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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Die Historienmalerei auf der Berliner Jubiläums-Runstausstellung.

welches sich Menzel hier gestellt hat, liegt, wie so manches andre, eigentlich
bereits außerhalb der Grenzen der Malerei, deren Hauptelement immer das
Licht ist. Wenn auch das Dunkel der Nacht durch die Flammen des brennenden
Dorfes erhellt ist, so reicht diese Beleuchtung doch keineswegs aus, um eine
umfangreiche Komposition in allen Teilen gleich deutlich zu machen. Das ganze
Bild hat etwas Gespensterhaftes, Unheimliches. Die Komposition läßt sich nicht
mit einem Blicke überschauen, weil man sich die Details erst mühsam zusammen¬
suchen muß. Der große König, der mitten unter den Seinen bis zum letzten
Augenblicke Stand hält, erscheint uus beinahe wie ein Schatten ans einer andern
Welt. Viel handgreiflicher und realistischer sind die großen Figuren der Gre¬
nadiere im Vordergründe gehalten, welche unsre Aufmerksamkeit von dem geistigen
Mittelpunkte der Komposition mehr als nötig ablenken. Doch hält die dunkle
Tonstimmnng des Ganzen die verschiednen Teile noch leidlich zusammen. Wo
aber die dem Künstler eigentümliche Färbung fehlt und die Zeichnung allein
eine große Fläche interessant und bedeutend gestalten soll, bleibt anch Menzel
hinter den höchsten Anforderungen zurück. Der durch die Erfolge der letzte"
Jahre verwöhnte Künstler hat sich verleiten lassen, ans der wohlthätigen Ver¬
borgenheit seines Ateliers einen Karton hervorzuholen, welche" er im Jahre 1847
für einen Kunstverein in Kassel gezeichnet, später aber, in richtiger Erkenntnis
der für einen so großen Mann gebotenen Notwendigkeit, Mißlungenes dem An¬
blicke des gläubig gemachten Publikums zu entziehen, wieder zurückerwvrbeu
hat. Menzel ist unbestreitbar ein großer Künstler, so lange er kleine Illu¬
strationen mit dem Stifte, der Feder, der Kreide und dem Pinsel in Wasser-
vder Gonachcfarben zeichnet. Seine Öltechnik kann -- trotz ihrer unleugbaren
Härten und Einseitigkeiten - anch noch bis zu einem gewissen Grade gelten.
Ein Kartonzeichner ist Menzel aber nicht. Hier hat selbst die Begabung dieses
Universalgenies ihre Grenze. Es ist übrigens seltsam, daß sich zu einer Zeit,
wo die Berliner Künstlerschaft gegen die ihnen von außen her aufgezwungene
Kartonmalerci eines Cornelius bereits scharfe Opposition machte, der nationalste
unter den Berliner Malern dazu bewegen ließ, einen Karton zu zeichnen, und
zwar einen Karton, dessen Thema mit seiner Eigenart garnicht im Einklange
stand. Ein Mann, der kurz zuvor die Werke Friedrichs des Großen mit köst¬
lichen Illustrationen voll satirisch-vvltairianischen Geistes geschmückt hatte, sollte
eine feierliche Zeremonie aus dem Mittelalter zur Anschauung bringen, den
Einzug der Herzogin Sophie von Brabant mit ihrem Söhnchen in Marburg
(1247). Für die Zeit, wo er diesen Karton zeichnete (1847), hat Menzel eine
ungewöhnlich große Kvstümkenntnis entfaltet. Es fehlt anch nicht an inter-
essanten Charakterköpfen, wohl aber an inneren Leben. Der Künstler brachte
zur Lösung der ihm gestellten Aufgabe offenbar nicht diejenige Begeisterung mit,
welche er für die fridericianische Epoche besitzt. Das Mittelalter ist ihm trotz
einzelner wohlgelungenen Kostümstudien fremd, und diese Thatsache ist durch die


Die Historienmalerei auf der Berliner Jubiläums-Runstausstellung.

