griechen aufgestellt waren. . . . Was aber war in Absicht der Werke der
Kunst das ganze Lakedämonische gegen die einzige Stadt Pisa in Elis, wo die
olympischen Spiele gefeiert wurden? Ich bin versichert, daß hier die Ausbeute
über alle Vorstellung ergiebig sein, und daß durch genaue Untersuchung dieses
Bodens der Kunst ein großes Licht aufgehen würde." Und am 13. Januar 1768,
kurz bevor er seine bis nach Norddeutschland geplante, aber nur bis Wien aus¬
geführte Reise antrat, auf deren Rückkehr er in Trieft durch Mörderhand fiel,
schreibt er an seinen Freund, den bekannten Altertumsforscher Heyne in Göt¬
tingen: "Eine Nebenabsicht meiner Reise ist, eine Unternehmung auf Elis zu
bewirken, das ist, einen Veitrag, um daselbst, nach erhaltenem Firman von der
Pforte, mit hundert Arbeitern das Stadium umgraben zu können. Sollte aber
Stoppani Papst werden, so habe ich niemand als das französische Ministerium
und den Gesandten bei der Pforte dazu nötig; denn dieser Kardinal ist im¬
stande, alle Kosten dazu zu geben. Sollte aber dieser Anschlag auf Beitrag
geschehen müssen, so würde ein jeder sein Teil an den entdeckten Statuen be¬
kommen. Die Erklärung hierüber ist zu weitläuftig für einen Brief und muß
mündlich geschehen. Was jemand ernstlich will, kann alles möglich werden,
und diese Sache liegt niir nicht weniger am Herzen als meine Geschichte der
Kunst, und wird nicht leicht in einer andern Person gleiche Triebfedern finden."

Es ist wiederholt darauf hingewiesen worden, wie wir nicht genug dem
Schicksale danken können, daß Winckelmann seinen Plan nicht zur Ausführung
brachte. Es ist kaum glaublich, daß man unter den damaligen Verhältnissen
sich für ein Unternehmen begeistert hätte, dessen ideeller Gewinn nur von we¬
nigen Bevorzugten gewürdigt worden wäre. Die herrlichsten Werke der Antike
glaubte man in den italienischen Museen zu besitzen, und aus diesen heraus hat
Winckelmann seine "Geschichte der Kunst des Altertums" geschrieben. Und ab¬
gesehen von der Zerstreuung der einzelnen Fundstücke, die Winckelmann selbst
unter Umständen als eine Notwendigkeit zur Verwirklichung seines Planes ansah,
war die Zeit, wo man methodisch die Werke der alten Kunst zu betrachten und
die bekannten Denkmäler zu ordnen und nach sichern Grundsätzen zu erklären
anfing, eben erst angebrochen. Was Winckelmann gesehen und woran er sein
Urteil sich gebildet hatte, waren wesentlich Werke der römischen Kunst oder
technisch und stilistisch verflachte Kopien griechischer Originale; mit einem wahr¬
haften Seherblick suchte er hindurchzudringen zu der hohen Schönheit der
Werke rein griechischer Kunst, die als eine Offenbarung vor seinem Auge stand,

"


Glymxia und der olympische Zeustempel.

176

langen zu eröffnen, welches die Erweiterung unsrer Kenntnisse in der griechischen
Kunst sowohl als in der Gelehrsamkeit und in der Geschichte dieser Nation be¬
trifft. Dieses ist eine Reise nach Griechenland, nicht an Orte, die von vielen
besucht sind, sondern nach Elis, wohin noch kein Gelehrter noch Kunstverständiger
hindurchgedrungen ist. Dem Gelehrten Fourmont selbst ist es nicht gelungen,
in diese Gegenden zu gehen, wo die Statuen aller Helden und berühmten Per¬
sonen der Griechen aufgestellt waren. . . . Was aber war in Absicht der Werke der
Kunst das ganze Lakedämonische gegen die einzige Stadt Pisa in Elis, wo die
olympischen Spiele gefeiert wurden? Ich bin versichert, daß hier die Ausbeute
über alle Vorstellung ergiebig sein, und daß durch genaue Untersuchung dieses
Bodens der Kunst ein großes Licht aufgehen würde." Und am 13. Januar 1768,
kurz bevor er seine bis nach Norddeutschland geplante, aber nur bis Wien aus¬
geführte Reise antrat, auf deren Rückkehr er in Trieft durch Mörderhand fiel,
schreibt er an seinen Freund, den bekannten Altertumsforscher Heyne in Göt¬
tingen: „Eine Nebenabsicht meiner Reise ist, eine Unternehmung auf Elis zu
bewirken, das ist, einen Veitrag, um daselbst, nach erhaltenem Firman von der
Pforte, mit hundert Arbeitern das Stadium umgraben zu können. Sollte aber
Stoppani Papst werden, so habe ich niemand als das französische Ministerium
und den Gesandten bei der Pforte dazu nötig; denn dieser Kardinal ist im¬
stande, alle Kosten dazu zu geben. Sollte aber dieser Anschlag auf Beitrag
geschehen müssen, so würde ein jeder sein Teil an den entdeckten Statuen be¬
kommen. Die Erklärung hierüber ist zu weitläuftig für einen Brief und muß
mündlich geschehen. Was jemand ernstlich will, kann alles möglich werden,
und diese Sache liegt niir nicht weniger am Herzen als meine Geschichte der
Kunst, und wird nicht leicht in einer andern Person gleiche Triebfedern finden."

