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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Aus der Chronik derer von Riffelshausc".

Anlandn, fluchen darf man nur in ganz außerordentlichen Fällen, verhiesse schon.
Und nun geh und sie zu, daß der Wilder zur rechten Zeit mit dem Wagen
kommt, um das Gepäck nach der Station zu fahren. Er soll die schwarz-
braunen einspannen und an die große Karre, dann kann er zum Rückweg die
Ziegel laden und gleich 'nauf nach der Scheuer fahren. Ich gehe noch 'mal
'nüber nach dem Herrenhöfe.

Als er über den Schcnkplatz schritt, stand der junge Hegel vor einer Gruppe
mißmutiger Bauern, denen er eifrig vorsprach; bei der Annäherung des In¬
spektors jedoch verstummte er. Die Männer traten auseinander und beant¬
worteten mürrisch Klees Gruß.

Nun, Meister Grün, rief Klee, auch mit raisonniren? Und Ihr, Hegel, solltet
Euch schämen, Leute!

Nichts für ungut, Herr Inspektor, wie das liebe Vieh kann sich der Bauer
nicht behandeln lassen. Wir haben auch unsre Ansichten.

Ansichten habt ihr? Nun, das ist mir doch ganz was interessantes!
Schafe seid ihr, daß ichs euch nur frei heraussage. Ja, wie die Schafe lauft
ihr hinter euerm Leithammel her! Schaden bringt euch weiter niemand, als
ihr selbst mit euern Ansichten. Aber mir leurs ja gleich sein; ich habe mit
euch nichts mehr zu schaffen.

Damit zuckte er die Achseln und ging. Die Bauern blickten ihm wohl¬
wollend nach. Daß er gerade jetzt Siebcnhofcn verließ, bewies ihnen, daß er
es nicht mit dem Hofmarschall hielt, und darum verziehen sie ihm gern seine
rücksichtslose Streuge, die vormals manche Klage wachgerufen hatte.

Klee betrat durch das grüne Pförtchen den Schloßgarten. In der Nähe
des Flüßchens, das hier eingezwängt in hohe Ufer den Park durchfloß,
schimmerte ein Helles Fraucnkleid durch das Strauchwerk. Gleich darauf führte
ein Luftzug die Klänge einer ihm wohlbekannten Stimme an sein Ohr. Einen
Augenblick blieb er aufhorchend stehen; dann brach er ärgerlich einen Zweig des
Flieders, der sich ihm eutgegenschvb, während eine braune Nöte sein Gesicht
überzog. Ohne einen Blick in den jetzt offenen Pfad zu werfen, der sich von
dichtem Gezweig überdacht längs des Wassers hinzog, überschritt Klee mit
dröhnenden Schritten die alte Holzbrücke, deren Planken unter seiner kräftigen
Gestalt leise nachgaben.

Die Dame im hellen Kleide blieb erschrocken stehen.

Wer war das? fragte sie ihren Begleiter, den Grafen Dalda.

5i'imxort><z, meinte er, es n'von, an'uir imdvoilö, er hat dich nicht gesehen,
mein Herz.

Sie schien indessen doch weiteres Lustwandeln bedenklich zu finden und
entzog ihm rasch die kleine Hand. Ehe er es verhindern konnte, eilte sie davon.

Ist sie nicht wie eine Eidechse? dachte er, genau so glitzernde Augen, und
nicht festzuhalten.


Aus der Chronik derer von Riffelshausc».

Anlandn, fluchen darf man nur in ganz außerordentlichen Fällen, verhiesse schon.
Und nun geh und sie zu, daß der Wilder zur rechten Zeit mit dem Wagen
kommt, um das Gepäck nach der Station zu fahren. Er soll die schwarz-
braunen einspannen und an die große Karre, dann kann er zum Rückweg die
Ziegel laden und gleich 'nauf nach der Scheuer fahren. Ich gehe noch 'mal
'nüber nach dem Herrenhöfe.

Als er über den Schcnkplatz schritt, stand der junge Hegel vor einer Gruppe
mißmutiger Bauern, denen er eifrig vorsprach; bei der Annäherung des In¬
spektors jedoch verstummte er. Die Männer traten auseinander und beant¬
worteten mürrisch Klees Gruß.

Nun, Meister Grün, rief Klee, auch mit raisonniren? Und Ihr, Hegel, solltet
Euch schämen, Leute!

Nichts für ungut, Herr Inspektor, wie das liebe Vieh kann sich der Bauer
nicht behandeln lassen. Wir haben auch unsre Ansichten.

Ansichten habt ihr? Nun, das ist mir doch ganz was interessantes!
Schafe seid ihr, daß ichs euch nur frei heraussage. Ja, wie die Schafe lauft
ihr hinter euerm Leithammel her! Schaden bringt euch weiter niemand, als
ihr selbst mit euern Ansichten. Aber mir leurs ja gleich sein; ich habe mit
euch nichts mehr zu schaffen.

