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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Die Begründer der Fabrikation europäischen Zuckers.

fertigen Spottes die Rede. Die von dort herüberkommenden unvorteilhaften
Nachrichten wirkten bei dem Ansehen, welches damals französische Urteile bei
uns genossen, auf die öffentliche Meinung in Deutschland ein. Auch machte
das langsame Vorschreiten der neuen Industrie das in solchen Dingen un¬
geduldige Publikum mißtrauisch, und man fing an, Achard als Projekten¬
macher zu bewitzeln.*) Mit der Übersiedelung Achards nach Cuuern verlor das
große Publikum die Bestrebungen desselben für das Zustandekommen einer ein¬
heimischen Zuckerindustrie aus den Augen, nicht aber der König, der Achards
Arbeiten vielmehr dauernd überwachen und sich über sie periodisch berichten ließ,
bis die von Napoleon über das Land gebrachte Kriegsnot den Monarchen an
dringendere Aufgaben denken ließen. Die Aufhebung der offiziellen Kontrole
über Achards Arbeiten und die von ihm erbetene gänzliche Auseinandersetzung
der Negierung mit ihm erfolgte im Juli 1810. In dem dabei erstatteten Be¬
richte der Minister der Finanzen und des Innern interessirt besonders die
Stelle, wo es heißt, "alle Nachrichten stimmen überein, das diese Fabrikation
jetzt würklich mit Vorteil betrieben werde, und es ist sogar wahrscheinlich, daß
noch bey viel niedrigeren Preisen !^des Zuckers^ dieselbe sich werde erhalten können."

Achard war von jetzt an meist nur noch schriftstellerisch für die Ausbildung
der neuen vaterländischen Industrie thätig, doch stellte er seine Fabrik, als sie
abgebrannt war, bald wieder soweit her, daß er sie als praktische Lehranstalt
verwenden konnte. Überhaupt war er immer mit Freuden bereit, seine Kennt¬
nisse auf andre zu übertragen und so zum Wohle des Vaterlandes zu wirken.
Mit großer Gefälligkeit unterstützte er den Freiherrn von Kozpy, als dieser
nachdem er 180S in einem schlesischen Proviuzialblatte einen seiner Aufsätze über
die Fabrikation von Rübenzucker gelesen hatte, auf dem Rittergute Krähn eine
Fabrik errichtete. Auch von der seltenen patriotischen Ehrenhaftigkeit und Un-
eigennützigkeit dieses trefflichen Mannes besitzen wir ein glänzendes Zeugnis,
und zwar aus der Feder keines geringern als des Prinzen Louis Napoleon (des
spätern Kaisers der Frauzosen), der in seinen Werken (Bd. II. S. 121) schreibt:
"Während man in Paris die Zuckerrübe lächerlich machte, nahmen die Engländer
sie sehr ernst und suchten nach allen Mitteln, um die mit derselben erzielten
Ergebnisse schon im Keime zu ersticken. Man liest im alö
vom 11. April 1811 folgendes: "Eine bedeutsame Thatsache, welche der be¬
rühmte preußische Chemiker Herr Achard veröffentlichte, beweist, wie sehr die
Engländer durch die Maßnahmen des Kaisers zur Ersetzung des Rohrzuckers
beunruhigt siud. Unter dem Schleier der Anonymität wurde Herrn Achard im
Jahre 1800 eine Summe von 50 000, dann im Jahre 1802 eine solche von
200 000 Thalern angeboten, wenn er ein Werk veröffentlichen wollte, in welchem



*) Er hatte sich früher mit der künstlichen Darstellung von Edelsteinen beschäftigt auch
einen optischen Telegraphen konstruirt, der, auf Pontonwagen beweglich, leicht auf- und ver¬
stellbar war.
Die Begründer der Fabrikation europäischen Zuckers.

fertigen Spottes die Rede. Die von dort herüberkommenden unvorteilhaften
Nachrichten wirkten bei dem Ansehen, welches damals französische Urteile bei
uns genossen, auf die öffentliche Meinung in Deutschland ein. Auch machte
das langsame Vorschreiten der neuen Industrie das in solchen Dingen un¬
geduldige Publikum mißtrauisch, und man fing an, Achard als Projekten¬
macher zu bewitzeln.*) Mit der Übersiedelung Achards nach Cuuern verlor das
große Publikum die Bestrebungen desselben für das Zustandekommen einer ein¬
heimischen Zuckerindustrie aus den Augen, nicht aber der König, der Achards
Arbeiten vielmehr dauernd überwachen und sich über sie periodisch berichten ließ,
bis die von Napoleon über das Land gebrachte Kriegsnot den Monarchen an
dringendere Aufgaben denken ließen. Die Aufhebung der offiziellen Kontrole
über Achards Arbeiten und die von ihm erbetene gänzliche Auseinandersetzung
der Negierung mit ihm erfolgte im Juli 1810. In dem dabei erstatteten Be¬
richte der Minister der Finanzen und des Innern interessirt besonders die
Stelle, wo es heißt, „alle Nachrichten stimmen überein, das diese Fabrikation
jetzt würklich mit Vorteil betrieben werde, und es ist sogar wahrscheinlich, daß
noch bey viel niedrigeren Preisen !^des Zuckers^ dieselbe sich werde erhalten können."

Achard war von jetzt an meist nur noch schriftstellerisch für die Ausbildung
der neuen vaterländischen Industrie thätig, doch stellte er seine Fabrik, als sie
abgebrannt war, bald wieder soweit her, daß er sie als praktische Lehranstalt
verwenden konnte. Überhaupt war er immer mit Freuden bereit, seine Kennt¬
nisse auf andre zu übertragen und so zum Wohle des Vaterlandes zu wirken.
Mit großer Gefälligkeit unterstützte er den Freiherrn von Kozpy, als dieser
nachdem er 180S in einem schlesischen Proviuzialblatte einen seiner Aufsätze über
die Fabrikation von Rübenzucker gelesen hatte, auf dem Rittergute Krähn eine
Fabrik errichtete. Auch von der seltenen patriotischen Ehrenhaftigkeit und Un-
eigennützigkeit dieses trefflichen Mannes besitzen wir ein glänzendes Zeugnis,
und zwar aus der Feder keines geringern als des Prinzen Louis Napoleon (des
spätern Kaisers der Frauzosen), der in seinen Werken (Bd. II. S. 121) schreibt:
„Während man in Paris die Zuckerrübe lächerlich machte, nahmen die Engländer
sie sehr ernst und suchten nach allen Mitteln, um die mit derselben erzielten
Ergebnisse schon im Keime zu ersticken. Man liest im alö
vom 11. April 1811 folgendes: »Eine bedeutsame Thatsache, welche der be¬
rühmte preußische Chemiker Herr Achard veröffentlichte, beweist, wie sehr die
Engländer durch die Maßnahmen des Kaisers zur Ersetzung des Rohrzuckers
beunruhigt siud. Unter dem Schleier der Anonymität wurde Herrn Achard im
Jahre 1800 eine Summe von 50 000, dann im Jahre 1802 eine solche von
200 000 Thalern angeboten, wenn er ein Werk veröffentlichen wollte, in welchem



*) Er hatte sich früher mit der künstlichen Darstellung von Edelsteinen beschäftigt auch
einen optischen Telegraphen konstruirt, der, auf Pontonwagen beweglich, leicht auf- und ver¬
stellbar war.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/236>, abgerufen am 22.07.2024.