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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Germanische Altertümer aus den Bauerdörfern Nordungarns.

etwa Lust verspüren sollten, gleich mir unsre verlassenen Landsleute zu besuchen,
einige Worte über die Lage und Verbindung ihrer Niederlassungen beifügen.
Die deutschen "Haudörfer," so genannt, weil ursprünglich entstanden durch
Ausbau im wildeu Wald, woher auch die häufige Endung der Dorfraum auf
-hau, Krickerhäu, Hmmeshäu, Glaserhän u. s. w., liegen im Nordwesten der alten
Bergstadt Kremnitz, da wo die Gespanschaften von Bars, Neutra und Turoz
mitten im Gebirge zusammentreffen. Zerstreut über einen ziemlichen Raum,
etwa fünfzehn bis zwanzig Quadratmeilen, hin und wieder durchsetzt von
slowakischen Ortschaften, mögen sie. die mehr oder minder slawisirten eingerechnet,
etwa 30 000 Seelen zählen, welche meist in großen, cinstraßigen, oft auf
stundenlange Erstreckung ausgezogenen Dörfern von 1- bis 2000 Einwohnern
und darüber angesiedelt sind. Von Norddeutschland führt die beste Verbindung
über Sillein, hier aber scheiden sich die Wege. Entweder man führt mit der
Bahn nach Osten und von Rudeln südlich auf Kremnitz, wobei man dicht vor
der Stadt in den Stationen Stuben, Turz und Berg deutsche Dörfer berührt
und Glaserhäu (Llclovo) rechts liegen läßt. Von der weiter zurück gelegnen
Station Znyü Vüralya kann man, immer rechter Hand von der Bahn, wie
ich es gethan, das Dorf Münichwics besuche" und auf einer man eröffneten
Chaussee über die Berge nach den westlicher gelegnen Ansiedlungen Gaidel und
Deutsch-Praben herabsteigen. Eben dahin aber kann man von Sillein gelangen,
wenn mau die geradeswegs nach Süden über den hohen Berg Klar führende
Landstraße einschlüge, welche mit Ausnahme der etwa 1^ Meilen langen Strecke
von dem Markt Najeez bis Laesko, wenn ich nicht irre, von der Post befahren
wird. Von dem reindeutschen Städtchen Deutsch-Praben führt die Poststraße
weiter über den Markt Priewitz (?riviMv) hinab nach Nagy-Belicz (Groß-
Belitz), der Endstation der von Süden heraufziehenden, bei Tütmegyer von der
Richtung Presburg-Budapest abzweigenden Eisenbahn, die den Zugang von
Süddentschland her vermittelt und demnächst zur großen Erleichterung des
Verkehrs bis Znyü Wralya fortgeführt werden soll. Ein Übelstand ist es, daß
das größte und wichtigste der Haudörfer, das abgelegene Krickerhäu, in der
geraden Mitte zwischen Kremnitz und Priwitz nur mit letzterem Orte Post-
Verbindung hat, von Kremnitz jedoch eigentlich nur auf einem etwa vierstündigen
Fußmarsch zu erreichen ist. Ich bemerke gleich hier, daß man weitere Nach¬
richten über die Haudörfcr bei Schwicker und dem von ihm benutzten Schröer
(vergl. außer den bei Schwicker S. 240 aufgeführten frühern Aufsätzen Schrvers
noch sein einen Teil des offiziellen Berichts der Wiener Weltausstellung
bildendes, auch besonders erschienenes Schriftchen: "Das Bauernhaus." Wien,
1874), nachlesen mag, ich beschränke mich im folgenden grundsätzlich auf meine
eignen Erlebnisse.

Obgleich Sillein, wie man sieht, noch ziemlich entlegen von den deutschen
Dörfern ist, konnte ich doch schon hier eine volle Bestätigung der mir über das


Germanische Altertümer aus den Bauerdörfern Nordungarns.

etwa Lust verspüren sollten, gleich mir unsre verlassenen Landsleute zu besuchen,
einige Worte über die Lage und Verbindung ihrer Niederlassungen beifügen.
Die deutschen „Haudörfer," so genannt, weil ursprünglich entstanden durch
Ausbau im wildeu Wald, woher auch die häufige Endung der Dorfraum auf
-hau, Krickerhäu, Hmmeshäu, Glaserhän u. s. w., liegen im Nordwesten der alten
Bergstadt Kremnitz, da wo die Gespanschaften von Bars, Neutra und Turoz
mitten im Gebirge zusammentreffen. Zerstreut über einen ziemlichen Raum,
etwa fünfzehn bis zwanzig Quadratmeilen, hin und wieder durchsetzt von
slowakischen Ortschaften, mögen sie. die mehr oder minder slawisirten eingerechnet,
etwa 30 000 Seelen zählen, welche meist in großen, cinstraßigen, oft auf
stundenlange Erstreckung ausgezogenen Dörfern von 1- bis 2000 Einwohnern
und darüber angesiedelt sind. Von Norddeutschland führt die beste Verbindung
über Sillein, hier aber scheiden sich die Wege. Entweder man führt mit der
Bahn nach Osten und von Rudeln südlich auf Kremnitz, wobei man dicht vor
der Stadt in den Stationen Stuben, Turz und Berg deutsche Dörfer berührt
und Glaserhäu (Llclovo) rechts liegen läßt. Von der weiter zurück gelegnen
Station Znyü Vüralya kann man, immer rechter Hand von der Bahn, wie
ich es gethan, das Dorf Münichwics besuche« und auf einer man eröffneten
Chaussee über die Berge nach den westlicher gelegnen Ansiedlungen Gaidel und
Deutsch-Praben herabsteigen. Eben dahin aber kann man von Sillein gelangen,
wenn mau die geradeswegs nach Süden über den hohen Berg Klar führende
Landstraße einschlüge, welche mit Ausnahme der etwa 1^ Meilen langen Strecke
von dem Markt Najeez bis Laesko, wenn ich nicht irre, von der Post befahren
wird. Von dem reindeutschen Städtchen Deutsch-Praben führt die Poststraße
weiter über den Markt Priewitz (?riviMv) hinab nach Nagy-Belicz (Groß-
Belitz), der Endstation der von Süden heraufziehenden, bei Tütmegyer von der
Richtung Presburg-Budapest abzweigenden Eisenbahn, die den Zugang von
Süddentschland her vermittelt und demnächst zur großen Erleichterung des
Verkehrs bis Znyü Wralya fortgeführt werden soll. Ein Übelstand ist es, daß
das größte und wichtigste der Haudörfer, das abgelegene Krickerhäu, in der
geraden Mitte zwischen Kremnitz und Priwitz nur mit letzterem Orte Post-
Verbindung hat, von Kremnitz jedoch eigentlich nur auf einem etwa vierstündigen
Fußmarsch zu erreichen ist. Ich bemerke gleich hier, daß man weitere Nach¬
richten über die Haudörfcr bei Schwicker und dem von ihm benutzten Schröer
(vergl. außer den bei Schwicker S. 240 aufgeführten frühern Aufsätzen Schrvers
noch sein einen Teil des offiziellen Berichts der Wiener Weltausstellung
bildendes, auch besonders erschienenes Schriftchen: „Das Bauernhaus." Wien,
1874), nachlesen mag, ich beschränke mich im folgenden grundsätzlich auf meine
eignen Erlebnisse.

