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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Aus "Österreich.

"Pester Lloyd" das dringende Bedürfnis, seine Verwunderung darüber aus-
zusprechen, daß seine Worte so verstanden worden seien, wie sie einzig zu ver¬
stehen waren, und seine unbegrenzte Bewunderung für den Erzherzog Albrecht.
Doch damit kam er schön an. Gestern noch ein Volksfreund, eine Säule der
ungarischen Freiheit, wurde er nach jenem ?atsr xsecÄvi zum "Abzug" auf¬
gefordert. Dieses Wort ist.dumm genug, um bei solchem Anlaß populär zu
werden. Abend für Abend durchziehen Horden die Straßen der Hauptstadt
und brüllen "Abzug!" Jansky, Tisza, Falk, der tote Hentzi, die gemein¬
same Armee, die Deutsche,: sollen "abziehen," die Pester Studenten und die
Hörer der verschiednen "Rechtsakademien" in Raab u. s. w. haben so verfügt.
Indessen fanden es die jungen Herren plötzlich geraten, selbst abzuziehen. Ein
Handbillet des Kaisers an den Erzherzog Albrecht sprach deutlich aus, daß an
dem Institut der gemeinsamen Armee wenigstens nicht gerüttelt werden solle,
und nnn zerfielen die Pester Vorgänge, dank einem Taschcnspielerkunststück, in
zwei ganz gesonderte Teile. Erster Teil: Janskis Taktlosigkeit, legitime Ent¬
rüstung der Nation, höchst angemessene Kundgebungen der Blüte dieser Nation
ans der Gasse und im Parlament, Rohheit und Gewaltthätigkeit der bewaffneten
Macht; zweiter Teil: gänzlich unerwartete und nicht vorauszusehende Beteiligung
unberechtigter Elemente, Exzesse, kluges und energisches Einschreiten der Polizei
und des Militärs unter wohlwollendem Zuschauen und beifälligem Lächeln der
Nation. Wer will wagen zu behaupten, daß der süße Pöbel nur uachmeutre
und in seiner Weise weiter ausführe, was Studenten und Abgeordnete ihm
vorgemacht haben? Ob derselbe Unfug von der Hoffnung des Vaterlandes
oder von Schneidergesellen getrieben wird, ist ein gewaltiger Unterschied; die
Studenten zu stören, war eine Brutalität, das Zusammenfangen von siebenhundert
Bummlern ist eine That, welche allgemeine Bewunderung verdient und findet.

So weit wäre die Sache glücklich beigelegt und es fragt sich nur noch,
was aus General Jansky wird, ob Minister Tisza es durchsetzt, daß der "taktlose"
General nicht mehr durch seine Anwesenheit die ritterlichen Gefühle der Herren
Magyaren und Juden, welche sich studirenshalber in Budapest aufhalte", verletzen
darf. Den Studenten, den Abgeordneten und andern Leuten wäre inzwischen
das Studium einer objektiven Darstellung irgendeiner Revolution zu empfehlen.
Sie würden daraus erfahren, daß mit ähnlichen Dummheiten, welchen nicht mit
ruhiger Energie entgegengetreten wurde, die schwersten Verwicklungen begonnen
haben, und daß nicht bloß 1886 und in Budapest, sondern stets und überall
die Theoretiker und Akademiker der Revolution, die Umstürzler in Glacehand¬
schuhen, sehr rasch von breitschulterigen, starkfcmfügen, entschlossncn Gestalten
beiseite geschoben werden; daß daher heutzutage die erstern nicht mehr das
Recht haben, nachher die Unschuldigen zu spielen und die Verantwortlichkeit
für die Folgen ihres Beginnens von sich abzuwälzen.




Aus «Österreich.

„Pester Lloyd" das dringende Bedürfnis, seine Verwunderung darüber aus-
zusprechen, daß seine Worte so verstanden worden seien, wie sie einzig zu ver¬
stehen waren, und seine unbegrenzte Bewunderung für den Erzherzog Albrecht.
Doch damit kam er schön an. Gestern noch ein Volksfreund, eine Säule der
ungarischen Freiheit, wurde er nach jenem ?atsr xsecÄvi zum „Abzug" auf¬
gefordert. Dieses Wort ist.dumm genug, um bei solchem Anlaß populär zu
werden. Abend für Abend durchziehen Horden die Straßen der Hauptstadt
und brüllen „Abzug!" Jansky, Tisza, Falk, der tote Hentzi, die gemein¬
same Armee, die Deutsche,: sollen „abziehen," die Pester Studenten und die
Hörer der verschiednen „Rechtsakademien" in Raab u. s. w. haben so verfügt.
Indessen fanden es die jungen Herren plötzlich geraten, selbst abzuziehen. Ein
Handbillet des Kaisers an den Erzherzog Albrecht sprach deutlich aus, daß an
dem Institut der gemeinsamen Armee wenigstens nicht gerüttelt werden solle,
und nnn zerfielen die Pester Vorgänge, dank einem Taschcnspielerkunststück, in
zwei ganz gesonderte Teile. Erster Teil: Janskis Taktlosigkeit, legitime Ent¬
rüstung der Nation, höchst angemessene Kundgebungen der Blüte dieser Nation
ans der Gasse und im Parlament, Rohheit und Gewaltthätigkeit der bewaffneten
Macht; zweiter Teil: gänzlich unerwartete und nicht vorauszusehende Beteiligung
unberechtigter Elemente, Exzesse, kluges und energisches Einschreiten der Polizei
und des Militärs unter wohlwollendem Zuschauen und beifälligem Lächeln der
Nation. Wer will wagen zu behaupten, daß der süße Pöbel nur uachmeutre
und in seiner Weise weiter ausführe, was Studenten und Abgeordnete ihm
vorgemacht haben? Ob derselbe Unfug von der Hoffnung des Vaterlandes
oder von Schneidergesellen getrieben wird, ist ein gewaltiger Unterschied; die
Studenten zu stören, war eine Brutalität, das Zusammenfangen von siebenhundert
Bummlern ist eine That, welche allgemeine Bewunderung verdient und findet.

