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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Tand und Leute in Bulgarien.

Öl aber hatte eine zweite Abgabe zu entrichten, die im Jahre 1370 so hoch
war, daß die Bauern ansingen, ihre Rosengärten eingehen zu lassen und Ku-
kurutz zu pflanzen. Jetzt ist die Steuer sehr ermäßigt, und das beste Rosenöl
kostet heutzutage an Ort und Stelle das Kilo nur 550 bis 600 Mark. Es
wird im Handel aber vielfach verfälscht, indem man ihm entweder Gercmium-
odcr Jdrisöl beimischt. Die bekanntesten Häuser, welche sich mit der Versendung
des bulgarischen Rosenöls befassen, sind Papasvglu, Idensen u. Co. und die
Firma Holstein in Konstantinopel. Das zuerst genannte Haus, jetzt mit Man-
vglu verewigt, hat auch in Leipzig eine Filiale. Der Wert des Öls nimmt in
den Einnahmen der Bevölkerung eine hohe Stelle ein, er kann in guten Jahren
auf 150 000 Mark angeschlagen werden. Über den Anblick der Landschaften
aber, die es erzeugen, schreibt Moltke begeistert: "In diesem europäischen
Kaschmir, diesem türkischen Gülistan wird die Rose gleich der Kartoffel auf
Feldern und in Furchen gebaut. Nun läßt sich wirklich nichts Anmutigeres
denken als solch ein Rosenacker. Wenn ein Dekorationsmaler dergleichen malen
wollte, so würde man ihn der Übertreibung zeihen. Viele Millionen von Centi-
folien sind über den lichtgrünen Teppich der Rosenfelder ausgestreut, und doch
ist jetzt vielleicht erst der vierte Teil der Knospen aufgebrochen."

Besseres als von dem bulgarischen Getreidebau ist von der Viehzucht zu
berichten. Das Laud besitzt namentlich große Schafherden, und auch an Rindern,
Büffeln, Ziegen, Schweinen und allerlei Federvieh ist kein Mangel. Pferde dagegen
hält sich der Bauer hier nur selten, sodaß er in der Regel sein plumpes Fuhr¬
werk mit Büffeln oder Ochsen bespannen muß. Noch ist in diesem Zusammen¬
hange zu erwähnen, daß man in den südlichen Strichen viel Sorgfalt auf die
Zucht von Seidenraupen verwendet, und daß hier wie im Norden mit gutem
Erfolge die Pflege der Bienen betrieben wird.

An Mineralien ist Bulgarien verhältnismäßig arm. Der Balkan enthält
im Norden, wie gesagt, Steinkohlen, aber die Lager werden nicht ausgebeutet.
Man nimmt an, daß er außerdem Eisenerze, Silber und Gold berge, doch ist auch
in dieser Beziehung noch nichts für Gewinnung seiner Schätze geschehen. Die
einzigen Mineralien, welche in großen Massen gewonnen werden, sind Salpeter
und Seesalz, von denen jener aus Nasgrad, dieses vorzüglich von Burgas in
erheblichen Quantitäten ausgeführt wird. Mineralquellen finden sich bei Ka-
sanlik, Tschoban Köprü, Hissar Barja, Sofia und Rumtoj, doch nehmen sie in
der Wirksamkeit ihrer Wasser nur einen bescheidenen Rang ein.

Von einer Fabrikthätigkeit ist in Bulgarien noch nicht die Rede, und es
wird auch damit erst ein Anfang gemacht werden können, wenn die Steinkohlen¬
lager des Landes erschlossen und die Verkehrsmittel desselben erheblich ver¬
mehrt worden sind. An fremden Unternehmern wird es dann nicht fehlen, ob¬
wohl der Mangel an Wasserkraft immer ein Nachteil bleiben wird. Für jetzt
giebt es nur eine Hausindustrie, welche den Landleuten grobe Bekleidungsstoffe


Tand und Leute in Bulgarien.