Damit zuckte er die Achseln und ging. Die Bauern blickten ihm wohl¬
wollend nach. Daß er gerade jetzt Siebcnhofcn verließ, bewies ihnen, daß er
es nicht mit dem Hofmarschall hielt, und darum verziehen sie ihm gern seine
rücksichtslose Streuge, die vormals manche Klage wachgerufen hatte.

Klee betrat durch das grüne Pförtchen den Schloßgarten. In der Nähe
des Flüßchens, das hier eingezwängt in hohe Ufer den Park durchfloß,
schimmerte ein Helles Fraucnkleid durch das Strauchwerk. Gleich darauf führte
ein Luftzug die Klänge einer ihm wohlbekannten Stimme an sein Ohr. Einen
Augenblick blieb er aufhorchend stehen; dann brach er ärgerlich einen Zweig des
Flieders, der sich ihm eutgegenschvb, während eine braune Nöte sein Gesicht
überzog. Ohne einen Blick in den jetzt offenen Pfad zu werfen, der sich von
dichtem Gezweig überdacht längs des Wassers hinzog, überschritt Klee mit
dröhnenden Schritten die alte Holzbrücke, deren Planken unter seiner kräftigen
Gestalt leise nachgaben.

Die Dame im hellen Kleide blieb erschrocken stehen.

Wer war das? fragte sie ihren Begleiter, den Grafen Dalda.

5i'imxort><z, meinte er, es n'von, an'uir imdvoilö, er hat dich nicht gesehen,
mein Herz.

Sie schien indessen doch weiteres Lustwandeln bedenklich zu finden und
entzog ihm rasch die kleine Hand. Ehe er es verhindern konnte, eilte sie davon.

Ist sie nicht wie eine Eidechse? dachte er, genau so glitzernde Augen, und
nicht festzuhalten.


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[0580] Aus der Chronik derer von Riffelshausc». Anlandn, fluchen darf man nur in ganz außerordentlichen Fällen, verhiesse schon. Und nun geh und sie zu, daß der Wilder zur rechten Zeit mit dem Wagen kommt, um das Gepäck nach der Station zu fahren. Er soll die schwarz- braunen einspannen und an die große Karre, dann kann er zum Rückweg die Ziegel laden und gleich 'nauf nach der Scheuer fahren. Ich gehe noch 'mal 'nüber nach dem Herrenhöfe. Als er über den Schcnkplatz schritt, stand der junge Hegel vor einer Gruppe mißmutiger Bauern, denen er eifrig vorsprach; bei der Annäherung des In¬ spektors jedoch verstummte er. Die Männer traten auseinander und beant¬ worteten mürrisch Klees Gruß. Nun, Meister Grün, rief Klee, auch mit raisonniren? Und Ihr, Hegel, solltet Euch schämen, Leute! Nichts für ungut, Herr Inspektor, wie das liebe Vieh kann sich der Bauer nicht behandeln lassen. Wir haben auch unsre Ansichten. Ansichten habt ihr? Nun, das ist mir doch ganz was interessantes! Schafe seid ihr, daß ichs euch nur frei heraussage. Ja, wie die Schafe lauft ihr hinter euerm Leithammel her! Schaden bringt euch weiter niemand, als ihr selbst mit euern Ansichten. Aber mir leurs ja gleich sein; ich habe mit euch nichts mehr zu schaffen. Damit zuckte er die Achseln und ging. Die Bauern blickten ihm wohl¬ wollend nach. Daß er gerade jetzt Siebcnhofcn verließ, bewies ihnen, daß er es nicht mit dem Hofmarschall hielt, und darum verziehen sie ihm gern seine rücksichtslose Streuge, die vormals manche Klage wachgerufen hatte. Klee betrat durch das grüne Pförtchen den Schloßgarten. In der Nähe des Flüßchens, das hier eingezwängt in hohe Ufer den Park durchfloß, schimmerte ein Helles Fraucnkleid durch das Strauchwerk. Gleich darauf führte ein Luftzug die Klänge einer ihm wohlbekannten Stimme an sein Ohr. Einen Augenblick blieb er aufhorchend stehen; dann brach er ärgerlich einen Zweig des Flieders, der sich ihm eutgegenschvb, während eine braune Nöte sein Gesicht überzog. Ohne einen Blick in den jetzt offenen Pfad zu werfen, der sich von dichtem Gezweig überdacht längs des Wassers hinzog, überschritt Klee mit dröhnenden Schritten die alte Holzbrücke, deren Planken unter seiner kräftigen Gestalt leise nachgaben. Die Dame im hellen Kleide blieb erschrocken stehen. Wer war das? fragte sie ihren Begleiter, den Grafen Dalda. 5i'imxort><z, meinte er, es n'von, an'uir imdvoilö, er hat dich nicht gesehen, mein Herz. Sie schien indessen doch weiteres Lustwandeln bedenklich zu finden und entzog ihm rasch die kleine Hand. Ehe er es verhindern konnte, eilte sie davon. Ist sie nicht wie eine Eidechse? dachte er, genau so glitzernde Augen, und nicht festzuhalten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/580>, abgerufen am 24.08.2024.