Land und Leute in Bulgarien. ^. Das Land und seine Hilfsquellen.
er Name Bulgarien kann verschiedene Begriffe bezeichnen: das von den Unterzeichnern des Berliner Friedens abgegrenzte Fürstentum im Norden des Balkans, dasselbe in seiner von den Mächten noch nicht endgiltig anerkannten Vereinigung mit Ostrmnelien, endlich das gesamte Gebiet, in welchem die Bevölkerung i" ihrer Mehr¬ zahl bulgarischen Stammes ist, den großbulgarischen Traum also, der auch Macedonien einschließt und im Frieden von San Stefano in die Wirklichkeit treten wollte. Derselbe ist nicht ohne alle Berechtigung; denn die ethnographische Grenze zwischen den Bulgaren und den Albanesen zieht sich von Egri Palanka über Üsküb bis zum Schar Dag, wendet sich dann südlich über Ochrida nach Kastoria, biegt hierauf östlich über Salonik nach Seres ab und erreicht bei Kawala das Ägeische Meer, welches sie erst an der Mündung der Maritza ver¬ läßt, von wo sie auf Mitla am Schwarzen Meere hinstrebt. Indes wohnen inner¬ halb dieser Umgrenzung zwar sehr viele Bulgaren, aber zwischen diesen auch zahl¬ reiche Griechen, Türken und Albanesen, sowie wlachische und serbische Elemente, und anderseits begegnet man auf der Halbinsel von Konstantinopel, in der Dobrutscha, in Serbien und Bessarabien nicht wenigen bulgarischen Niederlassungen. Nach ethnographischen Rücksichten läßt sich also der Begriff nicht bestimmen, und aus politischen Gründen werden wir auch nach menschlicher Voraussicht nicht leicht erleben, daß sich der Versuch, ihn thatsächlich so zu bestimmen, also ein Gro߬ bulgarien zu schaffen, wiederholt. Selbst der Fortbestand der durch eine Re¬ volution bewirkten Verschmelzung der türkischen Provinz Ostrmnelien mit dem Fürstentume Bulgarien ist vor der Hand zweifelhaft geworden, indes wird sich
Grenzboten IV. 1386. 13
Land und Leute in Bulgarien. ^. Das Land und seine Hilfsquellen.
er Name Bulgarien kann verschiedene Begriffe bezeichnen: das von den Unterzeichnern des Berliner Friedens abgegrenzte Fürstentum im Norden des Balkans, dasselbe in seiner von den Mächten noch nicht endgiltig anerkannten Vereinigung mit Ostrmnelien, endlich das gesamte Gebiet, in welchem die Bevölkerung i» ihrer Mehr¬ zahl bulgarischen Stammes ist, den großbulgarischen Traum also, der auch Macedonien einschließt und im Frieden von San Stefano in die Wirklichkeit treten wollte. Derselbe ist nicht ohne alle Berechtigung; denn die ethnographische Grenze zwischen den Bulgaren und den Albanesen zieht sich von Egri Palanka über Üsküb bis zum Schar Dag, wendet sich dann südlich über Ochrida nach Kastoria, biegt hierauf östlich über Salonik nach Seres ab und erreicht bei Kawala das Ägeische Meer, welches sie erst an der Mündung der Maritza ver¬ läßt, von wo sie auf Mitla am Schwarzen Meere hinstrebt. Indes wohnen inner¬ halb dieser Umgrenzung zwar sehr viele Bulgaren, aber zwischen diesen auch zahl¬ reiche Griechen, Türken und Albanesen, sowie wlachische und serbische Elemente, und anderseits begegnet man auf der Halbinsel von Konstantinopel, in der Dobrutscha, in Serbien und Bessarabien nicht wenigen bulgarischen Niederlassungen. Nach ethnographischen Rücksichten läßt sich also der Begriff nicht bestimmen, und aus politischen Gründen werden wir auch nach menschlicher Voraussicht nicht leicht erleben, daß sich der Versuch, ihn thatsächlich so zu bestimmen, also ein Gro߬ bulgarien zu schaffen, wiederholt. Selbst der Fortbestand der durch eine Re¬ volution bewirkten Verschmelzung der türkischen Provinz Ostrmnelien mit dem Fürstentume Bulgarien ist vor der Hand zweifelhaft geworden, indes wird sich
Grenzboten IV. 1386. 13
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Land und Leute in Bulgarien.
^. Das Land und seine Hilfsquellen.
er Name Bulgarien kann verschiedene Begriffe bezeichnen: das von
den Unterzeichnern des Berliner Friedens abgegrenzte Fürstentum
im Norden des Balkans, dasselbe in seiner von den Mächten noch
nicht endgiltig anerkannten Vereinigung mit Ostrmnelien, endlich
das gesamte Gebiet, in welchem die Bevölkerung i» ihrer Mehr¬
zahl bulgarischen Stammes ist, den großbulgarischen Traum also, der auch
Macedonien einschließt und im Frieden von San Stefano in die Wirklichkeit
treten wollte. Derselbe ist nicht ohne alle Berechtigung; denn die ethnographische
Grenze zwischen den Bulgaren und den Albanesen zieht sich von Egri Palanka
über Üsküb bis zum Schar Dag, wendet sich dann südlich über Ochrida nach
Kastoria, biegt hierauf östlich über Salonik nach Seres ab und erreicht bei
Kawala das Ägeische Meer, welches sie erst an der Mündung der Maritza ver¬
läßt, von wo sie auf Mitla am Schwarzen Meere hinstrebt. Indes wohnen inner¬
halb dieser Umgrenzung zwar sehr viele Bulgaren, aber zwischen diesen auch zahl¬
reiche Griechen, Türken und Albanesen, sowie wlachische und serbische Elemente, und
anderseits begegnet man auf der Halbinsel von Konstantinopel, in der Dobrutscha,
in Serbien und Bessarabien nicht wenigen bulgarischen Niederlassungen. Nach
ethnographischen Rücksichten läßt sich also der Begriff nicht bestimmen, und aus
politischen Gründen werden wir auch nach menschlicher Voraussicht nicht leicht
erleben, daß sich der Versuch, ihn thatsächlich so zu bestimmen, also ein Gro߬
bulgarien zu schaffen, wiederholt. Selbst der Fortbestand der durch eine Re¬
volution bewirkten Verschmelzung der türkischen Provinz Ostrmnelien mit dem
Fürstentume Bulgarien ist vor der Hand zweifelhaft geworden, indes wird sich
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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/105>, abgerufen am 24.01.2025.
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