Obgleich Sillein, wie man sieht, noch ziemlich entlegen von den deutschen
Dörfern ist, konnte ich doch schon hier eine volle Bestätigung der mir über das


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[0510] Germanische Altertümer aus den Bauerdörfern Nordungarns. etwa Lust verspüren sollten, gleich mir unsre verlassenen Landsleute zu besuchen, einige Worte über die Lage und Verbindung ihrer Niederlassungen beifügen. Die deutschen „Haudörfer," so genannt, weil ursprünglich entstanden durch Ausbau im wildeu Wald, woher auch die häufige Endung der Dorfraum auf -hau, Krickerhäu, Hmmeshäu, Glaserhän u. s. w., liegen im Nordwesten der alten Bergstadt Kremnitz, da wo die Gespanschaften von Bars, Neutra und Turoz mitten im Gebirge zusammentreffen. Zerstreut über einen ziemlichen Raum, etwa fünfzehn bis zwanzig Quadratmeilen, hin und wieder durchsetzt von slowakischen Ortschaften, mögen sie. die mehr oder minder slawisirten eingerechnet, etwa 30 000 Seelen zählen, welche meist in großen, cinstraßigen, oft auf stundenlange Erstreckung ausgezogenen Dörfern von 1- bis 2000 Einwohnern und darüber angesiedelt sind. Von Norddeutschland führt die beste Verbindung über Sillein, hier aber scheiden sich die Wege. Entweder man führt mit der Bahn nach Osten und von Rudeln südlich auf Kremnitz, wobei man dicht vor der Stadt in den Stationen Stuben, Turz und Berg deutsche Dörfer berührt und Glaserhäu (Llclovo) rechts liegen läßt. Von der weiter zurück gelegnen Station Znyü Vüralya kann man, immer rechter Hand von der Bahn, wie ich es gethan, das Dorf Münichwics besuche« und auf einer man eröffneten Chaussee über die Berge nach den westlicher gelegnen Ansiedlungen Gaidel und Deutsch-Praben herabsteigen. Eben dahin aber kann man von Sillein gelangen, wenn mau die geradeswegs nach Süden über den hohen Berg Klar führende Landstraße einschlüge, welche mit Ausnahme der etwa 1^ Meilen langen Strecke von dem Markt Najeez bis Laesko, wenn ich nicht irre, von der Post befahren wird. Von dem reindeutschen Städtchen Deutsch-Praben führt die Poststraße weiter über den Markt Priewitz (?riviMv) hinab nach Nagy-Belicz (Groß- Belitz), der Endstation der von Süden heraufziehenden, bei Tütmegyer von der Richtung Presburg-Budapest abzweigenden Eisenbahn, die den Zugang von Süddentschland her vermittelt und demnächst zur großen Erleichterung des Verkehrs bis Znyü Wralya fortgeführt werden soll. Ein Übelstand ist es, daß das größte und wichtigste der Haudörfer, das abgelegene Krickerhäu, in der geraden Mitte zwischen Kremnitz und Priwitz nur mit letzterem Orte Post- Verbindung hat, von Kremnitz jedoch eigentlich nur auf einem etwa vierstündigen Fußmarsch zu erreichen ist. Ich bemerke gleich hier, daß man weitere Nach¬ richten über die Haudörfcr bei Schwicker und dem von ihm benutzten Schröer (vergl. außer den bei Schwicker S. 240 aufgeführten frühern Aufsätzen Schrvers noch sein einen Teil des offiziellen Berichts der Wiener Weltausstellung bildendes, auch besonders erschienenes Schriftchen: „Das Bauernhaus." Wien, 1874), nachlesen mag, ich beschränke mich im folgenden grundsätzlich auf meine eignen Erlebnisse. Obgleich Sillein, wie man sieht, noch ziemlich entlegen von den deutschen Dörfern ist, konnte ich doch schon hier eine volle Bestätigung der mir über das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/510>, abgerufen am 22.07.2024.