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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Aus der Lhronik^derer von Riffelshausen.

Herzogs angebotene Stelle eines Hofmarschnlls anzunehmen. Vohemnnd Niffels-
hausen verfügte über eine glänzende Erscheinung, bezaubernde gesellschaftliche
Formen und ein seltenes Sprachtalent. Dabei befleißigte er sich einer fast über¬
triebenen Sparsamkeit, obwohl auch er dem alten Spruche: ^"lüossv odligu
huldigte. Zu seinein Heile herrschte in der Residenz jetzt ein andrer Ton als
in vergangenen Jahren. Es liegt im Laufe der Natur, daß die Kinder, wenn
sie unter den Lieblingssündcn der Väter zu leiden gehabt haben, leicht in das
Extrem verfallen. Aber wenn auch der jetzige Herzog ein Verschwender gewesen
wäre, sein Hofmarschall hätte es möglich gemacht, nach anßen hin den Anstand
zu wahren. Freilich ging es auch unter den jetzigen günstigen Verhältnissen
innerhalb des Hauses nicht immer glatt und sorgenlos ab. Mit einem weh¬
mütigen Seitenblick auf die schmale Kost bemerkte der Hauslehrer, Herr e^na.
üiLol. Trakelberg, gegen einen Intimus: Wie sollte man den müßigen Sorgen
und Begierden des Fleisches soviel Wichtigkeit beimessen, wenn man sieht, wie
die engelsgute gnädige Frau sich bemüht, einem jeden der Hausgenossen das
Leben so freundlich wie möglich zu gestalten.

Was bei diesen täglichen Sorgen, nach außen den Ansprüchen des Hoflebens
zu genügen und dabei doch den Hausgenossen ihr bescheiden Teil ungeschmälert
zukommen zu lassen, an Kraft und Frische aufgebraucht wurde, weiß der Chronist
nicht festzustellen. Gewiß ist, daß der noch junge Hofmarschall eines Tages zu¬
geben mußte, daß seine Kraft zu dem bisherigen Leben nicht mehr ausreiche.

Das war im Oktober des Jahres 1859. Der Monat, der anfangs ein so
freundliches Gesicht gezeigt hatte, endete mit kalten Regenschauern und einem
Nordwestwind, der die Fenster und Thüren des Hauses Siebeuhofen klirren und
klappern machte, den Rauch durch das Ofenrohr hinuntertrieb und die kahlen
Bäume des Parkes hin- und herbog, daß sie ächzten.

Indessen herrschte in Haus und Hof ein reges Treiben. Der vielgebrauchte
Schmiede hatte noch nicht einmal Zeit gefunden, den Wein herunterznbinden,
und die dürren Ranken hingen jämmerlich an den Spalieren. Der Kohlcn-
schnppcn im Hofe hielt seine geschwärzten Thüren offen, um eine Wagenladung
aufzunehmen, die der Knecht Weindel mit den fetten Braunen von der Bahn¬
station in Rummelshauscn geholt hatte. Fräulein Cäcilie lief mit Meister
Schreiner, Maurer und Tüncher treppauf treppab, die Minna klopfte Staub
"ut Motten ans jahrelang ungebrauchten Teppichen, und der arme Baron konnte
stundenlang auf das Essen warten, um dann zu finden, daß kalte Suppen und
Vrateu an kalten Tagen nicht gerade zu den Annehmlichkeiten gehörten.

Doch Georg Niffelshausen duldete und schwieg. Die vielen Reden, die er
in dieser Zeit über die Unbrauchbarkeit der Männer zu hören bekam, hatten
ihn ganz bescheiden gemacht. Er begnügte sich damit, den waschenden, raunenden
und besenschwingendcn Damen möglichst aus dem Wege zu gehen, um nicht im
Wege zu sein. So hatte Herr Klee, der Gutsinspektor, das seltene Vergnügen,


Grenzvotcn III. 1836. 42
Aus der Lhronik^derer von Riffelshausen.