welches sich Menzel hier gestellt hat, liegt, wie so manches andre, eigentlich
bereits außerhalb der Grenzen der Malerei, deren Hauptelement immer das
Licht ist. Wenn auch das Dunkel der Nacht durch die Flammen des brennenden
Dorfes erhellt ist, so reicht diese Beleuchtung doch keineswegs aus, um eine
umfangreiche Komposition in allen Teilen gleich deutlich zu machen. Das ganze
Bild hat etwas Gespensterhaftes, Unheimliches. Die Komposition läßt sich nicht
mit einem Blicke überschauen, weil man sich die Details erst mühsam zusammen¬
suchen muß. Der große König, der mitten unter den Seinen bis zum letzten
Augenblicke Stand hält, erscheint uus beinahe wie ein Schatten ans einer andern
Welt. Viel handgreiflicher und realistischer sind die großen Figuren der Gre¬
nadiere im Vordergründe gehalten, welche unsre Aufmerksamkeit von dem geistigen
Mittelpunkte der Komposition mehr als nötig ablenken. Doch hält die dunkle
Tonstimmnng des Ganzen die verschiednen Teile noch leidlich zusammen. Wo
aber die dem Künstler eigentümliche Färbung fehlt und die Zeichnung allein
eine große Fläche interessant und bedeutend gestalten soll, bleibt anch Menzel
hinter den höchsten Anforderungen zurück. Der durch die Erfolge der letzte»
Jahre verwöhnte Künstler hat sich verleiten lassen, ans der wohlthätigen Ver¬
borgenheit seines Ateliers einen Karton hervorzuholen, welche» er im Jahre 1847
für einen Kunstverein in Kassel gezeichnet, später aber, in richtiger Erkenntnis
der für einen so großen Mann gebotenen Notwendigkeit, Mißlungenes dem An¬
blicke des gläubig gemachten Publikums zu entziehen, wieder zurückerwvrbeu
hat. Menzel ist unbestreitbar ein großer Künstler, so lange er kleine Illu¬
strationen mit dem Stifte, der Feder, der Kreide und dem Pinsel in Wasser-
vder Gonachcfarben zeichnet. Seine Öltechnik kann — trotz ihrer unleugbaren
Härten und Einseitigkeiten - anch noch bis zu einem gewissen Grade gelten.
Ein Kartonzeichner ist Menzel aber nicht. Hier hat selbst die Begabung dieses
Universalgenies ihre Grenze. Es ist übrigens seltsam, daß sich zu einer Zeit,
wo die Berliner Künstlerschaft gegen die ihnen von außen her aufgezwungene
Kartonmalerci eines Cornelius bereits scharfe Opposition machte, der nationalste
unter den Berliner Malern dazu bewegen ließ, einen Karton zu zeichnen, und
zwar einen Karton, dessen Thema mit seiner Eigenart garnicht im Einklange
stand. Ein Mann, der kurz zuvor die Werke Friedrichs des Großen mit köst¬
lichen Illustrationen voll satirisch-vvltairianischen Geistes geschmückt hatte, sollte
eine feierliche Zeremonie aus dem Mittelalter zur Anschauung bringen, den
Einzug der Herzogin Sophie von Brabant mit ihrem Söhnchen in Marburg
(1247). Für die Zeit, wo er diesen Karton zeichnete (1847), hat Menzel eine
ungewöhnlich große Kvstümkenntnis entfaltet. Es fehlt anch nicht an inter-
essanten Charakterköpfen, wohl aber an inneren Leben. Der Künstler brachte
zur Lösung der ihm gestellten Aufgabe offenbar nicht diejenige Begeisterung mit,
welche er für die fridericianische Epoche besitzt. Das Mittelalter ist ihm trotz
einzelner wohlgelungenen Kostümstudien fremd, und diese Thatsache ist durch die