Öl aber hatte eine zweite Abgabe zu entrichten, die im Jahre 1370 so hoch
war, daß die Bauern ansingen, ihre Rosengärten eingehen zu lassen und Ku-
kurutz zu pflanzen. Jetzt ist die Steuer sehr ermäßigt, und das beste Rosenöl
kostet heutzutage an Ort und Stelle das Kilo nur 550 bis 600 Mark. Es
wird im Handel aber vielfach verfälscht, indem man ihm entweder Gercmium-
odcr Jdrisöl beimischt. Die bekanntesten Häuser, welche sich mit der Versendung
des bulgarischen Rosenöls befassen, sind Papasvglu, Idensen u. Co. und die
Firma Holstein in Konstantinopel. Das zuerst genannte Haus, jetzt mit Man-
vglu verewigt, hat auch in Leipzig eine Filiale. Der Wert des Öls nimmt in
den Einnahmen der Bevölkerung eine hohe Stelle ein, er kann in guten Jahren
auf 150 000 Mark angeschlagen werden. Über den Anblick der Landschaften
aber, die es erzeugen, schreibt Moltke begeistert: „In diesem europäischen
Kaschmir, diesem türkischen Gülistan wird die Rose gleich der Kartoffel auf
Feldern und in Furchen gebaut. Nun läßt sich wirklich nichts Anmutigeres
denken als solch ein Rosenacker. Wenn ein Dekorationsmaler dergleichen malen
wollte, so würde man ihn der Übertreibung zeihen. Viele Millionen von Centi-
folien sind über den lichtgrünen Teppich der Rosenfelder ausgestreut, und doch
ist jetzt vielleicht erst der vierte Teil der Knospen aufgebrochen."

Besseres als von dem bulgarischen Getreidebau ist von der Viehzucht zu
berichten. Das Laud besitzt namentlich große Schafherden, und auch an Rindern,
Büffeln, Ziegen, Schweinen und allerlei Federvieh ist kein Mangel. Pferde dagegen
hält sich der Bauer hier nur selten, sodaß er in der Regel sein plumpes Fuhr¬
werk mit Büffeln oder Ochsen bespannen muß. Noch ist in diesem Zusammen¬
hange zu erwähnen, daß man in den südlichen Strichen viel Sorgfalt auf die
Zucht von Seidenraupen verwendet, und daß hier wie im Norden mit gutem
Erfolge die Pflege der Bienen betrieben wird.

An Mineralien ist Bulgarien verhältnismäßig arm. Der Balkan enthält
im Norden, wie gesagt, Steinkohlen, aber die Lager werden nicht ausgebeutet.
Man nimmt an, daß er außerdem Eisenerze, Silber und Gold berge, doch ist auch
in dieser Beziehung noch nichts für Gewinnung seiner Schätze geschehen. Die
einzigen Mineralien, welche in großen Massen gewonnen werden, sind Salpeter
und Seesalz, von denen jener aus Nasgrad, dieses vorzüglich von Burgas in
erheblichen Quantitäten ausgeführt wird. Mineralquellen finden sich bei Ka-
sanlik, Tschoban Köprü, Hissar Barja, Sofia und Rumtoj, doch nehmen sie in
der Wirksamkeit ihrer Wasser nur einen bescheidenen Rang ein.

Von einer Fabrikthätigkeit ist in Bulgarien noch nicht die Rede, und es
wird auch damit erst ein Anfang gemacht werden können, wenn die Steinkohlen¬
lager des Landes erschlossen und die Verkehrsmittel desselben erheblich ver¬
mehrt worden sind. An fremden Unternehmern wird es dann nicht fehlen, ob¬
wohl der Mangel an Wasserkraft immer ein Nachteil bleiben wird. Für jetzt
giebt es nur eine Hausindustrie, welche den Landleuten grobe Bekleidungsstoffe


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/110>, abgerufen am 27.09.2024.