Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.Die Historienmalerei auf der Berliner Jubiläums-Kunstausstellung. Historienmalerei, die Rückkehr Hermanns des Cheruskers aus der Schlacht am Die Historienmalerei auf der Berliner Jubiläums-Kunstausstellung. Historienmalerei, die Rückkehr Hermanns des Cheruskers aus der Schlacht am <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0268" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198988"/> <fw type="header" place="top"> Die Historienmalerei auf der Berliner Jubiläums-Kunstausstellung.</fw><lb/> <p xml:id="ID_729" prev="#ID_728" next="#ID_730"> Historienmalerei, die Rückkehr Hermanns des Cheruskers aus der Schlacht am<lb/> Teutoburger Walde und die Taufe Wittekinds, die vollkommene Unfähigkeit des<lb/> Künstlers für diesen Zweig der Malerei unzweideutig dargethan haben. Auf<lb/> unsrer Ausstellung werden wir durch ein älteres Bild Thumanns „Die Trauung<lb/> Luthers" von neuem daran erinnert. Wie flach und ausdruckslos sind die<lb/> Naturgrößen Kopfe! Wie matt, flau und kraftlos ist das Kolorit! Kein Leben,<lb/> keine Wahrheit, nichts von der Energie und der wuchtigen Breite seines Lehrers<lb/> Pauwels! Wie bei A. von Werner liegt auch der Schwerpunkt von Thumauns<lb/> Kunst in der Illustration und im kleinen Genre, nnr daß der Gesichtskreis<lb/> Thumanus noch viel enger begrenzt ist, da ihm kaum etwas andres glückt als<lb/> die Darstellung des Empfindsamen und des Ruhig-Aumutigen. An einer gleichen<lb/> Verkennung der Grenzen seines Talents leidet auch Defregger, der sich gar zu<lb/> gern an Historien- und Genrebilder mit Naturgrößen oder doch halblebensgroßen<lb/> Figuren wagt, um immer von neuem den Nachweis zu liefern, daß seine<lb/> koloristischen Fähigkeiten an ganz bescheidne Dimensionen gebunden sind, für<lb/> welche sie auch nicht immer ausreichen. Die drei neuen Bilder, welche er auf<lb/> unsre Ausstellung geschickt hat, leiden eigentlich alle an diesem Mangel. Die<lb/> schon in einem andern Zusammenhange hier erwähnte Madonna mit dem Kinde,<lb/> in Wolken schwebend, am meisten, weil die Figur naturgrvß ist. Auch ist<lb/> Defregger nicht der Mann dazu, bei einer Operation mit fast ausschließlich<lb/> weißen, grauen und schwarzen Tönen zu einer so pikanten Wirkung zu gelangen,<lb/> wie sie z. B. Gabriel Max mit seiner gleichfalls in den Wolken schwebenden<lb/> A starke (nach Byrons „Manfred") erreicht hat. Dcfreggers Gebiet ist das<lb/> spiritualistische und Transcendentale überhaupt nicht. Er ist der Maler des<lb/> Handgreiflichen, der schlicht-bürgerlichen Existenz und am glücklichsten dann,<lb/> wenn er dnrch eine humoristische Poiuie oder durch gemütvolle Auffassung den<lb/> Blick des Beschauers von der äußern Form der Darstellung ablenken kaun.<lb/> Eine solche Pointe hat das zweite Bild „Zur Gesundheit!", eine Gruppe von<lb/> zwei Mädchen und drei Bauernburschen in einem Wirtshause, deren einer sein<lb/> Glas erhebt, um einem andern, nicht auf dem Bilde sichtbaren Gaste zuzutrinken.<lb/> Die Wirkung würde eine vollkommene gewesen sein, wen» der Maler nicht ans<lb/> den unglücklichen Gedanken gekommen wäre, die Figuren in halber Lebensgröße<lb/> zu halten. Wer nur die verkleinerten Photographien und Lichtdrucke sieht, wird<lb/> sich an der hübschen Komposition und dem liebenswürdigen Humor erfreuen.<lb/> Vor dem Originale beeinträchtigt das harte, einförmige, undurchsichtige<lb/> Kolorit den Genuß. Schwer, bräunlich und trüb ist auch die Färbung des<lb/> dritten Bildes, welches deu unerschrockenen Vorkämpfer Hofers, Franz Speck¬<lb/> bacher, darstellt, wie er die heimlich in einem unterirdischen Raume zusammen¬<lb/> gekommenen Tiroler Landleute zum Kampfe gegen die Franzosen anfeuert und<lb/> durch seine glühende Beredsamkeit in den Unentschlossenen die Thatkraft erweckt.<lb/> Doch entschädigt die Mannichfaltigkeit und Energie in der Charakteristik der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0268]
Die Historienmalerei auf der Berliner Jubiläums-Kunstausstellung.