Es ist wiederholt darauf hingewiesen worden, wie wir nicht genug dem
Schicksale danken können, daß Winckelmann seinen Plan nicht zur Ausführung
brachte. Es ist kaum glaublich, daß man unter den damaligen Verhältnissen
sich für ein Unternehmen begeistert hätte, dessen ideeller Gewinn nur von we¬
nigen Bevorzugten gewürdigt worden wäre. Die herrlichsten Werke der Antike
glaubte man in den italienischen Museen zu besitzen, und aus diesen heraus hat
Winckelmann seine „Geschichte der Kunst des Altertums" geschrieben. Und ab¬
gesehen von der Zerstreuung der einzelnen Fundstücke, die Winckelmann selbst
unter Umständen als eine Notwendigkeit zur Verwirklichung seines Planes ansah,
war die Zeit, wo man methodisch die Werke der alten Kunst zu betrachten und
die bekannten Denkmäler zu ordnen und nach sichern Grundsätzen zu erklären
anfing, eben erst angebrochen. Was Winckelmann gesehen und woran er sein
Urteil sich gebildet hatte, waren wesentlich Werke der römischen Kunst oder
technisch und stilistisch verflachte Kopien griechischer Originale; mit einem wahr¬
haften Seherblick suchte er hindurchzudringen zu der hohen Schönheit der
Werke rein griechischer Kunst, die als eine Offenbarung vor seinem Auge stand,

