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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen.

Eil? Übermaß der Ansprüche des Landwirtes für seinen Unterhalt aber wird
Wohl immer leicht zu erkennen sein. Wenn nun ein solches Übermaß nicht
vorhanden ist, erst dann wird sich zeigen, waS von dem GutSertrage für die
Grundrente übrig bleibt, und mehr als dies kann oder sollte der Grundherr
nicht in Anspruch nehmen. Es folgt daraus, daß die Bodenrenke allein den
Rückgang oder Gutserträgnisse zu tragen haben sollte, vorausgesetzt, daß gut
gewirtschaftet wurde, daß für den Lebensunterhalt des Wirtes nur der "ange¬
messene" Aufwand gemacht worden ist, und daß das Schwanken zwischen fetten
und magern Jahren seine Ausgleichung durch Reserven gefunden hat. Dies ist
eine Wahrheit, die den Agrariern nicht angenehm zu hören ist, die aber, wie
ich deute, theoretisch und praktisch erwiesen werden kann nud die auch von ver¬
ständigen Landwirten keineswegs bestritten wird. Die Sache wird sofort ganz
klar, wenn man sich den Eigentümer des Grund und Bodens als eine vom
Bewirtschafte!' verschiedne Person denkt. Der Wirt ist dem Grundherrn gegen¬
über ein Angestellter, dessen Unterhalt aus dem Betriebe ebenso gut bezahlt sein
muß, als die Aussaat und der Verbrauch des toten und lebenden Inventars,
ehe von einer Rente die Rede sein kann. Betreibt der Eigentümer aber selbst
die Wirtschaft, so ist er in der Lage jedes andern Unternehmers, der erst als¬
dann von einer Geschäftsreise reden kann, wenn seine Ausgaben und sein Lebens¬
unterhalt gedeckt siud.

Ein kaufmännisches Geschäft, welches nur anf seine Kosten kommt und dem
Unternehmer nur den angemessenen Lebensunterhalt gewährt, wird von einem
Dritten zwar unter Vergütung für das Inventar und für die notwendig auf¬
zuwendenden Gründungskvsten übernommen werden können, aber ein weiterer
Kaufpreis wird dafür nicht zu erlangen sein. Mit demselben Rechte, aus den
nämlichen Gründen sollte der Käufer eines in gleicher Lage befindlichen Land¬
gutes nichts weiter zu bezahle" haben, als das zu übernehmende Inventar und
eine Vergütung dafür, daß überhaupt Landwirtschaft betrieben werden kaun,
d. h. daß ein Stück Boden, welches von Natur aus wertlos ist, durch Rodung
und sonstige Meliorationen anbaufähig gemacht worden ist. Daß dem aber im
praktischen Leben nicht so ist, daß den Landgütern vielmehr ein selbständiger
Kapitalwert beigemessen wird, daß selbst für solche Güter, die nur mit positivem
Verlust betrieben werden, noch Kaufpreise verlangt und bezahlt werden
dieses der Natur der Sache widersprechende Vorkomme" erklärt sich allein aus
dem Umstände, daß das Eigentum an Grund und Boden kein natürliches Ver¬
hältnis ist, wie das Eigentum an den durch Arbeit erzeugten beweglichen Gütern,
sondern daß es ein künstlich dnrch Gewalt oder durch das Gesetz geschaffenes
Recht, d. h. ein Monopol ist.

Wir werden hierauf später noch ausführlicher zurückkommen. Einstweilen
genügt es, folgendes festzustellen. Wir haben die Betriebskosten im engeren
Sinne als ein durch die Marktpreise ungefähr feststehendes Element der Wirt-


Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen.

Eil? Übermaß der Ansprüche des Landwirtes für seinen Unterhalt aber wird
Wohl immer leicht zu erkennen sein. Wenn nun ein solches Übermaß nicht
vorhanden ist, erst dann wird sich zeigen, waS von dem GutSertrage für die
Grundrente übrig bleibt, und mehr als dies kann oder sollte der Grundherr
nicht in Anspruch nehmen. Es folgt daraus, daß die Bodenrenke allein den
Rückgang oder Gutserträgnisse zu tragen haben sollte, vorausgesetzt, daß gut
gewirtschaftet wurde, daß für den Lebensunterhalt des Wirtes nur der „ange¬
messene" Aufwand gemacht worden ist, und daß das Schwanken zwischen fetten
und magern Jahren seine Ausgleichung durch Reserven gefunden hat. Dies ist
eine Wahrheit, die den Agrariern nicht angenehm zu hören ist, die aber, wie
ich deute, theoretisch und praktisch erwiesen werden kann nud die auch von ver¬
ständigen Landwirten keineswegs bestritten wird. Die Sache wird sofort ganz
klar, wenn man sich den Eigentümer des Grund und Bodens als eine vom
Bewirtschafte!' verschiedne Person denkt. Der Wirt ist dem Grundherrn gegen¬
über ein Angestellter, dessen Unterhalt aus dem Betriebe ebenso gut bezahlt sein
muß, als die Aussaat und der Verbrauch des toten und lebenden Inventars,
ehe von einer Rente die Rede sein kann. Betreibt der Eigentümer aber selbst
die Wirtschaft, so ist er in der Lage jedes andern Unternehmers, der erst als¬
dann von einer Geschäftsreise reden kann, wenn seine Ausgaben und sein Lebens¬
unterhalt gedeckt siud.

