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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Margarethe von Navarra.

oder der Herzog von Cleve, mit welchem darüber verhandelt wurde. König
Franz hoffte schließlich durch diese Verbindung Anhang in Deutschland zu ge¬
winnen und bestand darauf, daß Johanna den Herzog von Cleve heiraten müsse.
Es kam zu den schlimmsten Auftritten in der Familie, aber jeder Widerstand
Margarethens und ihrer Tochter mußte sich vor dem Willen des Königs beugen.
Vor der Verlobung wie unmittelbar vor der Trauung schrieb Johanna ans Ver¬
anlassung ihrer Mutter in Gegenwart weniger Vertrauten Erklärungen nieder,
in welchen sie sich gegen die ihr aufgezwungene Heirat verwahrte. Die Unter¬
werfung des Herzogs von Cleve durch Karl V. entschied auch über das Geschick
seiner jungen Gemahlin. Der Herzog war jetzt für den französischen König
ohne Wert. Margarethe schrieb ihrem Bruder: ,,Jetzt bitte ich Euch inständig
um Eure Hilfe, daß meine Tochter nach dem Recht der Kirche und der Menschen
frei werde, wie ich weiß, daß sie es von Gott ist." Johanna erneute um ihren
Einspruch öffentlich, worauf der Papst 1546 die Ehe für null und nichtig
erklärte.

Diese Verhältnisse mögen auf Margarethe schwer gedrückt haben; bald am
französischen Hofe, bald in Bcarn, an beiden Orten von Vorwürfen bedrängt,
immer ängstlich besorgt um das Schicksal ihrer Tochter und selbst dabei leidend,
so verlebte sie diese Jahre. Doch hatte auch der elevischc Handel den Verkehr
mit ihrem Bruder nur vorübergehend stören können; Franz rief die Schwester
bei jeder Gelegenheit wieder zu sich.

Als die Kunde vom Tode des Königs nach Bcarn kam, war Margarethe
selbst so krank, daß man nicht wagte, sie ihr mitzuteilen, erst durch einen Zufall
erhielt sie davon Kenntnis. Die Fassung, mit welcher sie die Nachricht ver¬
nahm, währte nicht lange, in der Stille und der Einsamkeit des Klosters zu
Tusso" suchte sie in den nächsten Wochen sich zu sammeln. Ein Lied, welches
sie in diesen Tagen verfaßte, klagt, daß sie nun allein stehe, ohne Eltern und
Geschwister, alle irdischen Dinge habe sie aus der Erinnerung verbannt, sie lebe
nur in Gott und kenne keinen andern Wunsch, als durch den Tod sobald als
möglich mit ihm vereint zu werden.

Ihre Pflichten als Königin, die Verwaltung ihrer Güter, die Sorge für
die Armen und Verfolgten riefen sie aus der Einsamkeit zurück. Der Tod des
Vrnders hatte auch ihre materielle Stellung schwer bedroht, doch gewährte ihr
der neue König Heinrich II., welcher die Verheiratung Johannas mit dem .Herzoge
von BourbomVeudüme ins Auge saßte, die früher bezogenen Summen, um sie
diesem Plane willfähriger zu machen. Am 2V. Oktober 1548 ward die Hochzeit
gefeiert, Margarethe war von dem Ereignis tief ergriffen, sie beurteilte ihren
Schwiegersohn nicht günstig. Diese Heirat steigerte wohl noch die Entfremdung
zwischen Margarethe und ihrem Gemahl. Der Einblick in ihre häuslichen Ver¬
hältnisse in diesen letzten Lebensjahren ist nicht erfreulich. Heinrich legte sich
keinerlei Zwang mehr auf und behandelte seine Gemahlin, die nun jede Stütze


Margarethe von Navarra.

oder der Herzog von Cleve, mit welchem darüber verhandelt wurde. König
Franz hoffte schließlich durch diese Verbindung Anhang in Deutschland zu ge¬
winnen und bestand darauf, daß Johanna den Herzog von Cleve heiraten müsse.
Es kam zu den schlimmsten Auftritten in der Familie, aber jeder Widerstand
Margarethens und ihrer Tochter mußte sich vor dem Willen des Königs beugen.
Vor der Verlobung wie unmittelbar vor der Trauung schrieb Johanna ans Ver¬
anlassung ihrer Mutter in Gegenwart weniger Vertrauten Erklärungen nieder,
in welchen sie sich gegen die ihr aufgezwungene Heirat verwahrte. Die Unter¬
werfung des Herzogs von Cleve durch Karl V. entschied auch über das Geschick
seiner jungen Gemahlin. Der Herzog war jetzt für den französischen König
ohne Wert. Margarethe schrieb ihrem Bruder: ,,Jetzt bitte ich Euch inständig
um Eure Hilfe, daß meine Tochter nach dem Recht der Kirche und der Menschen
frei werde, wie ich weiß, daß sie es von Gott ist." Johanna erneute um ihren
Einspruch öffentlich, worauf der Papst 1546 die Ehe für null und nichtig
erklärte.

Diese Verhältnisse mögen auf Margarethe schwer gedrückt haben; bald am
französischen Hofe, bald in Bcarn, an beiden Orten von Vorwürfen bedrängt,
immer ängstlich besorgt um das Schicksal ihrer Tochter und selbst dabei leidend,
so verlebte sie diese Jahre. Doch hatte auch der elevischc Handel den Verkehr
mit ihrem Bruder nur vorübergehend stören können; Franz rief die Schwester
bei jeder Gelegenheit wieder zu sich.

