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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Minister Briihl in Schlafrock und Pantoffeln.

Komödianten, es kommt nur darauf an, daß jeder seine Rolle gut spielt. Über
Brühls Konfession heißt es in jenem Büchlein: Der Jesuit Guarini, Beichtvater
der Königin, unterstützte Brühl bei dem Sturze des viel edlern Sulkowski, wo¬
gegen Brühl katholisch wurde.

Es ist mir vor geraumer Zeit eine Anzahl teils von Brühl geschriebener,
teils an Brühl gerichteter Briefe zugestellt worden; sie sind gegenwärtig zwar
nicht mehr in meinen Händen, ich kann aus ihnen aber weiter unten einige
Bruchstücke mitteilen. Und zwar veranlaßt mich dazu die Absicht, durch diese
zumeist eiues Kommentars bedürftigen Fragmente den meinem Gesichtskreise
entrückten Besitzer jener Briefe an sein früher gegen mich ausgesprochenes Vor¬
haben zu mahnen, das Ganze nicht der Öffentlichkeit vorzuenthalten, nachdem
er inzwischen jedenfalls Zeit gefunden haben wird, die von ihm gesammelten
kvmmentirenden Notizen zu vervollständigen. Mau würde Unrecht thun, wenn
man die zwischen Brühl und den Seinigen gewechselten Briefe mit dem Ma߬
stabe messen wollte, den etwa die vor jetzt zehn Jahren veröffentlichten Bismarck-
Briefe dazu an die Hand geben könnten. Wenn Brühl dem größten Feldherrn
seiner Zeit das Lebe u auch sauer genug zu machen verstanden hat, so ist seine
staatsmümlische Kunst doch, wie nicht erst festgestellt zu werden braucht, eine
durchaus dürftige gewesen und hat nur eben ausgereicht, um immer von neuem
in das Kriegsfeucr zu blasen, wenn die Koalition gegen das aufstrebende Preußen
sich lockern zu wollen schien. Auch aus den wenigen Briefsteller, die hier zur
Mitteilung gelangen, weht den Leser etwas von geistiger Ode an, gemildert durch
einen gutmütigen Zug, wie derselbe, als von Herzen kommend oder äußerlich
dem Manne zur andern Natur geworden, sich mit seinem oben gegebnen Schatten¬
riß recht wohl verträgt. Die Briefe sind zumeist in schlechtem Französisch ge¬
schrieben, zuweilen untermischt mit deutschen Wörtern oder auch mit ganzen
deutschen Sätzen; die meisten Briefe sind an Brühls Tochter Amelie gerichtet,
sie stammen der Mehrzahl nach ans den Jahren 1759 und 1760, also aus
der Zeit des siebenjährigen Krieges, von dessen Übeln Seiten auch hie und da bei¬
läufig die Rede ist, wennschon Brühl höchstens in seinen Finanzen als freigiebig
dotirter Landbesitzer von den Drangsalen der Kriegszeit berührt wurde; reichte
der Kanonendonner doch nicht bis Warschau, wo Brühl seinem königlichen
Herrn vom Beginn bis zum Ende des Krieges getreulich Gesellschaft leistete.
Brühls Tochter vermittelte in Wien die Geschäfte mit der Kaiserin, und die von
Brühl an seine Tochter gerichteten Briefe waren häufig für die Augen der
Kaiserin berechnet. Wiederholt erwähnt er für solchen Zweck sein "ehrliches
Christentum," ohne mit deutlichen Worten zu sagen, welcher Konfession er eigent¬
lich angehöre; er möchte, scheint es, mit der Versicherung, er sei un Ironnoto
KvNinuz (nonuet et'luunms schreibt er), darüber wegschlüpfen.

Wenn die wenigen hier mitgeteilten Auszüge ihrer Mehrzahl uach nur
deshalb eine Beachtung beanspruchen können, weil bisher die Brühlschen Kor-


Minister Briihl in Schlafrock und Pantoffeln.

