Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.möglichst salopp und lüderlich einherzugehen, bemüht er sich jetzt, es ihm gleich¬ möglichst salopp und lüderlich einherzugehen, bemüht er sich jetzt, es ihm gleich¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0135" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198855"/> <p xml:id="ID_367" prev="#ID_366" next="#ID_368"> möglichst salopp und lüderlich einherzugehen, bemüht er sich jetzt, es ihm gleich¬<lb/> zuthun. Auch des Burschenschafters sonst lvckenumwalltes Haupt schmückt jetzt<lb/> der „durchgezogene" Scheitel, dessen studentische Bezeichnung, als ästhetisch an¬<lb/> stößig, hier verschwiegen werden muß. Ju Leipzig existirte vor zehn Jahren eine<lb/> Burschenschaft, deren Mitglieder in „patentem" Auftreten sogar die Korps über¬<lb/> boten. Zwischen den Korps, Landsmannschaften und Verbindungen hat ein<lb/> prinzipieller Unterschied eigentlich nie bestanden; die letztern beiden nähern sich<lb/> deu erstern, bewußt oder unbewußt, gewollt oder ungewollt, mehr und mehr.<lb/> Wenn man von der konservativen Gesinnung unsrer Korps spricht, so mag man<lb/> im allgemeinen richtig beobachtet haben; doch ist dies nicht eine Folge des<lb/> Korpsprinzips, sondern der betreffenden Persönlichkeiten, die großenteils aus<lb/> konservativen Familien stammend, ihre Gesinnung auch hier nicht verleugnen.<lb/> Aus den Korps sind ebenso hervorragende Freisinnige hervorgegangen, wie be¬<lb/> deutende Konservative Burschenschafter waren. Was die vier verschiednen Ver¬<lb/> bindungsarten heute noch trennt, ist außer einigen kleinen Äußerlichkeiten und<lb/> Nebendingen lediglich der Name. Alle erstreben möglichst innige Vereinigung<lb/> ihrer Glieder, wollen das unbedingte Eintreten des einen für den andern, er¬<lb/> warten von ihren Mitgliedern Unterordnung des eignen Willens unter und<lb/> volles Eintreten für die Gemeinschaft. Man bezeichnet diese Gesinnung mit<lb/> Korpsgeist, ein Zeichen, daß sie zuerst von den Korps angestrebt worden und<lb/> in ihnen zu Hause ist. Der Verbindungsstudent gehört — in den ersten Se¬<lb/> mestern ganz besonders — der Verbindung mit seinem ganzen Thun und Denken<lb/> an. Er stellt sich vor, indem er seinem Namen den der Verbindung im Genitiv<lb/> beifügt, er hat auf seiner Visitenkarte den Zirkel der Verbindung, er verkehrt<lb/> fast nur mit Verbindungsgenossen, wenigstens wird ein öfterer Verkehr mit<lb/> andern in der Regel übel vermerkt. Ehe er die vollen Rechte eines Mitgliedes<lb/> erlangt, hat er eine Probe- und Lehrzeit durchzumachen, die sogenannte Fuchs¬<lb/> zeit, die nicht nur bestimmt ist, dem jungen Studenten gewisse unerläßlich not¬<lb/> wendige Kenntnisse (Komment, Verbinduugsstatistik, Pauksachen) beizubringen,<lb/> sondern die auch aus dem selbstbewußten, immer „üppigen" Fuchse einen gefügigen,<lb/> seine Worte und Thaten abwägenden Burschen machen soll. Der Einzelne hat<lb/> nicht nur seine eigne Ehre, sondern auch die seiner Genossen und die der Ver¬<lb/> bindung zu verteidigen, erforderlichenfalls mit der Waffe in der Hand. Sämt¬<lb/> liche genannten „Korporationen" geben unbedingte Satisfaktion, d. h. ihre<lb/> Mitglieder nehmen jede Forderung an; sie haben auch alle jetzt die Bestimmnngs-<lb/> mensur, wenn nicht dem Namen, so doch der Sache nach. Ob der eine drei, der<lb/> andre zwei, der dritte eine Mensur geschlagen haben muß, wenn er Bursch<lb/> werden will, ist gleichgiltig; ohne eine Mensur geschlagen zu haben, kann in keiner<lb/> der genannten Korporationen ein Student vollberechtigtes Mitglied werden.<lb/> Bietet sich keine Gelegenheit zur Mensur, zur „Kontrahage," so wird eben ein<lb/> Gegner durch deu Fechtchargirten bestimmt aus den Mitgliedern einer andern Ver-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0135]
möglichst salopp und lüderlich einherzugehen, bemüht er sich jetzt, es ihm gleich¬
zuthun. Auch des Burschenschafters sonst lvckenumwalltes Haupt schmückt jetzt
der „durchgezogene" Scheitel, dessen studentische Bezeichnung, als ästhetisch an¬
stößig, hier verschwiegen werden muß. Ju Leipzig existirte vor zehn Jahren eine
Burschenschaft, deren Mitglieder in „patentem" Auftreten sogar die Korps über¬
boten. Zwischen den Korps, Landsmannschaften und Verbindungen hat ein
prinzipieller Unterschied eigentlich nie bestanden; die letztern beiden nähern sich
deu erstern, bewußt oder unbewußt, gewollt oder ungewollt, mehr und mehr.