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[0270] Die Historienmalerei auf der Berliner Jubiläums-Runstausstellung. welches sich Menzel hier gestellt hat, liegt, wie so manches andre, eigentlich bereits außerhalb der Grenzen der Malerei, deren Hauptelement immer das Licht ist. Wenn auch das Dunkel der Nacht durch die Flammen des brennenden Dorfes erhellt ist, so reicht diese Beleuchtung doch keineswegs aus, um eine umfangreiche Komposition in allen Teilen gleich deutlich zu machen. Das ganze Bild hat etwas Gespensterhaftes, Unheimliches. Die Komposition läßt sich nicht mit einem Blicke überschauen, weil man sich die Details erst mühsam zusammen¬ suchen muß. Der große König, der mitten unter den Seinen bis zum letzten Augenblicke Stand hält, erscheint uus beinahe wie ein Schatten ans einer andern Welt. Viel handgreiflicher und realistischer sind die großen Figuren der Gre¬ nadiere im Vordergründe gehalten, welche unsre Aufmerksamkeit von dem geistigen Mittelpunkte der Komposition mehr als nötig ablenken. Doch hält die dunkle Tonstimmnng des Ganzen die verschiednen Teile noch leidlich zusammen. Wo aber die dem Künstler eigentümliche Färbung fehlt und die Zeichnung allein eine große Fläche interessant und bedeutend gestalten soll, bleibt anch Menzel hinter den höchsten Anforderungen zurück. Der durch die Erfolge der letzte» Jahre verwöhnte Künstler hat sich verleiten lassen, ans der wohlthätigen Ver¬ borgenheit seines Ateliers einen Karton hervorzuholen, welche» er im Jahre 1847 für einen Kunstverein in Kassel gezeichnet, später aber, in richtiger Erkenntnis der für einen so großen Mann gebotenen Notwendigkeit, Mißlungenes dem An¬ blicke des gläubig gemachten Publikums zu entziehen, wieder zurückerwvrbeu hat. Menzel ist unbestreitbar ein großer Künstler, so lange er kleine Illu¬ strationen mit dem Stifte, der Feder, der Kreide und dem Pinsel in Wasser- vder Gonachcfarben zeichnet. Seine Öltechnik kann — trotz ihrer unleugbaren Härten und Einseitigkeiten - anch noch bis zu einem gewissen Grade gelten. Ein Kartonzeichner ist Menzel aber nicht. Hier hat selbst die Begabung dieses Universalgenies ihre Grenze. Es ist übrigens seltsam, daß sich zu einer Zeit, wo die Berliner Künstlerschaft gegen die ihnen von außen her aufgezwungene Kartonmalerci eines Cornelius bereits scharfe Opposition machte, der nationalste unter den Berliner Malern dazu bewegen ließ, einen Karton zu zeichnen, und zwar einen Karton, dessen Thema mit seiner Eigenart garnicht im Einklange stand. Ein Mann, der kurz zuvor die Werke Friedrichs des Großen mit köst¬ lichen Illustrationen voll satirisch-vvltairianischen Geistes geschmückt hatte, sollte eine feierliche Zeremonie aus dem Mittelalter zur Anschauung bringen, den Einzug der Herzogin Sophie von Brabant mit ihrem Söhnchen in Marburg (1247). Für die Zeit, wo er diesen Karton zeichnete (1847), hat Menzel eine ungewöhnlich große Kvstümkenntnis entfaltet. Es fehlt anch nicht an inter- essanten Charakterköpfen, wohl aber an inneren Leben. Der Künstler brachte zur Lösung der ihm gestellten Aufgabe offenbar nicht diejenige Begeisterung mit, welche er für die fridericianische Epoche besitzt. Das Mittelalter ist ihm trotz einzelner wohlgelungenen Kostümstudien fremd, und diese Thatsache ist durch die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/270>, abgerufen am 22.07.2024.