Herzogs angebotene Stelle eines Hofmarschnlls anzunehmen. Vohemnnd Niffels-
hausen verfügte über eine glänzende Erscheinung, bezaubernde gesellschaftliche
Formen und ein seltenes Sprachtalent. Dabei befleißigte er sich einer fast über¬
triebenen Sparsamkeit, obwohl auch er dem alten Spruche: ^»lüossv odligu
huldigte. Zu seinein Heile herrschte in der Residenz jetzt ein andrer Ton als
in vergangenen Jahren. Es liegt im Laufe der Natur, daß die Kinder, wenn
sie unter den Lieblingssündcn der Väter zu leiden gehabt haben, leicht in das
Extrem verfallen. Aber wenn auch der jetzige Herzog ein Verschwender gewesen
wäre, sein Hofmarschall hätte es möglich gemacht, nach anßen hin den Anstand
zu wahren. Freilich ging es auch unter den jetzigen günstigen Verhältnissen
innerhalb des Hauses nicht immer glatt und sorgenlos ab. Mit einem weh¬
mütigen Seitenblick auf die schmale Kost bemerkte der Hauslehrer, Herr e^na.
üiLol. Trakelberg, gegen einen Intimus: Wie sollte man den müßigen Sorgen
und Begierden des Fleisches soviel Wichtigkeit beimessen, wenn man sieht, wie
die engelsgute gnädige Frau sich bemüht, einem jeden der Hausgenossen das
Leben so freundlich wie möglich zu gestalten.

Was bei diesen täglichen Sorgen, nach außen den Ansprüchen des Hoflebens
zu genügen und dabei doch den Hausgenossen ihr bescheiden Teil ungeschmälert
zukommen zu lassen, an Kraft und Frische aufgebraucht wurde, weiß der Chronist
nicht festzustellen. Gewiß ist, daß der noch junge Hofmarschall eines Tages zu¬
geben mußte, daß seine Kraft zu dem bisherigen Leben nicht mehr ausreiche.

Das war im Oktober des Jahres 1859. Der Monat, der anfangs ein so
freundliches Gesicht gezeigt hatte, endete mit kalten Regenschauern und einem
Nordwestwind, der die Fenster und Thüren des Hauses Siebeuhofen klirren und
klappern machte, den Rauch durch das Ofenrohr hinuntertrieb und die kahlen
Bäume des Parkes hin- und herbog, daß sie ächzten.

Indessen herrschte in Haus und Hof ein reges Treiben. Der vielgebrauchte
Schmiede hatte noch nicht einmal Zeit gefunden, den Wein herunterznbinden,
und die dürren Ranken hingen jämmerlich an den Spalieren. Der Kohlcn-
schnppcn im Hofe hielt seine geschwärzten Thüren offen, um eine Wagenladung
aufzunehmen, die der Knecht Weindel mit den fetten Braunen von der Bahn¬
station in Rummelshauscn geholt hatte. Fräulein Cäcilie lief mit Meister
Schreiner, Maurer und Tüncher treppauf treppab, die Minna klopfte Staub
»ut Motten ans jahrelang ungebrauchten Teppichen, und der arme Baron konnte
stundenlang auf das Essen warten, um dann zu finden, daß kalte Suppen und
Vrateu an kalten Tagen nicht gerade zu den Annehmlichkeiten gehörten.