«


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0184" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199538"/>
          <fw type="header" place="top"> Glymxia und der olympische Zeustempel.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_638" prev="#ID_637" next="#ID_639"> 176</p><lb/>
          <p xml:id="ID_639" prev="#ID_638"> langen zu eröffnen, welches die Erweiterung unsrer Kenntnisse in der griechischen<lb/>
Kunst sowohl als in der Gelehrsamkeit und in der Geschichte dieser Nation be¬<lb/>
trifft. Dieses ist eine Reise nach Griechenland, nicht an Orte, die von vielen<lb/>
besucht sind, sondern nach Elis, wohin noch kein Gelehrter noch Kunstverständiger<lb/>
hindurchgedrungen ist. Dem Gelehrten Fourmont selbst ist es nicht gelungen,<lb/>
in diese Gegenden zu gehen, wo die Statuen aller Helden und berühmten Per¬<lb/>
sonen der Griechen aufgestellt waren. . . . Was aber war in Absicht der Werke der<lb/>
Kunst das ganze Lakedämonische gegen die einzige Stadt Pisa in Elis, wo die<lb/>
olympischen Spiele gefeiert wurden? Ich bin versichert, daß hier die Ausbeute<lb/>
über alle Vorstellung ergiebig sein, und daß durch genaue Untersuchung dieses<lb/>
Bodens der Kunst ein großes Licht aufgehen würde." Und am 13. Januar 1768,<lb/>
kurz bevor er seine bis nach Norddeutschland geplante, aber nur bis Wien aus¬<lb/>
geführte Reise antrat, auf deren Rückkehr er in Trieft durch Mörderhand fiel,<lb/>
schreibt er an seinen Freund, den bekannten Altertumsforscher Heyne in Göt¬<lb/>
tingen: &#x201E;Eine Nebenabsicht meiner Reise ist, eine Unternehmung auf Elis zu<lb/>
bewirken, das ist, einen Veitrag, um daselbst, nach erhaltenem Firman von der<lb/>
Pforte, mit hundert Arbeitern das Stadium umgraben zu können. Sollte aber<lb/>
Stoppani Papst werden, so habe ich niemand als das französische Ministerium<lb/>
und den Gesandten bei der Pforte dazu nötig; denn dieser Kardinal ist im¬<lb/>
stande, alle Kosten dazu zu geben. Sollte aber dieser Anschlag auf Beitrag<lb/>
geschehen müssen, so würde ein jeder sein Teil an den entdeckten Statuen be¬<lb/>
kommen. Die Erklärung hierüber ist zu weitläuftig für einen Brief und muß<lb/>
mündlich geschehen. Was jemand ernstlich will, kann alles möglich werden,<lb/>
und diese Sache liegt niir nicht weniger am Herzen als meine Geschichte der<lb/>
Kunst, und wird nicht leicht in einer andern Person gleiche Triebfedern finden."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_640"> Es ist wiederholt darauf hingewiesen worden, wie wir nicht genug dem<lb/>
Schicksale danken können, daß Winckelmann seinen Plan nicht zur Ausführung<lb/>
brachte. Es ist kaum glaublich, daß man unter den damaligen Verhältnissen<lb/>
sich für ein Unternehmen begeistert hätte, dessen ideeller Gewinn nur von we¬<lb/>
nigen Bevorzugten gewürdigt worden wäre. Die herrlichsten Werke der Antike<lb/>
glaubte man in den italienischen Museen zu besitzen, und aus diesen heraus hat<lb/>
Winckelmann seine &#x201E;Geschichte der Kunst des Altertums" geschrieben. Und ab¬<lb/>
gesehen von der Zerstreuung der einzelnen Fundstücke, die Winckelmann selbst<lb/>
unter Umständen als eine Notwendigkeit zur Verwirklichung seines Planes ansah,<lb/>
war die Zeit, wo man methodisch die Werke der alten Kunst zu betrachten und<lb/>
die bekannten Denkmäler zu ordnen und nach sichern Grundsätzen zu erklären<lb/>
anfing, eben erst angebrochen. Was Winckelmann gesehen und woran er sein<lb/>
Urteil sich gebildet hatte, waren wesentlich Werke der römischen Kunst oder<lb/>
technisch und stilistisch verflachte Kopien griechischer Originale; mit einem wahr¬<lb/>
haften Seherblick suchte er hindurchzudringen zu der hohen Schönheit der<lb/>
Werke rein griechischer Kunst, die als eine Offenbarung vor seinem Auge stand,</p><lb/>
          <p xml:id="ID_641" next="#ID_642"> «</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0184] Glymxia und der olympische Zeustempel. 176 langen zu eröffnen, welches die Erweiterung unsrer Kenntnisse in der griechischen Kunst sowohl als in der Gelehrsamkeit und in der Geschichte dieser Nation be¬ trifft. Dieses ist eine Reise nach Griechenland, nicht an Orte, die von vielen besucht sind, sondern nach Elis, wohin noch kein Gelehrter noch Kunstverständiger hindurchgedrungen ist. Dem Gelehrten Fourmont selbst ist es nicht gelungen, in diese Gegenden zu gehen, wo die Statuen aller Helden und berühmten Per¬ sonen der Griechen aufgestellt waren. . . . Was aber war in Absicht der Werke der Kunst das ganze Lakedämonische gegen die einzige Stadt Pisa in Elis, wo die olympischen Spiele gefeiert wurden? Ich bin versichert, daß hier die Ausbeute über alle Vorstellung ergiebig sein, und daß durch genaue Untersuchung dieses Bodens der Kunst ein großes Licht aufgehen würde." Und am 13. Januar 1768, kurz bevor er seine bis nach Norddeutschland geplante, aber nur bis Wien aus¬ geführte Reise antrat, auf deren Rückkehr er in Trieft durch Mörderhand fiel, schreibt er an seinen Freund, den bekannten Altertumsforscher Heyne in Göt¬ tingen: „Eine Nebenabsicht meiner Reise ist, eine Unternehmung auf Elis zu bewirken, das ist, einen Veitrag, um daselbst, nach erhaltenem Firman von der Pforte, mit hundert Arbeitern das Stadium umgraben zu können. Sollte aber Stoppani Papst werden, so habe ich niemand als das französische Ministerium und den Gesandten bei der Pforte dazu nötig; denn dieser Kardinal ist im¬ stande, alle Kosten dazu zu geben. Sollte aber dieser Anschlag auf Beitrag geschehen müssen, so würde ein jeder sein Teil an den entdeckten Statuen be¬ kommen. Die Erklärung hierüber ist zu weitläuftig für einen Brief und muß mündlich geschehen. Was jemand ernstlich will, kann alles möglich werden, und diese Sache liegt niir nicht weniger am Herzen als meine Geschichte der Kunst, und wird nicht leicht in einer andern Person gleiche Triebfedern finden." Es ist wiederholt darauf hingewiesen worden, wie wir nicht genug dem Schicksale danken können, daß Winckelmann seinen Plan nicht zur Ausführung brachte. Es ist kaum glaublich, daß man unter den damaligen Verhältnissen sich für ein Unternehmen begeistert hätte, dessen ideeller Gewinn nur von we¬ nigen Bevorzugten gewürdigt worden wäre. Die herrlichsten Werke der Antike glaubte man in den italienischen Museen zu besitzen, und aus diesen heraus hat Winckelmann seine „Geschichte der Kunst des Altertums" geschrieben. Und ab¬ gesehen von der Zerstreuung der einzelnen Fundstücke, die Winckelmann selbst unter Umständen als eine Notwendigkeit zur Verwirklichung seines Planes ansah, war die Zeit, wo man methodisch die Werke der alten Kunst zu betrachten und die bekannten Denkmäler zu ordnen und nach sichern Grundsätzen zu erklären anfing, eben erst angebrochen. Was Winckelmann gesehen und woran er sein Urteil sich gebildet hatte, waren wesentlich Werke der römischen Kunst oder technisch und stilistisch verflachte Kopien griechischer Originale; mit einem wahr¬ haften Seherblick suchte er hindurchzudringen zu der hohen Schönheit der Werke rein griechischer Kunst, die als eine Offenbarung vor seinem Auge stand, «

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/184
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/184>, abgerufen am 27.09.2024.