So weit wäre die Sache glücklich beigelegt und es fragt sich nur noch,
was aus General Jansky wird, ob Minister Tisza es durchsetzt, daß der „taktlose"
General nicht mehr durch seine Anwesenheit die ritterlichen Gefühle der Herren
Magyaren und Juden, welche sich studirenshalber in Budapest aufhalte», verletzen
darf. Den Studenten, den Abgeordneten und andern Leuten wäre inzwischen
das Studium einer objektiven Darstellung irgendeiner Revolution zu empfehlen.
Sie würden daraus erfahren, daß mit ähnlichen Dummheiten, welchen nicht mit
ruhiger Energie entgegengetreten wurde, die schwersten Verwicklungen begonnen
haben, und daß nicht bloß 1886 und in Budapest, sondern stets und überall
die Theoretiker und Akademiker der Revolution, die Umstürzler in Glacehand¬
schuhen, sehr rasch von breitschulterigen, starkfcmfügen, entschlossncn Gestalten
beiseite geschoben werden; daß daher heutzutage die erstern nicht mehr das
Recht haben, nachher die Unschuldigen zu spielen und die Verantwortlichkeit
für die Folgen ihres Beginnens von sich abzuwälzen.




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[0637] Aus «Österreich. „Pester Lloyd" das dringende Bedürfnis, seine Verwunderung darüber aus- zusprechen, daß seine Worte so verstanden worden seien, wie sie einzig zu ver¬ stehen waren, und seine unbegrenzte Bewunderung für den Erzherzog Albrecht. Doch damit kam er schön an. Gestern noch ein Volksfreund, eine Säule der ungarischen Freiheit, wurde er nach jenem ?atsr xsecÄvi zum „Abzug" auf¬ gefordert. Dieses Wort ist.dumm genug, um bei solchem Anlaß populär zu werden. Abend für Abend durchziehen Horden die Straßen der Hauptstadt und brüllen „Abzug!" Jansky, Tisza, Falk, der tote Hentzi, die gemein¬ same Armee, die Deutsche,: sollen „abziehen," die Pester Studenten und die Hörer der verschiednen „Rechtsakademien" in Raab u. s. w. haben so verfügt. Indessen fanden es die jungen Herren plötzlich geraten, selbst abzuziehen. Ein Handbillet des Kaisers an den Erzherzog Albrecht sprach deutlich aus, daß an dem Institut der gemeinsamen Armee wenigstens nicht gerüttelt werden solle, und nnn zerfielen die Pester Vorgänge, dank einem Taschcnspielerkunststück, in zwei ganz gesonderte Teile. Erster Teil: Janskis Taktlosigkeit, legitime Ent¬ rüstung der Nation, höchst angemessene Kundgebungen der Blüte dieser Nation ans der Gasse und im Parlament, Rohheit und Gewaltthätigkeit der bewaffneten Macht; zweiter Teil: gänzlich unerwartete und nicht vorauszusehende Beteiligung unberechtigter Elemente, Exzesse, kluges und energisches Einschreiten der Polizei und des Militärs unter wohlwollendem Zuschauen und beifälligem Lächeln der Nation. Wer will wagen zu behaupten, daß der süße Pöbel nur uachmeutre und in seiner Weise weiter ausführe, was Studenten und Abgeordnete ihm vorgemacht haben? Ob derselbe Unfug von der Hoffnung des Vaterlandes oder von Schneidergesellen getrieben wird, ist ein gewaltiger Unterschied; die Studenten zu stören, war eine Brutalität, das Zusammenfangen von siebenhundert Bummlern ist eine That, welche allgemeine Bewunderung verdient und findet. So weit wäre die Sache glücklich beigelegt und es fragt sich nur noch, was aus General Jansky wird, ob Minister Tisza es durchsetzt, daß der „taktlose" General nicht mehr durch seine Anwesenheit die ritterlichen Gefühle der Herren Magyaren und Juden, welche sich studirenshalber in Budapest aufhalte», verletzen darf. Den Studenten, den Abgeordneten und andern Leuten wäre inzwischen das Studium einer objektiven Darstellung irgendeiner Revolution zu empfehlen. Sie würden daraus erfahren, daß mit ähnlichen Dummheiten, welchen nicht mit ruhiger Energie entgegengetreten wurde, die schwersten Verwicklungen begonnen haben, und daß nicht bloß 1886 und in Budapest, sondern stets und überall die Theoretiker und Akademiker der Revolution, die Umstürzler in Glacehand¬ schuhen, sehr rasch von breitschulterigen, starkfcmfügen, entschlossncn Gestalten beiseite geschoben werden; daß daher heutzutage die erstern nicht mehr das Recht haben, nachher die Unschuldigen zu spielen und die Verantwortlichkeit für die Folgen ihres Beginnens von sich abzuwälzen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/637>, abgerufen am 25.08.2024.