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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Camoens.

was suchte, was wollte er hier? Ein bunter Schwarm von Dienern und Tra¬
banten, die goldschimmernde Gruppe der jungen Edelleute, die sich auf dem
Hvchdeck um den König drängte, welcher in kriegerischem Waffenschmuck vom
Schiffsrand ans die Flotte, den Hafendamm und die Türme seiner Haupt¬
stadt zurückschaute -- was sollte er sie fragen? Keine weibliche Gestalt war
auf dem Deck zu sehen, mit stummer Verzweiflung wandte er sich ab und suchte
trotzig, unbekümmert um alle, zwischen Kisten und Ballen, die im Raum ver¬
staut wurden, die Thüren zu den Kajüten. Ehe er sie erreichte, fühlte er sich
von einer Hand zurückgehalten, welche sich mit wahrhaft ehernem Griff um
seinen Arm legte. Er sah auf, Tellez Alucita stand neben ihm.

Seid ihr doch gekommen, Senhor Luis? fragte er mit leiser Stimme.
Wollt Ihr sie noch einmal sehen? Dort -- dort ist sie! Erkennt Ihr sie
nicht trotz all Eurer Liebe und Leidenschaft, so seht Ihr auch, wie alles irdische
Neigen Trug und Thorheit ist!

Er deutete auf die wenigen Gestalten, welche einen Schritt hinter den,
Könige auf derselbe,: Erhöhung des Verdecks standen und das Mvrgensonncn-
licht auf den Kuppeln des Palastes und des Klosters zum Herzen Jesu zittern
sahen. Camoens fuhr zurück, sein Herzschlag stockte, seine Lippen wurden blasser:
der junge Page mit dem die Stirne tief beschattenden Hut -- er glich ihr,
er blickte mit ihren Augen auf Dom Sebastian, und ein Strahl leuchtete aus
diesen Augen, den Camoens noch nie wahrgenommen. Sie war es selbst, er
wußte es, und gleichsam wider seinen Willen entrang sich den zuckenden Lippen
die Frage: Seid Ihr gewiß, daß es die Gräfin ist und -- daß sie mit dem
König nach Marokko geht?

Wie weit sie mit ihm geht, weiß Gott allein! versetzte der Jesuit, und seine
Blicke hefteten sich düster und drohend auf den König und die schlanke, zarte
Gestalt des angeblichen Pagen. Seid gewiß, zu lange soll der Taumel der
Sünde nicht währen -- ich denke, daß der König mir beichtet, bevor wir drüben
in Afrika ans Land steigen.

Camoens hatte Mühe, nicht in ein lautes Gelächter auszubreiten; die
schmerzliche und hilflose Verzweiflung, die ihn ergriffen hatte, und die kalte,
ruhige Zuversicht des Priesters, der so garnichts nach ihm fragte und den nichts
kümmerte, als das gebrochene Gelübde, standen in einem Widerspruche, der die
Lachmuskeln reizte. Er fühlte ein Verlangen in sich aufwallen, nach dem er¬
höhten Deck hinzustürzen, die Hand Catalinas zu ergreifen und sie von der
Seite Dom Sebastians hinwegzureißen. Gleichwohl blieb er neben Tellez
Alucita stehen, starrte regungslos nach dem Pagen und wich mit allen andern
zurück, als Admiral Casalinho plötzlich quer über das Deck schritt und gebieterisch
ausrief: Klar Deck -- klar Deck! Wer nicht zum Schiff gehört, räume dasselbe
auf der Stelle! Es ist der Wille des Königs! Auch Ihr, Senhor Luis --
Gott beföhle", gehabt Euch wohl!


Camoens.

was suchte, was wollte er hier? Ein bunter Schwarm von Dienern und Tra¬
banten, die goldschimmernde Gruppe der jungen Edelleute, die sich auf dem
Hvchdeck um den König drängte, welcher in kriegerischem Waffenschmuck vom
Schiffsrand ans die Flotte, den Hafendamm und die Türme seiner Haupt¬
stadt zurückschaute — was sollte er sie fragen? Keine weibliche Gestalt war
auf dem Deck zu sehen, mit stummer Verzweiflung wandte er sich ab und suchte
trotzig, unbekümmert um alle, zwischen Kisten und Ballen, die im Raum ver¬
staut wurden, die Thüren zu den Kajüten. Ehe er sie erreichte, fühlte er sich
von einer Hand zurückgehalten, welche sich mit wahrhaft ehernem Griff um
seinen Arm legte. Er sah auf, Tellez Alucita stand neben ihm.

Seid ihr doch gekommen, Senhor Luis? fragte er mit leiser Stimme.
Wollt Ihr sie noch einmal sehen? Dort — dort ist sie! Erkennt Ihr sie
nicht trotz all Eurer Liebe und Leidenschaft, so seht Ihr auch, wie alles irdische
Neigen Trug und Thorheit ist!

Er deutete auf die wenigen Gestalten, welche einen Schritt hinter den,
Könige auf derselbe,: Erhöhung des Verdecks standen und das Mvrgensonncn-
licht auf den Kuppeln des Palastes und des Klosters zum Herzen Jesu zittern
sahen. Camoens fuhr zurück, sein Herzschlag stockte, seine Lippen wurden blasser:
der junge Page mit dem die Stirne tief beschattenden Hut — er glich ihr,
er blickte mit ihren Augen auf Dom Sebastian, und ein Strahl leuchtete aus
diesen Augen, den Camoens noch nie wahrgenommen. Sie war es selbst, er
wußte es, und gleichsam wider seinen Willen entrang sich den zuckenden Lippen
die Frage: Seid Ihr gewiß, daß es die Gräfin ist und — daß sie mit dem
König nach Marokko geht?