Als die Kunde vom Tode des Königs nach Bcarn kam, war Margarethe
selbst so krank, daß man nicht wagte, sie ihr mitzuteilen, erst durch einen Zufall
erhielt sie davon Kenntnis. Die Fassung, mit welcher sie die Nachricht ver¬
nahm, währte nicht lange, in der Stille und der Einsamkeit des Klosters zu
Tusso» suchte sie in den nächsten Wochen sich zu sammeln. Ein Lied, welches
sie in diesen Tagen verfaßte, klagt, daß sie nun allein stehe, ohne Eltern und
Geschwister, alle irdischen Dinge habe sie aus der Erinnerung verbannt, sie lebe
nur in Gott und kenne keinen andern Wunsch, als durch den Tod sobald als
möglich mit ihm vereint zu werden.

Ihre Pflichten als Königin, die Verwaltung ihrer Güter, die Sorge für
die Armen und Verfolgten riefen sie aus der Einsamkeit zurück. Der Tod des
Vrnders hatte auch ihre materielle Stellung schwer bedroht, doch gewährte ihr
der neue König Heinrich II., welcher die Verheiratung Johannas mit dem .Herzoge
von BourbomVeudüme ins Auge saßte, die früher bezogenen Summen, um sie
diesem Plane willfähriger zu machen. Am 2V. Oktober 1548 ward die Hochzeit
gefeiert, Margarethe war von dem Ereignis tief ergriffen, sie beurteilte ihren
Schwiegersohn nicht günstig. Diese Heirat steigerte wohl noch die Entfremdung
zwischen Margarethe und ihrem Gemahl. Der Einblick in ihre häuslichen Ver¬
hältnisse in diesen letzten Lebensjahren ist nicht erfreulich. Heinrich legte sich
keinerlei Zwang mehr auf und behandelte seine Gemahlin, die nun jede Stütze


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[0176] Margarethe von Navarra. oder der Herzog von Cleve, mit welchem darüber verhandelt wurde. König Franz hoffte schließlich durch diese Verbindung Anhang in Deutschland zu ge¬ winnen und bestand darauf, daß Johanna den Herzog von Cleve heiraten müsse. Es kam zu den schlimmsten Auftritten in der Familie, aber jeder Widerstand Margarethens und ihrer Tochter mußte sich vor dem Willen des Königs beugen. Vor der Verlobung wie unmittelbar vor der Trauung schrieb Johanna ans Ver¬ anlassung ihrer Mutter in Gegenwart weniger Vertrauten Erklärungen nieder, in welchen sie sich gegen die ihr aufgezwungene Heirat verwahrte. Die Unter¬ werfung des Herzogs von Cleve durch Karl V. entschied auch über das Geschick seiner jungen Gemahlin. Der Herzog war jetzt für den französischen König ohne Wert. Margarethe schrieb ihrem Bruder: ,,Jetzt bitte ich Euch inständig um Eure Hilfe, daß meine Tochter nach dem Recht der Kirche und der Menschen frei werde, wie ich weiß, daß sie es von Gott ist." Johanna erneute um ihren Einspruch öffentlich, worauf der Papst 1546 die Ehe für null und nichtig erklärte. Diese Verhältnisse mögen auf Margarethe schwer gedrückt haben; bald am französischen Hofe, bald in Bcarn, an beiden Orten von Vorwürfen bedrängt, immer ängstlich besorgt um das Schicksal ihrer Tochter und selbst dabei leidend, so verlebte sie diese Jahre. Doch hatte auch der elevischc Handel den Verkehr mit ihrem Bruder nur vorübergehend stören können; Franz rief die Schwester bei jeder Gelegenheit wieder zu sich. Als die Kunde vom Tode des Königs nach Bcarn kam, war Margarethe selbst so krank, daß man nicht wagte, sie ihr mitzuteilen, erst durch einen Zufall erhielt sie davon Kenntnis. Die Fassung, mit welcher sie die Nachricht ver¬ nahm, währte nicht lange, in der Stille und der Einsamkeit des Klosters zu Tusso» suchte sie in den nächsten Wochen sich zu sammeln. Ein Lied, welches sie in diesen Tagen verfaßte, klagt, daß sie nun allein stehe, ohne Eltern und Geschwister, alle irdischen Dinge habe sie aus der Erinnerung verbannt, sie lebe nur in Gott und kenne keinen andern Wunsch, als durch den Tod sobald als möglich mit ihm vereint zu werden. Ihre Pflichten als Königin, die Verwaltung ihrer Güter, die Sorge für die Armen und Verfolgten riefen sie aus der Einsamkeit zurück. Der Tod des Vrnders hatte auch ihre materielle Stellung schwer bedroht, doch gewährte ihr der neue König Heinrich II., welcher die Verheiratung Johannas mit dem .Herzoge von BourbomVeudüme ins Auge saßte, die früher bezogenen Summen, um sie diesem Plane willfähriger zu machen. Am 2V. Oktober 1548 ward die Hochzeit gefeiert, Margarethe war von dem Ereignis tief ergriffen, sie beurteilte ihren Schwiegersohn nicht günstig. Diese Heirat steigerte wohl noch die Entfremdung zwischen Margarethe und ihrem Gemahl. Der Einblick in ihre häuslichen Ver¬ hältnisse in diesen letzten Lebensjahren ist nicht erfreulich. Heinrich legte sich keinerlei Zwang mehr auf und behandelte seine Gemahlin, die nun jede Stütze

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/176>, abgerufen am 03.07.2024.