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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Die deutschen Schulen in Ungarn.

jedoch, als(!) zum Unterricht in der magyarischen Sprache längliche Lehrer in
hinreichender Zahl vorhanden sind, kann diese Vorschrift des Gesetzes nur stufen¬
weise durchgeführt werden. In jenen (!) Schulen, bei denen ein befähigter Lehrer
nicht angestellt ist, hat dieser Unterricht sofort zu beginnen, sobald ein tauglicher
Lehrer in Verwendung kommt. (!)" Das heißt doch unzweifelhaft: Solange
die vor 1872 angestellten Lehrer, die nach dem Gesetze zur Kenntnis des
Magyarischen nicht verpflichtet sind, und thatsächlich die Befähigung zu diesem
Unterrichte nicht haben, angestellt sind, soll das Magyarische nicht gelehrt werden.
Da trat nun wieder die allzeit bereite Verordnung ein, die sich durch das Gesetz
nicht beirren läßt. Im Juni 1886 verordnete der Unterrichtsminister Trcfvrt,
daß in allen den Schulen, wo des Magyarischen unkundige Lehrer angestellt
seien, Hilfslehrer für die magyarische Sprache anzustellen seien. Ein gesetzlicher
Grund hierfür fehlte gänzlich. Darum und weil es vom pädagogischen Stand¬
punkte ans geradezu unausführbar ist, erhob die evangelische Landeskirche
Augsburgischen Bekenntnisses in Siebenbürgen, deren deutsche Schulen am tiefsten
getroffen werden, dagegen Einspruch. Die Sache schien auf dem besten Wege
zur Beilegung; der Minister erledigte die Eingabe der evangelischen Landeskirche
dahin, daß -- er kennt doch die Bedürftigkeit der sächsischen Kirchengemeinden,
die ihre Schulen aus eignen Mitteln, durch Anlage erhalten -- die Hilfslehrer
bloß in denjenigen Gemeinden angestellt werden sollen, die zur Bezahlung der¬
selben das Vermögen haben, in den andern also von deren Anstellung abgesehen
werden dürfe. Aber zu derselben Zeit -- es klingt unglaublich -- läßt D. Bcmffy,
der extremste Heißsporn des Ultramagyarismns, Obergespan des Bistritz-Naß-
oder Komitats, in welchem unter einer Bevölkerung von 23 113 Deutschen und
62 048 Rumänen sich auch -- 3540 Magyaren befinden, den Verwaltungs¬
ausschuß des Komitats, welchem hierfür jede gesetzliche Kompetenz fehlt, eine
fünfprozentige Steuer auf alle diejenigen Gemeinden legen, welche Lehrer
haben, die vor 1872 angestellt und der magyarischen Sprache nicht mächtig
sind, um mit diesen Mitteln die "Hilfslehrer" zu erzwingen. Ja wer regiert
denn in dem Lande? Und was will der ganze Sturm? Als 1851 unter
Napoleon in Lothringen den deutschen Schulen das Lesen auch in französischer
Sprache und abwechselnd deutsche und französische Diktate befohlen wurden, als
das Reglement vom 30. Januar und 30. Juni 1869 für die Elementarschulen
im untern Elsaß anordnete, daß auch die Elemente der französischen Sprache
unterrichtet werden sollten, da war es anf eine Entnationalisirung jener Schulen
und der Deutschen dort abgesehen. Dasselbe geschieht in Ungarn auf Grund
eines Gesetzes, dessen Motivcnbericht sagt: "Es ist nicht die Absicht des Staates
oder der Gesetzgebung, die Nationalitäten ihrer Sprache zu berauben oder sie
auch nur darin einzuschränken." Weiter kann die offizielle Unwahrheit doch
nicht getrieben werden.

Zu derselben Zeit aber hat der Angriff auf die deutschen Schulen auch


Die deutschen Schulen in Ungarn.

