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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Die Reformbestrebungen in der deutschen Studentenschaft.

der ganzen Persönlichkeit für einen Zweck einzutreten, alles Dinge, über die
kein Professor liest und die doch der künftige Beamte kennen und können muß.
Und noch eins! Hat die Verbindung in den ersten Semestern von ihren Mit¬
gliedern viel Zeit beansprucht, so stellt sie in den letzten Semestern in dieser
Beziehung gar keine Anforderungen mehr an sie. Ja man könnte fast behaupten,
daß sie durch direkte und indirekte Einwirkungen viel dafür sorgt, daß keiner
ihrer Angehörigen "verbummelt." Es ist ein Stolz der Verbindung, wenn ihre
"alten Hänser" ehrenvoll und geachtet dastehen. Jene immer noch nicht ganz
ausgestorbene Spezies der "uralten Studenten" rekrutirt sich zum geringsten
Teile aus Verbindungsstudenten. Das eine soll nicht verschwiegen werden, daß
die Mensuren viel Zeit und Geld in Anspruch nehmen, da sie oft größere
Reisen erfordern und ihre Folgen den Pantanten oft wochenlang am Arbeiten
hindern.

Zweitens wollte man das "Fuchstum" wegschaffen, das ein unwürdiger
Rest des Penualismus sei. Nun, wer bei dem Verhältnisse zwischen Burschen
und Füchsen, so wie es heute besteht, noch von Penualismus redet, beweist nur,
daß er unsre Verbindungen nicht kennt. Die einzige Strafe, der sich der Fuchs
unterwerfe" muß, ist das xro-xosna-Trinken. Daß er an den Beratungen über
innere Angelegenheiten der Verbindung nicht teil nimmt, bevor er diese kennt,
ist doch wohl selbstverständlich. Nun wandte man sich aber gerade gegen die
Anleitung des Fuchses zum Trunke durch die sogenannten "Fuchshalben." Aber
auch diese "Erziehung" hat einen gewissen Sinn. Jeder einem Kommerse bei¬
wohnende Student muß das Vermögen besitzen, ein gewisses Quantum ohne
bemerkbare Folgen zu trinken. Besitzt er dieses noch nicht, so muß er es sich
eben durch Übung verschaffen. Es klingt das skurril, ist aber vollkommen ernst
gemeint. Das zeichnet ja die Kommerse des 8.-<ü., v.-d und aller Gemein¬
schaften, die die Institution der Füchse kennen, vorteilhaft aus, daß man bei
aller Fröhlichkeit doch thatsächlich höchst selten Betrunkene sieht. Nur wenn man
den Studenten das kommentmäßige Viertrinken überhaupt verbietet, mag man
auch die Einrichtung der Füchse wegschaffen. Aber der Fuchs lernt nicht nur
Biertrinken, er wird auch zur Bescheidenheit erzogen, er lernt schweigen und
gehorchen; und das ist für viele unsrer altklugen Primaner, die mit großer
Sicherheit at oronivus rsbus se quibuscliiin -Ms zu reden verstehen, eine
herrliche Schule. Mancher muß sich hier berechtigte Zurechtweisungen gefallen
lassen, die ihm sein Klassenlehrer nicht hätte bieten dürfen. Wie mancher früh¬
reife Abiturient, der in seiner sich selbst vergötternden Arroganz nichts mehr
über sich sah, ist durch das Fuchsjahr wieder auf eine vernünftige Stufe herab¬
gedrückt worden.

Man machte ferner den Verbindungen und speziell den Korps den Vor-
wurf des Stutzertums und der "Patentsimpelei." Dieser Vorwurf war be¬
rechtigt und ist es noch. Anständig und sauber soll die Kleidung des Studenten


Die Reformbestrebungen in der deutschen Studentenschaft.

der ganzen Persönlichkeit für einen Zweck einzutreten, alles Dinge, über die
kein Professor liest und die doch der künftige Beamte kennen und können muß.
Und noch eins! Hat die Verbindung in den ersten Semestern von ihren Mit¬
gliedern viel Zeit beansprucht, so stellt sie in den letzten Semestern in dieser
Beziehung gar keine Anforderungen mehr an sie. Ja man könnte fast behaupten,
daß sie durch direkte und indirekte Einwirkungen viel dafür sorgt, daß keiner
ihrer Angehörigen „verbummelt." Es ist ein Stolz der Verbindung, wenn ihre
„alten Hänser" ehrenvoll und geachtet dastehen. Jene immer noch nicht ganz
ausgestorbene Spezies der „uralten Studenten" rekrutirt sich zum geringsten
Teile aus Verbindungsstudenten. Das eine soll nicht verschwiegen werden, daß
die Mensuren viel Zeit und Geld in Anspruch nehmen, da sie oft größere
Reisen erfordern und ihre Folgen den Pantanten oft wochenlang am Arbeiten
hindern.

Zweitens wollte man das „Fuchstum" wegschaffen, das ein unwürdiger
Rest des Penualismus sei. Nun, wer bei dem Verhältnisse zwischen Burschen
und Füchsen, so wie es heute besteht, noch von Penualismus redet, beweist nur,
daß er unsre Verbindungen nicht kennt. Die einzige Strafe, der sich der Fuchs
unterwerfe» muß, ist das xro-xosna-Trinken. Daß er an den Beratungen über
innere Angelegenheiten der Verbindung nicht teil nimmt, bevor er diese kennt,
ist doch wohl selbstverständlich. Nun wandte man sich aber gerade gegen die
Anleitung des Fuchses zum Trunke durch die sogenannten „Fuchshalben." Aber
auch diese „Erziehung" hat einen gewissen Sinn. Jeder einem Kommerse bei¬
wohnende Student muß das Vermögen besitzen, ein gewisses Quantum ohne
bemerkbare Folgen zu trinken. Besitzt er dieses noch nicht, so muß er es sich
eben durch Übung verschaffen. Es klingt das skurril, ist aber vollkommen ernst
gemeint. Das zeichnet ja die Kommerse des 8.-<ü., v.-d und aller Gemein¬
schaften, die die Institution der Füchse kennen, vorteilhaft aus, daß man bei
aller Fröhlichkeit doch thatsächlich höchst selten Betrunkene sieht. Nur wenn man
den Studenten das kommentmäßige Viertrinken überhaupt verbietet, mag man
auch die Einrichtung der Füchse wegschaffen. Aber der Fuchs lernt nicht nur
Biertrinken, er wird auch zur Bescheidenheit erzogen, er lernt schweigen und
gehorchen; und das ist für viele unsrer altklugen Primaner, die mit großer
Sicherheit at oronivus rsbus se quibuscliiin -Ms zu reden verstehen, eine
herrliche Schule. Mancher muß sich hier berechtigte Zurechtweisungen gefallen
lassen, die ihm sein Klassenlehrer nicht hätte bieten dürfen. Wie mancher früh¬
reife Abiturient, der in seiner sich selbst vergötternden Arroganz nichts mehr
über sich sah, ist durch das Fuchsjahr wieder auf eine vernünftige Stufe herab¬
gedrückt worden.

Man machte ferner den Verbindungen und speziell den Korps den Vor-
wurf des Stutzertums und der „Patentsimpelei." Dieser Vorwurf war be¬
rechtigt und ist es noch. Anständig und sauber soll die Kleidung des Studenten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/140>, abgerufen am 22.07.2024.