Komödianten, es kommt nur darauf an, daß jeder seine Rolle gut spielt. Über
Brühls Konfession heißt es in jenem Büchlein: Der Jesuit Guarini, Beichtvater
der Königin, unterstützte Brühl bei dem Sturze des viel edlern Sulkowski, wo¬
gegen Brühl katholisch wurde.

Es ist mir vor geraumer Zeit eine Anzahl teils von Brühl geschriebener,
teils an Brühl gerichteter Briefe zugestellt worden; sie sind gegenwärtig zwar
nicht mehr in meinen Händen, ich kann aus ihnen aber weiter unten einige
Bruchstücke mitteilen. Und zwar veranlaßt mich dazu die Absicht, durch diese
zumeist eiues Kommentars bedürftigen Fragmente den meinem Gesichtskreise
entrückten Besitzer jener Briefe an sein früher gegen mich ausgesprochenes Vor¬
haben zu mahnen, das Ganze nicht der Öffentlichkeit vorzuenthalten, nachdem
er inzwischen jedenfalls Zeit gefunden haben wird, die von ihm gesammelten
kvmmentirenden Notizen zu vervollständigen. Mau würde Unrecht thun, wenn
man die zwischen Brühl und den Seinigen gewechselten Briefe mit dem Ma߬
stabe messen wollte, den etwa die vor jetzt zehn Jahren veröffentlichten Bismarck-
Briefe dazu an die Hand geben könnten. Wenn Brühl dem größten Feldherrn
seiner Zeit das Lebe u auch sauer genug zu machen verstanden hat, so ist seine
staatsmümlische Kunst doch, wie nicht erst festgestellt zu werden braucht, eine
durchaus dürftige gewesen und hat nur eben ausgereicht, um immer von neuem
in das Kriegsfeucr zu blasen, wenn die Koalition gegen das aufstrebende Preußen
sich lockern zu wollen schien. Auch aus den wenigen Briefsteller, die hier zur
Mitteilung gelangen, weht den Leser etwas von geistiger Ode an, gemildert durch
einen gutmütigen Zug, wie derselbe, als von Herzen kommend oder äußerlich
dem Manne zur andern Natur geworden, sich mit seinem oben gegebnen Schatten¬
riß recht wohl verträgt. Die Briefe sind zumeist in schlechtem Französisch ge¬
schrieben, zuweilen untermischt mit deutschen Wörtern oder auch mit ganzen
deutschen Sätzen; die meisten Briefe sind an Brühls Tochter Amelie gerichtet,
sie stammen der Mehrzahl nach ans den Jahren 1759 und 1760, also aus
der Zeit des siebenjährigen Krieges, von dessen Übeln Seiten auch hie und da bei¬
läufig die Rede ist, wennschon Brühl höchstens in seinen Finanzen als freigiebig
dotirter Landbesitzer von den Drangsalen der Kriegszeit berührt wurde; reichte
der Kanonendonner doch nicht bis Warschau, wo Brühl seinem königlichen
Herrn vom Beginn bis zum Ende des Krieges getreulich Gesellschaft leistete.
Brühls Tochter vermittelte in Wien die Geschäfte mit der Kaiserin, und die von
Brühl an seine Tochter gerichteten Briefe waren häufig für die Augen der
Kaiserin berechnet. Wiederholt erwähnt er für solchen Zweck sein „ehrliches
Christentum," ohne mit deutlichen Worten zu sagen, welcher Konfession er eigent¬
lich angehöre; er möchte, scheint es, mit der Versicherung, er sei un Ironnoto
KvNinuz (nonuet et'luunms schreibt er), darüber wegschlüpfen.

