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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Wallensteins erstes Generalat.

In die Reihen der Wallenstcinforscher ist nun auch Gindely getreten, be¬
kannt durch seine Arbeiten zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges.*) Die
Ergebnisse seiner Forschung würden am meisten Rankes Auffassung entsprechen,
doch auch von ihm weicht er in einzelnen wichtigen Punkten ab, namentlich
darin, daß er die von Wollenstein beabsichtigte Preisgebung der kaiserlichen
Interessen und die angestrebte eigne Erhöhung nicht als die Folge eines erst
während des Jahres 1633 gereiften Entschlusses ansieht, sondern "als das Re¬
sultat seiner vieljährigen Laufbahn, in der er von Stufe zu Stufe stieg, sich
im Bewußtsein seiner Energie als Herr über alles, selbst über den Kaiser fühlte,
und sich deshalb in seinen gigantischen Plänen durch keine Autorität, keine Dank¬
barkeit und kein Pflichtgefühl beeinflussen ließ." "In den fünf ersten Jahren
seines Generalats bildete sich Wallenstein zum Verräter heran," so lautet das
Endergebnis. Er tritt also der Verurteilung Wallensteins durch Ranke und
Gädeke bei, sieht aber den Verrat als Resultat seines ganzen Lebensganges an.

Gindely bietet eine Auswahl der von ihm im vatikanischen, in den spa¬
nischen, französischen und verschiednen deutschen Archiven aufgefundenen Akten.
Diese ordnet er nicht in chronologischer Folge, sondern dem Inhalte nach, und
verbindet sie durch erläuternde Bemerkungen. Es würde unsrer Meinung nach
besser gewesen sein, die Akten gesondert von der Darstellung zu drucken. Der
Grund, daß Rankes Auffassung hie und da angefochten wird, konnte für die
jetzige Form des Werkes uicht, wie der Verfasser will, ausschlaggebend sein; als
Anhang konnten die wichtigeren Belege mit Ausscheidung vieles Nebensächlichen
mitgeteilt, das Wesentliche der Forschungen aber entschiedner und besser, als es
jetzt im letzten Kapitel des zweiten Bandes geschieht, hervorgehoben werden.

Das Werk beginnt mit der merkwürdigen Übertragung des Oberkommandos
an Wallenstein; es schließt mit dem Regensburger Kurfürstentage und der Ab¬
setzung des Friedländers.

Ans dem Überblicke über Wallensteins Leben vor 1626 interessirt seine
Beteiligung an einer großartigen Münzfälschung. Um der kläglichen Geldnot
des Kaisers nach der Niederwerfung des böhmischen Aufstandes ein Ende zu
machen, wurde mit einem gewissen de Witte und einer Anzahl nicht genannter
Gesellschafter 1622 ein Vertrag abgeschlossen, wodurch die Gesellschaft die Münz¬
stätten in Böhmen, Mähren und Niederösterreich erhielt; sie durfte gegen eine
bestimmte Abgabe aus einer Wiener Mark feinen Silbers 79 Gulden, das heißt
mehr als das Dreifache des eigentlichen Wertes prägen. Wallenstein hat sich
an diesem Unternehmen beteiligt. Die Vereinigung hielt aber diesen Vertrag
nicht inne, sondern prägte noch viel minderwertige Münze aus. Wallenstein



Wnldstein während seines ersten Generalats im Lichte der gleichzeitigen
Quellen 1625 bis 1630. Von Anton Gindely. 2 Bände. Prag, I. Tcmpsky, Leipzig'
G- Freytag, 1SS6.
Wallensteins erstes Generalat.

In die Reihen der Wallenstcinforscher ist nun auch Gindely getreten, be¬
kannt durch seine Arbeiten zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges.*) Die
Ergebnisse seiner Forschung würden am meisten Rankes Auffassung entsprechen,
doch auch von ihm weicht er in einzelnen wichtigen Punkten ab, namentlich
darin, daß er die von Wollenstein beabsichtigte Preisgebung der kaiserlichen
Interessen und die angestrebte eigne Erhöhung nicht als die Folge eines erst
während des Jahres 1633 gereiften Entschlusses ansieht, sondern „als das Re¬
sultat seiner vieljährigen Laufbahn, in der er von Stufe zu Stufe stieg, sich
im Bewußtsein seiner Energie als Herr über alles, selbst über den Kaiser fühlte,
und sich deshalb in seinen gigantischen Plänen durch keine Autorität, keine Dank¬
barkeit und kein Pflichtgefühl beeinflussen ließ." „In den fünf ersten Jahren
seines Generalats bildete sich Wallenstein zum Verräter heran," so lautet das
Endergebnis. Er tritt also der Verurteilung Wallensteins durch Ranke und
Gädeke bei, sieht aber den Verrat als Resultat seines ganzen Lebensganges an.

Gindely bietet eine Auswahl der von ihm im vatikanischen, in den spa¬
nischen, französischen und verschiednen deutschen Archiven aufgefundenen Akten.
Diese ordnet er nicht in chronologischer Folge, sondern dem Inhalte nach, und
verbindet sie durch erläuternde Bemerkungen. Es würde unsrer Meinung nach
besser gewesen sein, die Akten gesondert von der Darstellung zu drucken. Der
Grund, daß Rankes Auffassung hie und da angefochten wird, konnte für die
jetzige Form des Werkes uicht, wie der Verfasser will, ausschlaggebend sein; als
Anhang konnten die wichtigeren Belege mit Ausscheidung vieles Nebensächlichen
mitgeteilt, das Wesentliche der Forschungen aber entschiedner und besser, als es
jetzt im letzten Kapitel des zweiten Bandes geschieht, hervorgehoben werden.