Historienmalerei, die Rückkehr Hermanns des Cheruskers aus der Schlacht am
Teutoburger Walde und die Taufe Wittekinds, die vollkommene Unfähigkeit des
Künstlers für diesen Zweig der Malerei unzweideutig dargethan haben. Auf
unsrer Ausstellung werden wir durch ein älteres Bild Thumanns „Die Trauung
Luthers" von neuem daran erinnert. Wie flach und ausdruckslos sind die
Naturgrößen Kopfe! Wie matt, flau und kraftlos ist das Kolorit! Kein Leben,
keine Wahrheit, nichts von der Energie und der wuchtigen Breite seines Lehrers
Pauwels! Wie bei A. von Werner liegt auch der Schwerpunkt von Thumauns
Kunst in der Illustration und im kleinen Genre, nnr daß der Gesichtskreis
Thumanus noch viel enger begrenzt ist, da ihm kaum etwas andres glückt als
die Darstellung des Empfindsamen und des Ruhig-Aumutigen. An einer gleichen
Verkennung der Grenzen seines Talents leidet auch Defregger, der sich gar zu
gern an Historien- und Genrebilder mit Naturgrößen oder doch halblebensgroßen
Figuren wagt, um immer von neuem den Nachweis zu liefern, daß seine
koloristischen Fähigkeiten an ganz bescheidne Dimensionen gebunden sind, für
welche sie auch nicht immer ausreichen. Die drei neuen Bilder, welche er auf
unsre Ausstellung geschickt hat, leiden eigentlich alle an diesem Mangel. Die
schon in einem andern Zusammenhange hier erwähnte Madonna mit dem Kinde,
in Wolken schwebend, am meisten, weil die Figur naturgrvß ist. Auch ist
Defregger nicht der Mann dazu, bei einer Operation mit fast ausschließlich
weißen, grauen und schwarzen Tönen zu einer so pikanten Wirkung zu gelangen,
wie sie z. B. Gabriel Max mit seiner gleichfalls in den Wolken schwebenden
A starke (nach Byrons „Manfred") erreicht hat. Dcfreggers Gebiet ist das
spiritualistische und Transcendentale überhaupt nicht. Er ist der Maler des
Handgreiflichen, der schlicht-bürgerlichen Existenz und am glücklichsten dann,
wenn er dnrch eine humoristische Poiuie oder durch gemütvolle Auffassung den
Blick des Beschauers von der äußern Form der Darstellung ablenken kaun.
Eine solche Pointe hat das zweite Bild „Zur Gesundheit!", eine Gruppe von
zwei Mädchen und drei Bauernburschen in einem Wirtshause, deren einer sein
Glas erhebt, um einem andern, nicht auf dem Bilde sichtbaren Gaste zuzutrinken.
Die Wirkung würde eine vollkommene gewesen sein, wen» der Maler nicht ans
den unglücklichen Gedanken gekommen wäre, die Figuren in halber Lebensgröße
zu halten. Wer nur die verkleinerten Photographien und Lichtdrucke sieht, wird
sich an der hübschen Komposition und dem liebenswürdigen Humor erfreuen.
Vor dem Originale beeinträchtigt das harte, einförmige, undurchsichtige
Kolorit den Genuß. Schwer, bräunlich und trüb ist auch die Färbung des
dritten Bildes, welches deu unerschrockenen Vorkämpfer Hofers, Franz Speck¬
bacher, darstellt, wie er die heimlich in einem unterirdischen Raume zusammen¬
gekommenen Tiroler Landleute zum Kampfe gegen die Franzosen anfeuert und
durch seine glühende Beredsamkeit in den Unentschlossenen die Thatkraft erweckt.
Doch entschädigt die Mannichfaltigkeit und Energie in der Charakteristik der
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