Doch Georg Niffelshausen duldete und schwieg. Die vielen Reden, die er
in dieser Zeit über die Unbrauchbarkeit der Männer zu hören bekam, hatten
ihn ganz bescheiden gemacht. Er begnügte sich damit, den waschenden, raunenden
und besenschwingendcn Damen möglichst aus dem Wege zu gehen, um nicht im
Wege zu sein. So hatte Herr Klee, der Gutsinspektor, das seltene Vergnügen,


Grenzvotcn III. 1836. 42
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[0337] Aus der Lhronik^derer von Riffelshausen. Herzogs angebotene Stelle eines Hofmarschnlls anzunehmen. Vohemnnd Niffels- hausen verfügte über eine glänzende Erscheinung, bezaubernde gesellschaftliche Formen und ein seltenes Sprachtalent. Dabei befleißigte er sich einer fast über¬ triebenen Sparsamkeit, obwohl auch er dem alten Spruche: ^»lüossv odligu huldigte. Zu seinein Heile herrschte in der Residenz jetzt ein andrer Ton als in vergangenen Jahren. Es liegt im Laufe der Natur, daß die Kinder, wenn sie unter den Lieblingssündcn der Väter zu leiden gehabt haben, leicht in das Extrem verfallen. Aber wenn auch der jetzige Herzog ein Verschwender gewesen wäre, sein Hofmarschall hätte es möglich gemacht, nach anßen hin den Anstand zu wahren. Freilich ging es auch unter den jetzigen günstigen Verhältnissen innerhalb des Hauses nicht immer glatt und sorgenlos ab. Mit einem weh¬ mütigen Seitenblick auf die schmale Kost bemerkte der Hauslehrer, Herr e^na. üiLol. Trakelberg, gegen einen Intimus: Wie sollte man den müßigen Sorgen und Begierden des Fleisches soviel Wichtigkeit beimessen, wenn man sieht, wie die engelsgute gnädige Frau sich bemüht, einem jeden der Hausgenossen das Leben so freundlich wie möglich zu gestalten. Was bei diesen täglichen Sorgen, nach außen den Ansprüchen des Hoflebens zu genügen und dabei doch den Hausgenossen ihr bescheiden Teil ungeschmälert zukommen zu lassen, an Kraft und Frische aufgebraucht wurde, weiß der Chronist nicht festzustellen. Gewiß ist, daß der noch junge Hofmarschall eines Tages zu¬ geben mußte, daß seine Kraft zu dem bisherigen Leben nicht mehr ausreiche. Das war im Oktober des Jahres 1859. Der Monat, der anfangs ein so freundliches Gesicht gezeigt hatte, endete mit kalten Regenschauern und einem Nordwestwind, der die Fenster und Thüren des Hauses Siebeuhofen klirren und klappern machte, den Rauch durch das Ofenrohr hinuntertrieb und die kahlen Bäume des Parkes hin- und herbog, daß sie ächzten. Indessen herrschte in Haus und Hof ein reges Treiben. Der vielgebrauchte Schmiede hatte noch nicht einmal Zeit gefunden, den Wein herunterznbinden, und die dürren Ranken hingen jämmerlich an den Spalieren. Der Kohlcn- schnppcn im Hofe hielt seine geschwärzten Thüren offen, um eine Wagenladung aufzunehmen, die der Knecht Weindel mit den fetten Braunen von der Bahn¬ station in Rummelshauscn geholt hatte. Fräulein Cäcilie lief mit Meister Schreiner, Maurer und Tüncher treppauf treppab, die Minna klopfte Staub »ut Motten ans jahrelang ungebrauchten Teppichen, und der arme Baron konnte stundenlang auf das Essen warten, um dann zu finden, daß kalte Suppen und Vrateu an kalten Tagen nicht gerade zu den Annehmlichkeiten gehörten. Doch Georg Niffelshausen duldete und schwieg. Die vielen Reden, die er in dieser Zeit über die Unbrauchbarkeit der Männer zu hören bekam, hatten ihn ganz bescheiden gemacht. Er begnügte sich damit, den waschenden, raunenden und besenschwingendcn Damen möglichst aus dem Wege zu gehen, um nicht im Wege zu sein. So hatte Herr Klee, der Gutsinspektor, das seltene Vergnügen, Grenzvotcn III. 1836. 42

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/337>, abgerufen am 03.07.2024.