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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Lamoens.

Darüber kann ich Euch beruhigen, erwiederte Trueba. Sofern die Herren
den König nicht bei Dom Antonio, dem Marschall, erwartet haben, den Seine
Majestät gestern zweimal besuchte, so bürge ich Euch dafür, daß sie ihn erst
vorhin erblickten. Was bei Pacheco geschehen ist, weiß ich freilich nicht. Prinz
Mulei Muhammed, der Marokkaner, der den König zu sprechen begehrte, ward
zum Marschall beschieden und verließ eine Stunde darauf die Wohnung des
Alten mit zornfunkelndem Augen. Ihr wißt, daß der König jenes maurische
Mädchen in seinen Schutz genommen hat, welches Senhor Barretv und Luis
Camoens vor zwei Tagen zur Herzogin von Braganza geleitet haben. Es ist
dieselbe, welche dem Emir aus demi Käfig von Pera Verba entfloh, und er weiß,
daß er sie nicht wieder erhalten soll.

Überläßt ihn seinem thörichten Zorn, warf der Prior leicht hin. Uns
kümmert es nicht, ob der Mohrenprinz eine Beischläferin mehr oder weniger
besitzt! Für uns ist nur wichtig, daß der König in dieser Angelegenheit einem
neuen fremden Einfluß folgt, einem Einfluß, dem wir begegnen müssen. Tretet
zum Fenster dort, Bruder Bartolomeo -- faßt den Hof scharf ins Ange, daß
wir nicht etwa vom Brunnen aus belauscht werden. Ihr aber, Bruder Mareos,
geht zur Gesellschaft zurück und gebt dem Grafen Juan Navarrete von der
spanischen Gesandtschaft einen Wink, daß er uns hier findet. Euch, Trueba,
empfehle ich, Euer Amt als des Königs Thürhüter in diesen Tagen doppelt
ernst zu nehmen, es darf niemand zum König ein- und von ihm ausgehen, den
Ihr nicht sehet.

Hochwürdiger Herr, Ihr sinnt mir Unmögliches an! Die, von welcher wir
am meisten fürchten, daß sie den König irre leite, kommt schwerlich durch jene
Thür, die ich hüte, zu unserm jungen Fürsten, lächelte Tueba.

Schämt Euch doppelt der Sünde und der Thorheit! rief der Prior und
sah den Kämmerling strafend an. Hättet Ihr Recht und Gräfin Catarina
käme insgeheim zum König, so brauchte uns das wenig zu beunruhigen. Der
König würde rasch genug Reue empfinden. Wir haben viel ernstere Sorgen
zu hegen, und es kann Euch nicht entgangen sein, daß Donna Catarina von
der Herzogin von Braganza nur zu gut beraten wird. Der Alten würde es
gefallen, Portugal eine Königin zu geben und als Schwiegermutter das Reich
zu lenken. Seine Majestät darf nicht unter solchen Einfluß geraten, wir müssen
mit allen Mitteln den Kriegszug nach Afrika beschleunigen. Und dazu werdet
Ihr Euch nach Kräften anstrengen, und jeder von Euch wird unweigerlich dus
Seinige nach unsrer Weisung thun.

Die Männer, welche um den Prior standen, neigten zustimmend das Haupt,
Senhor Trueba verriet durch eine lässige Geberde, daß er keine besondern
Hoffnungen auf die Weisungen des priesterlichen Herrn setze; da aber durch die
Vorderzimmer neue Schritte hercmklangen, so schwieg er wie die andern. Und
da sich Don Juan Navarrete in der Thür zeigte, so bedürfte es nicht einmal


Grenzboten II. 1886. 12
Lamoens.

Darüber kann ich Euch beruhigen, erwiederte Trueba. Sofern die Herren
den König nicht bei Dom Antonio, dem Marschall, erwartet haben, den Seine
Majestät gestern zweimal besuchte, so bürge ich Euch dafür, daß sie ihn erst
vorhin erblickten. Was bei Pacheco geschehen ist, weiß ich freilich nicht. Prinz
Mulei Muhammed, der Marokkaner, der den König zu sprechen begehrte, ward
zum Marschall beschieden und verließ eine Stunde darauf die Wohnung des
Alten mit zornfunkelndem Augen. Ihr wißt, daß der König jenes maurische
Mädchen in seinen Schutz genommen hat, welches Senhor Barretv und Luis
Camoens vor zwei Tagen zur Herzogin von Braganza geleitet haben. Es ist
dieselbe, welche dem Emir aus demi Käfig von Pera Verba entfloh, und er weiß,
daß er sie nicht wieder erhalten soll.

Überläßt ihn seinem thörichten Zorn, warf der Prior leicht hin. Uns
kümmert es nicht, ob der Mohrenprinz eine Beischläferin mehr oder weniger
besitzt! Für uns ist nur wichtig, daß der König in dieser Angelegenheit einem
neuen fremden Einfluß folgt, einem Einfluß, dem wir begegnen müssen. Tretet
zum Fenster dort, Bruder Bartolomeo — faßt den Hof scharf ins Ange, daß
wir nicht etwa vom Brunnen aus belauscht werden. Ihr aber, Bruder Mareos,
geht zur Gesellschaft zurück und gebt dem Grafen Juan Navarrete von der
spanischen Gesandtschaft einen Wink, daß er uns hier findet. Euch, Trueba,
empfehle ich, Euer Amt als des Königs Thürhüter in diesen Tagen doppelt
ernst zu nehmen, es darf niemand zum König ein- und von ihm ausgehen, den
Ihr nicht sehet.

Hochwürdiger Herr, Ihr sinnt mir Unmögliches an! Die, von welcher wir
am meisten fürchten, daß sie den König irre leite, kommt schwerlich durch jene
Thür, die ich hüte, zu unserm jungen Fürsten, lächelte Tueba.

Schämt Euch doppelt der Sünde und der Thorheit! rief der Prior und
sah den Kämmerling strafend an. Hättet Ihr Recht und Gräfin Catarina
käme insgeheim zum König, so brauchte uns das wenig zu beunruhigen. Der
König würde rasch genug Reue empfinden. Wir haben viel ernstere Sorgen
zu hegen, und es kann Euch nicht entgangen sein, daß Donna Catarina von
der Herzogin von Braganza nur zu gut beraten wird. Der Alten würde es
gefallen, Portugal eine Königin zu geben und als Schwiegermutter das Reich
zu lenken. Seine Majestät darf nicht unter solchen Einfluß geraten, wir müssen
mit allen Mitteln den Kriegszug nach Afrika beschleunigen. Und dazu werdet
Ihr Euch nach Kräften anstrengen, und jeder von Euch wird unweigerlich dus
Seinige nach unsrer Weisung thun.

Die Männer, welche um den Prior standen, neigten zustimmend das Haupt,
Senhor Trueba verriet durch eine lässige Geberde, daß er keine besondern
Hoffnungen auf die Weisungen des priesterlichen Herrn setze; da aber durch die
Vorderzimmer neue Schritte hercmklangen, so schwieg er wie die andern. Und
da sich Don Juan Navarrete in der Thür zeigte, so bedürfte es nicht einmal


Grenzboten II. 1886. 12
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/97>, abgerufen am 04.07.2024.