Wie weit sie mit ihm geht, weiß Gott allein! versetzte der Jesuit, und seine
Blicke hefteten sich düster und drohend auf den König und die schlanke, zarte
Gestalt des angeblichen Pagen. Seid gewiß, zu lange soll der Taumel der
Sünde nicht währen — ich denke, daß der König mir beichtet, bevor wir drüben
in Afrika ans Land steigen.

Camoens hatte Mühe, nicht in ein lautes Gelächter auszubreiten; die
schmerzliche und hilflose Verzweiflung, die ihn ergriffen hatte, und die kalte,
ruhige Zuversicht des Priesters, der so garnichts nach ihm fragte und den nichts
kümmerte, als das gebrochene Gelübde, standen in einem Widerspruche, der die
Lachmuskeln reizte. Er fühlte ein Verlangen in sich aufwallen, nach dem er¬
höhten Deck hinzustürzen, die Hand Catalinas zu ergreifen und sie von der
Seite Dom Sebastians hinwegzureißen. Gleichwohl blieb er neben Tellez
Alucita stehen, starrte regungslos nach dem Pagen und wich mit allen andern
zurück, als Admiral Casalinho plötzlich quer über das Deck schritt und gebieterisch
ausrief: Klar Deck — klar Deck! Wer nicht zum Schiff gehört, räume dasselbe
auf der Stelle! Es ist der Wille des Königs! Auch Ihr, Senhor Luis —
Gott beföhle», gehabt Euch wohl!


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[0149] Camoens. was suchte, was wollte er hier? Ein bunter Schwarm von Dienern und Tra¬ banten, die goldschimmernde Gruppe der jungen Edelleute, die sich auf dem Hvchdeck um den König drängte, welcher in kriegerischem Waffenschmuck vom Schiffsrand ans die Flotte, den Hafendamm und die Türme seiner Haupt¬ stadt zurückschaute — was sollte er sie fragen? Keine weibliche Gestalt war auf dem Deck zu sehen, mit stummer Verzweiflung wandte er sich ab und suchte trotzig, unbekümmert um alle, zwischen Kisten und Ballen, die im Raum ver¬ staut wurden, die Thüren zu den Kajüten. Ehe er sie erreichte, fühlte er sich von einer Hand zurückgehalten, welche sich mit wahrhaft ehernem Griff um seinen Arm legte. Er sah auf, Tellez Alucita stand neben ihm. Seid ihr doch gekommen, Senhor Luis? fragte er mit leiser Stimme. Wollt Ihr sie noch einmal sehen? Dort — dort ist sie! Erkennt Ihr sie nicht trotz all Eurer Liebe und Leidenschaft, so seht Ihr auch, wie alles irdische Neigen Trug und Thorheit ist! Er deutete auf die wenigen Gestalten, welche einen Schritt hinter den, Könige auf derselbe,: Erhöhung des Verdecks standen und das Mvrgensonncn- licht auf den Kuppeln des Palastes und des Klosters zum Herzen Jesu zittern sahen. Camoens fuhr zurück, sein Herzschlag stockte, seine Lippen wurden blasser: der junge Page mit dem die Stirne tief beschattenden Hut — er glich ihr, er blickte mit ihren Augen auf Dom Sebastian, und ein Strahl leuchtete aus diesen Augen, den Camoens noch nie wahrgenommen. Sie war es selbst, er wußte es, und gleichsam wider seinen Willen entrang sich den zuckenden Lippen die Frage: Seid Ihr gewiß, daß es die Gräfin ist und — daß sie mit dem König nach Marokko geht? Wie weit sie mit ihm geht, weiß Gott allein! versetzte der Jesuit, und seine Blicke hefteten sich düster und drohend auf den König und die schlanke, zarte Gestalt des angeblichen Pagen. Seid gewiß, zu lange soll der Taumel der Sünde nicht währen — ich denke, daß der König mir beichtet, bevor wir drüben in Afrika ans Land steigen. Camoens hatte Mühe, nicht in ein lautes Gelächter auszubreiten; die schmerzliche und hilflose Verzweiflung, die ihn ergriffen hatte, und die kalte, ruhige Zuversicht des Priesters, der so garnichts nach ihm fragte und den nichts kümmerte, als das gebrochene Gelübde, standen in einem Widerspruche, der die Lachmuskeln reizte. Er fühlte ein Verlangen in sich aufwallen, nach dem er¬ höhten Deck hinzustürzen, die Hand Catalinas zu ergreifen und sie von der Seite Dom Sebastians hinwegzureißen. Gleichwohl blieb er neben Tellez Alucita stehen, starrte regungslos nach dem Pagen und wich mit allen andern zurück, als Admiral Casalinho plötzlich quer über das Deck schritt und gebieterisch ausrief: Klar Deck — klar Deck! Wer nicht zum Schiff gehört, räume dasselbe auf der Stelle! Es ist der Wille des Königs! Auch Ihr, Senhor Luis — Gott beföhle», gehabt Euch wohl!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/149>, abgerufen am 22.07.2024.