jedoch, als(!) zum Unterricht in der magyarischen Sprache längliche Lehrer in
hinreichender Zahl vorhanden sind, kann diese Vorschrift des Gesetzes nur stufen¬
weise durchgeführt werden. In jenen (!) Schulen, bei denen ein befähigter Lehrer
nicht angestellt ist, hat dieser Unterricht sofort zu beginnen, sobald ein tauglicher
Lehrer in Verwendung kommt. (!)" Das heißt doch unzweifelhaft: Solange
die vor 1872 angestellten Lehrer, die nach dem Gesetze zur Kenntnis des
Magyarischen nicht verpflichtet sind, und thatsächlich die Befähigung zu diesem
Unterrichte nicht haben, angestellt sind, soll das Magyarische nicht gelehrt werden.
Da trat nun wieder die allzeit bereite Verordnung ein, die sich durch das Gesetz
nicht beirren läßt. Im Juni 1886 verordnete der Unterrichtsminister Trcfvrt,
daß in allen den Schulen, wo des Magyarischen unkundige Lehrer angestellt
seien, Hilfslehrer für die magyarische Sprache anzustellen seien. Ein gesetzlicher
Grund hierfür fehlte gänzlich. Darum und weil es vom pädagogischen Stand¬
punkte ans geradezu unausführbar ist, erhob die evangelische Landeskirche
Augsburgischen Bekenntnisses in Siebenbürgen, deren deutsche Schulen am tiefsten
getroffen werden, dagegen Einspruch. Die Sache schien auf dem besten Wege
zur Beilegung; der Minister erledigte die Eingabe der evangelischen Landeskirche
dahin, daß — er kennt doch die Bedürftigkeit der sächsischen Kirchengemeinden,
die ihre Schulen aus eignen Mitteln, durch Anlage erhalten — die Hilfslehrer
bloß in denjenigen Gemeinden angestellt werden sollen, die zur Bezahlung der¬
selben das Vermögen haben, in den andern also von deren Anstellung abgesehen
werden dürfe. Aber zu derselben Zeit — es klingt unglaublich — läßt D. Bcmffy,
der extremste Heißsporn des Ultramagyarismns, Obergespan des Bistritz-Naß-
oder Komitats, in welchem unter einer Bevölkerung von 23 113 Deutschen und
62 048 Rumänen sich auch — 3540 Magyaren befinden, den Verwaltungs¬
ausschuß des Komitats, welchem hierfür jede gesetzliche Kompetenz fehlt, eine
fünfprozentige Steuer auf alle diejenigen Gemeinden legen, welche Lehrer
haben, die vor 1872 angestellt und der magyarischen Sprache nicht mächtig
sind, um mit diesen Mitteln die „Hilfslehrer" zu erzwingen. Ja wer regiert
denn in dem Lande? Und was will der ganze Sturm? Als 1851 unter
Napoleon in Lothringen den deutschen Schulen das Lesen auch in französischer
Sprache und abwechselnd deutsche und französische Diktate befohlen wurden, als
das Reglement vom 30. Januar und 30. Juni 1869 für die Elementarschulen
im untern Elsaß anordnete, daß auch die Elemente der französischen Sprache
unterrichtet werden sollten, da war es anf eine Entnationalisirung jener Schulen
und der Deutschen dort abgesehen. Dasselbe geschieht in Ungarn auf Grund
eines Gesetzes, dessen Motivcnbericht sagt: „Es ist nicht die Absicht des Staates
oder der Gesetzgebung, die Nationalitäten ihrer Sprache zu berauben oder sie
auch nur darin einzuschränken." Weiter kann die offizielle Unwahrheit doch
nicht getrieben werden.

Zu derselben Zeit aber hat der Angriff auf die deutschen Schulen auch


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[0062] Die deutschen Schulen in Ungarn. jedoch, als(!) zum Unterricht in der magyarischen Sprache längliche Lehrer in hinreichender Zahl vorhanden sind, kann diese Vorschrift des Gesetzes nur stufen¬ weise durchgeführt werden. In jenen (!) Schulen, bei denen ein befähigter Lehrer nicht angestellt ist, hat dieser Unterricht sofort zu beginnen, sobald ein tauglicher Lehrer in Verwendung kommt. (!)" Das heißt doch unzweifelhaft: Solange die vor 1872 angestellten Lehrer, die nach dem Gesetze zur Kenntnis des Magyarischen nicht verpflichtet sind, und thatsächlich die Befähigung zu diesem Unterrichte nicht haben, angestellt sind, soll das Magyarische nicht gelehrt werden. Da trat nun wieder die allzeit bereite Verordnung ein, die sich durch das Gesetz nicht beirren läßt. Im Juni 1886 verordnete der Unterrichtsminister Trcfvrt, daß in allen den Schulen, wo des Magyarischen unkundige Lehrer angestellt seien, Hilfslehrer für die magyarische Sprache anzustellen seien. Ein gesetzlicher Grund hierfür fehlte gänzlich. Darum und weil es vom pädagogischen Stand¬ punkte ans geradezu unausführbar ist, erhob die evangelische Landeskirche Augsburgischen Bekenntnisses in Siebenbürgen, deren deutsche Schulen am tiefsten getroffen werden, dagegen Einspruch. Die Sache schien auf dem besten Wege zur Beilegung; der Minister erledigte die Eingabe der evangelischen Landeskirche dahin, daß — er kennt doch die Bedürftigkeit der sächsischen Kirchengemeinden, die ihre Schulen aus eignen Mitteln, durch Anlage erhalten — die Hilfslehrer bloß in denjenigen Gemeinden angestellt werden sollen, die zur Bezahlung der¬ selben das Vermögen haben, in den andern also von deren Anstellung abgesehen werden dürfe. Aber zu derselben Zeit — es klingt unglaublich — läßt D. Bcmffy, der extremste Heißsporn des Ultramagyarismns, Obergespan des Bistritz-Naß- oder Komitats, in welchem unter einer Bevölkerung von 23 113 Deutschen und 62 048 Rumänen sich auch — 3540 Magyaren befinden, den Verwaltungs¬ ausschuß des Komitats, welchem hierfür jede gesetzliche Kompetenz fehlt, eine fünfprozentige Steuer auf alle diejenigen Gemeinden legen, welche Lehrer haben, die vor 1872 angestellt und der magyarischen Sprache nicht mächtig sind, um mit diesen Mitteln die „Hilfslehrer" zu erzwingen. Ja wer regiert denn in dem Lande? Und was will der ganze Sturm? Als 1851 unter Napoleon in Lothringen den deutschen Schulen das Lesen auch in französischer Sprache und abwechselnd deutsche und französische Diktate befohlen wurden, als das Reglement vom 30. Januar und 30. Juni 1869 für die Elementarschulen im untern Elsaß anordnete, daß auch die Elemente der französischen Sprache unterrichtet werden sollten, da war es anf eine Entnationalisirung jener Schulen und der Deutschen dort abgesehen. Dasselbe geschieht in Ungarn auf Grund eines Gesetzes, dessen Motivcnbericht sagt: „Es ist nicht die Absicht des Staates oder der Gesetzgebung, die Nationalitäten ihrer Sprache zu berauben oder sie auch nur darin einzuschränken." Weiter kann die offizielle Unwahrheit doch nicht getrieben werden. Zu derselben Zeit aber hat der Angriff auf die deutschen Schulen auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/62>, abgerufen am 24.07.2024.