Wenn die wenigen hier mitgeteilten Auszüge ihrer Mehrzahl uach nur
deshalb eine Beachtung beanspruchen können, weil bisher die Brühlschen Kor-


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[0563] Minister Briihl in Schlafrock und Pantoffeln. Komödianten, es kommt nur darauf an, daß jeder seine Rolle gut spielt. Über Brühls Konfession heißt es in jenem Büchlein: Der Jesuit Guarini, Beichtvater der Königin, unterstützte Brühl bei dem Sturze des viel edlern Sulkowski, wo¬ gegen Brühl katholisch wurde. Es ist mir vor geraumer Zeit eine Anzahl teils von Brühl geschriebener, teils an Brühl gerichteter Briefe zugestellt worden; sie sind gegenwärtig zwar nicht mehr in meinen Händen, ich kann aus ihnen aber weiter unten einige Bruchstücke mitteilen. Und zwar veranlaßt mich dazu die Absicht, durch diese zumeist eiues Kommentars bedürftigen Fragmente den meinem Gesichtskreise entrückten Besitzer jener Briefe an sein früher gegen mich ausgesprochenes Vor¬ haben zu mahnen, das Ganze nicht der Öffentlichkeit vorzuenthalten, nachdem er inzwischen jedenfalls Zeit gefunden haben wird, die von ihm gesammelten kvmmentirenden Notizen zu vervollständigen. Mau würde Unrecht thun, wenn man die zwischen Brühl und den Seinigen gewechselten Briefe mit dem Ma߬ stabe messen wollte, den etwa die vor jetzt zehn Jahren veröffentlichten Bismarck- Briefe dazu an die Hand geben könnten. Wenn Brühl dem größten Feldherrn seiner Zeit das Lebe u auch sauer genug zu machen verstanden hat, so ist seine staatsmümlische Kunst doch, wie nicht erst festgestellt zu werden braucht, eine durchaus dürftige gewesen und hat nur eben ausgereicht, um immer von neuem in das Kriegsfeucr zu blasen, wenn die Koalition gegen das aufstrebende Preußen sich lockern zu wollen schien. Auch aus den wenigen Briefsteller, die hier zur Mitteilung gelangen, weht den Leser etwas von geistiger Ode an, gemildert durch einen gutmütigen Zug, wie derselbe, als von Herzen kommend oder äußerlich dem Manne zur andern Natur geworden, sich mit seinem oben gegebnen Schatten¬ riß recht wohl verträgt. Die Briefe sind zumeist in schlechtem Französisch ge¬ schrieben, zuweilen untermischt mit deutschen Wörtern oder auch mit ganzen deutschen Sätzen; die meisten Briefe sind an Brühls Tochter Amelie gerichtet, sie stammen der Mehrzahl nach ans den Jahren 1759 und 1760, also aus der Zeit des siebenjährigen Krieges, von dessen Übeln Seiten auch hie und da bei¬ läufig die Rede ist, wennschon Brühl höchstens in seinen Finanzen als freigiebig dotirter Landbesitzer von den Drangsalen der Kriegszeit berührt wurde; reichte der Kanonendonner doch nicht bis Warschau, wo Brühl seinem königlichen Herrn vom Beginn bis zum Ende des Krieges getreulich Gesellschaft leistete. Brühls Tochter vermittelte in Wien die Geschäfte mit der Kaiserin, und die von Brühl an seine Tochter gerichteten Briefe waren häufig für die Augen der Kaiserin berechnet. Wiederholt erwähnt er für solchen Zweck sein „ehrliches Christentum," ohne mit deutlichen Worten zu sagen, welcher Konfession er eigent¬ lich angehöre; er möchte, scheint es, mit der Versicherung, er sei un Ironnoto KvNinuz (nonuet et'luunms schreibt er), darüber wegschlüpfen. Wenn die wenigen hier mitgeteilten Auszüge ihrer Mehrzahl uach nur deshalb eine Beachtung beanspruchen können, weil bisher die Brühlschen Kor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/563>, abgerufen am 02.07.2024.