Ein kaufmännisches Geschäft, welches nur anf seine Kosten kommt und dem
Unternehmer nur den angemessenen Lebensunterhalt gewährt, wird von einem
Dritten zwar unter Vergütung für das Inventar und für die notwendig auf¬
zuwendenden Gründungskvsten übernommen werden können, aber ein weiterer
Kaufpreis wird dafür nicht zu erlangen sein. Mit demselben Rechte, aus den
nämlichen Gründen sollte der Käufer eines in gleicher Lage befindlichen Land¬
gutes nichts weiter zu bezahle» haben, als das zu übernehmende Inventar und
eine Vergütung dafür, daß überhaupt Landwirtschaft betrieben werden kaun,
d. h. daß ein Stück Boden, welches von Natur aus wertlos ist, durch Rodung
und sonstige Meliorationen anbaufähig gemacht worden ist. Daß dem aber im
praktischen Leben nicht so ist, daß den Landgütern vielmehr ein selbständiger
Kapitalwert beigemessen wird, daß selbst für solche Güter, die nur mit positivem
Verlust betrieben werden, noch Kaufpreise verlangt und bezahlt werden
dieses der Natur der Sache widersprechende Vorkomme» erklärt sich allein aus
dem Umstände, daß das Eigentum an Grund und Boden kein natürliches Ver¬
hältnis ist, wie das Eigentum an den durch Arbeit erzeugten beweglichen Gütern,
sondern daß es ein künstlich dnrch Gewalt oder durch das Gesetz geschaffenes
Recht, d. h. ein Monopol ist.

Wir werden hierauf später noch ausführlicher zurückkommen. Einstweilen
genügt es, folgendes festzustellen. Wir haben die Betriebskosten im engeren
Sinne als ein durch die Marktpreise ungefähr feststehendes Element der Wirt-


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[0454] Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen. Eil? Übermaß der Ansprüche des Landwirtes für seinen Unterhalt aber wird Wohl immer leicht zu erkennen sein. Wenn nun ein solches Übermaß nicht vorhanden ist, erst dann wird sich zeigen, waS von dem GutSertrage für die Grundrente übrig bleibt, und mehr als dies kann oder sollte der Grundherr nicht in Anspruch nehmen. Es folgt daraus, daß die Bodenrenke allein den Rückgang oder Gutserträgnisse zu tragen haben sollte, vorausgesetzt, daß gut gewirtschaftet wurde, daß für den Lebensunterhalt des Wirtes nur der „ange¬ messene" Aufwand gemacht worden ist, und daß das Schwanken zwischen fetten und magern Jahren seine Ausgleichung durch Reserven gefunden hat. Dies ist eine Wahrheit, die den Agrariern nicht angenehm zu hören ist, die aber, wie ich deute, theoretisch und praktisch erwiesen werden kann nud die auch von ver¬ ständigen Landwirten keineswegs bestritten wird. Die Sache wird sofort ganz klar, wenn man sich den Eigentümer des Grund und Bodens als eine vom Bewirtschafte!' verschiedne Person denkt. Der Wirt ist dem Grundherrn gegen¬ über ein Angestellter, dessen Unterhalt aus dem Betriebe ebenso gut bezahlt sein muß, als die Aussaat und der Verbrauch des toten und lebenden Inventars, ehe von einer Rente die Rede sein kann. Betreibt der Eigentümer aber selbst die Wirtschaft, so ist er in der Lage jedes andern Unternehmers, der erst als¬ dann von einer Geschäftsreise reden kann, wenn seine Ausgaben und sein Lebens¬ unterhalt gedeckt siud. Ein kaufmännisches Geschäft, welches nur anf seine Kosten kommt und dem Unternehmer nur den angemessenen Lebensunterhalt gewährt, wird von einem Dritten zwar unter Vergütung für das Inventar und für die notwendig auf¬ zuwendenden Gründungskvsten übernommen werden können, aber ein weiterer Kaufpreis wird dafür nicht zu erlangen sein. Mit demselben Rechte, aus den nämlichen Gründen sollte der Käufer eines in gleicher Lage befindlichen Land¬ gutes nichts weiter zu bezahle» haben, als das zu übernehmende Inventar und eine Vergütung dafür, daß überhaupt Landwirtschaft betrieben werden kaun, d. h. daß ein Stück Boden, welches von Natur aus wertlos ist, durch Rodung und sonstige Meliorationen anbaufähig gemacht worden ist. Daß dem aber im praktischen Leben nicht so ist, daß den Landgütern vielmehr ein selbständiger Kapitalwert beigemessen wird, daß selbst für solche Güter, die nur mit positivem Verlust betrieben werden, noch Kaufpreise verlangt und bezahlt werden dieses der Natur der Sache widersprechende Vorkomme» erklärt sich allein aus dem Umstände, daß das Eigentum an Grund und Boden kein natürliches Ver¬ hältnis ist, wie das Eigentum an den durch Arbeit erzeugten beweglichen Gütern, sondern daß es ein künstlich dnrch Gewalt oder durch das Gesetz geschaffenes Recht, d. h. ein Monopol ist. Wir werden hierauf später noch ausführlicher zurückkommen. Einstweilen genügt es, folgendes festzustellen. Wir haben die Betriebskosten im engeren Sinne als ein durch die Marktpreise ungefähr feststehendes Element der Wirt-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/454>, abgerufen am 24.08.2024.