Das Werk beginnt mit der merkwürdigen Übertragung des Oberkommandos
an Wallenstein; es schließt mit dem Regensburger Kurfürstentage und der Ab¬
setzung des Friedländers.

Ans dem Überblicke über Wallensteins Leben vor 1626 interessirt seine
Beteiligung an einer großartigen Münzfälschung. Um der kläglichen Geldnot
des Kaisers nach der Niederwerfung des böhmischen Aufstandes ein Ende zu
machen, wurde mit einem gewissen de Witte und einer Anzahl nicht genannter
Gesellschafter 1622 ein Vertrag abgeschlossen, wodurch die Gesellschaft die Münz¬
stätten in Böhmen, Mähren und Niederösterreich erhielt; sie durfte gegen eine
bestimmte Abgabe aus einer Wiener Mark feinen Silbers 79 Gulden, das heißt
mehr als das Dreifache des eigentlichen Wertes prägen. Wallenstein hat sich
an diesem Unternehmen beteiligt. Die Vereinigung hielt aber diesen Vertrag
nicht inne, sondern prägte noch viel minderwertige Münze aus. Wallenstein



Wnldstein während seines ersten Generalats im Lichte der gleichzeitigen
Quellen 1625 bis 1630. Von Anton Gindely. 2 Bände. Prag, I. Tcmpsky, Leipzig'
G- Freytag, 1SS6.
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[0466] Wallensteins erstes Generalat. In die Reihen der Wallenstcinforscher ist nun auch Gindely getreten, be¬ kannt durch seine Arbeiten zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges.*) Die Ergebnisse seiner Forschung würden am meisten Rankes Auffassung entsprechen, doch auch von ihm weicht er in einzelnen wichtigen Punkten ab, namentlich darin, daß er die von Wollenstein beabsichtigte Preisgebung der kaiserlichen Interessen und die angestrebte eigne Erhöhung nicht als die Folge eines erst während des Jahres 1633 gereiften Entschlusses ansieht, sondern „als das Re¬ sultat seiner vieljährigen Laufbahn, in der er von Stufe zu Stufe stieg, sich im Bewußtsein seiner Energie als Herr über alles, selbst über den Kaiser fühlte, und sich deshalb in seinen gigantischen Plänen durch keine Autorität, keine Dank¬ barkeit und kein Pflichtgefühl beeinflussen ließ." „In den fünf ersten Jahren seines Generalats bildete sich Wallenstein zum Verräter heran," so lautet das Endergebnis. Er tritt also der Verurteilung Wallensteins durch Ranke und Gädeke bei, sieht aber den Verrat als Resultat seines ganzen Lebensganges an. Gindely bietet eine Auswahl der von ihm im vatikanischen, in den spa¬ nischen, französischen und verschiednen deutschen Archiven aufgefundenen Akten. Diese ordnet er nicht in chronologischer Folge, sondern dem Inhalte nach, und verbindet sie durch erläuternde Bemerkungen. Es würde unsrer Meinung nach besser gewesen sein, die Akten gesondert von der Darstellung zu drucken. Der Grund, daß Rankes Auffassung hie und da angefochten wird, konnte für die jetzige Form des Werkes uicht, wie der Verfasser will, ausschlaggebend sein; als Anhang konnten die wichtigeren Belege mit Ausscheidung vieles Nebensächlichen mitgeteilt, das Wesentliche der Forschungen aber entschiedner und besser, als es jetzt im letzten Kapitel des zweiten Bandes geschieht, hervorgehoben werden. Das Werk beginnt mit der merkwürdigen Übertragung des Oberkommandos an Wallenstein; es schließt mit dem Regensburger Kurfürstentage und der Ab¬ setzung des Friedländers. Ans dem Überblicke über Wallensteins Leben vor 1626 interessirt seine Beteiligung an einer großartigen Münzfälschung. Um der kläglichen Geldnot des Kaisers nach der Niederwerfung des böhmischen Aufstandes ein Ende zu machen, wurde mit einem gewissen de Witte und einer Anzahl nicht genannter Gesellschafter 1622 ein Vertrag abgeschlossen, wodurch die Gesellschaft die Münz¬ stätten in Böhmen, Mähren und Niederösterreich erhielt; sie durfte gegen eine bestimmte Abgabe aus einer Wiener Mark feinen Silbers 79 Gulden, das heißt mehr als das Dreifache des eigentlichen Wertes prägen. Wallenstein hat sich an diesem Unternehmen beteiligt. Die Vereinigung hielt aber diesen Vertrag nicht inne, sondern prägte noch viel minderwertige Münze aus. Wallenstein Wnldstein während seines ersten Generalats im Lichte der gleichzeitigen Quellen 1625 bis 1630. Von Anton Gindely. 2 Bände. Prag, I. Tcmpsky, Leipzig' G- Freytag, 1SS6.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/466>, abgerufen am 03.07.2024.