Wenn man von der konservativen Gesinnung unsrer Korps spricht, so mag man
im allgemeinen richtig beobachtet haben; doch ist dies nicht eine Folge des
Korpsprinzips, sondern der betreffenden Persönlichkeiten, die großenteils aus
konservativen Familien stammend, ihre Gesinnung auch hier nicht verleugnen.
Aus den Korps sind ebenso hervorragende Freisinnige hervorgegangen, wie be¬
deutende Konservative Burschenschafter waren. Was die vier verschiednen Ver¬
bindungsarten heute noch trennt, ist außer einigen kleinen Äußerlichkeiten und
Nebendingen lediglich der Name. Alle erstreben möglichst innige Vereinigung
ihrer Glieder, wollen das unbedingte Eintreten des einen für den andern, er¬
warten von ihren Mitgliedern Unterordnung des eignen Willens unter und
volles Eintreten für die Gemeinschaft. Man bezeichnet diese Gesinnung mit
Korpsgeist, ein Zeichen, daß sie zuerst von den Korps angestrebt worden und
in ihnen zu Hause ist. Der Verbindungsstudent gehört — in den ersten Se¬
mestern ganz besonders — der Verbindung mit seinem ganzen Thun und Denken
an. Er stellt sich vor, indem er seinem Namen den der Verbindung im Genitiv
beifügt, er hat auf seiner Visitenkarte den Zirkel der Verbindung, er verkehrt
fast nur mit Verbindungsgenossen, wenigstens wird ein öfterer Verkehr mit
andern in der Regel übel vermerkt. Ehe er die vollen Rechte eines Mitgliedes
erlangt, hat er eine Probe- und Lehrzeit durchzumachen, die sogenannte Fuchs¬
zeit, die nicht nur bestimmt ist, dem jungen Studenten gewisse unerläßlich not¬
wendige Kenntnisse (Komment, Verbinduugsstatistik, Pauksachen) beizubringen,
sondern die auch aus dem selbstbewußten, immer „üppigen" Fuchse einen gefügigen,
seine Worte und Thaten abwägenden Burschen machen soll. Der Einzelne hat
nicht nur seine eigne Ehre, sondern auch die seiner Genossen und die der Ver¬
bindung zu verteidigen, erforderlichenfalls mit der Waffe in der Hand. Sämt¬
liche genannten „Korporationen" geben unbedingte Satisfaktion, d. h. ihre
Mitglieder nehmen jede Forderung an; sie haben auch alle jetzt die Bestimmnngs-
mensur, wenn nicht dem Namen, so doch der Sache nach. Ob der eine drei, der
andre zwei, der dritte eine Mensur geschlagen haben muß, wenn er Bursch
werden will, ist gleichgiltig; ohne eine Mensur geschlagen zu haben, kann in keiner
der genannten Korporationen ein Student vollberechtigtes Mitglied werden.
Bietet sich keine Gelegenheit zur Mensur, zur „Kontrahage," so wird eben ein
Gegner durch deu Fechtchargirten bestimmt aus den Mitgliedern einer andern Ver-
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