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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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herzustellen. ES sind auch solche Häuser (194 bis zum Jahre 1884) gebaut
wurden. Aber dieselben sind zu teuer gewesen, und sie werden deshalb nicht,
ihrer Bestimmung gemäß, von Arbeitern, sondern von kleinen Beamten, Komp-
toiristen und ähnlichen Leuten, die zu den unbemittelten Bevölkernngsklnssen kaum
gerechnet werden können, bewohnt. Also auch hier hat der Erfolg dem vor¬
gesteckten Ziele nicht entsprochen.

Darf hiernach, wie es scheint, die Wohnungsnot unsrer Großstädte eine
Lösung nur von Unternehmungen hoffen, bei welchen die Absicht wohlzuthun
das leitende Motiv giebt, so fragt es sich, wie solche Unternehmungen ihre
Aufgabe am besten erfüllen würden. Selbstverständlich kann eS sich nicht darum
Handel", Wohnungen zu schaffen, die man den geringen Leuten gcschenkweise über¬
ließe. Damit würde diesen selbst keine Wohlthat erwiesen sein. Wohl aber
handelt es sich darum, Wohnungen, die zwar ohne allen Luxus, aber doch mit
dem notwendigsten Lebensbedarf ausgestattet sind, den armen Leuten zu Preisen
zu überlassen, die diese nach ihren Mitteln noch bezahlen können. Wird bei
Häusern dieser Art nicht ans Gewinn spekulirt, dann lassen sie sich auch uns
ganz andre Weise verwalten. Man kann die rechten Leute aussuchen, denen
man die Wohnungen gewährt. Mau kau" eine strenge Hausordnung aufstellen,
und an deren Einhaltung die Belassung der Wohnung knüpfen. So können
solche Wohnhäuser recht eigentlich zu Stätten guter Sitte und Ordnung
werden.

Musterbilder für das, was in dieser Beziehung geschehen kann, geben uns
die in London für diesen Zweck geschaffenen großen Wohuqnartiere (mulot
cKvallmg'K). Allerdings sind diese Hänser durchweg große Mietskasernen. Einzel¬
häuser für Arbeiterfamilien hat man nicht beschaffen können. Aber in jenen
Häusern ist jede Wohnung, mag sie nun ans einem, zwei, drei oder vier Räumen
bestehen, völlig abgeschlossen für sich. Jede ist mit den notwendigsten Lebens-
einrichtungen versehen. Die gemeinschaftlichen Treppen liegen meist an der
Außenseite der Hänser, wodurch Mißbräuche in deren Benutzung erschwert
werden. Für jede Häusergruppe besteht eine feste Hausordnung. Über deren
Einhaltung wird von einem Aufseher gewacht. So haben sich diese Stiftungen
im allgemeinen vortrefflich bewährt.

An der Spitze derselben stehen die 1'e!),d0Z^-LuiIcI!ug8, Häuser, die mit
dem von dem Amerikaner Peabvdy dazu gegebnen Kapital von zehn Millionen
Mark gegründet sind. Es sind in verschiednen Stadtteilen Londons siebzehn
Häuserkomplexe errichtet worden, in welchen 4551 Familien mit einer Kopfzahl
von Personen Wohnung gefunden haben. Der Zudrang zu diesen
Wohnungen ist sehr groß. Außerdem besteht noch eine Anzahl von Bau¬
gesellschaften (UuilctinA-Lomximio"), die, wem? sie auch auf Verzinsung ihres
Kapitals nicht gänzlich verzichten, doch von vornherein nnr einen sehr mäßigen
Zins ins Auge gefaßt haben und im wesentlichen humanitäre Zwecke verfolgen.


herzustellen. ES sind auch solche Häuser (194 bis zum Jahre 1884) gebaut
wurden. Aber dieselben sind zu teuer gewesen, und sie werden deshalb nicht,
ihrer Bestimmung gemäß, von Arbeitern, sondern von kleinen Beamten, Komp-
toiristen und ähnlichen Leuten, die zu den unbemittelten Bevölkernngsklnssen kaum
gerechnet werden können, bewohnt. Also auch hier hat der Erfolg dem vor¬
gesteckten Ziele nicht entsprochen.

Darf hiernach, wie es scheint, die Wohnungsnot unsrer Großstädte eine
Lösung nur von Unternehmungen hoffen, bei welchen die Absicht wohlzuthun
das leitende Motiv giebt, so fragt es sich, wie solche Unternehmungen ihre
Aufgabe am besten erfüllen würden. Selbstverständlich kann eS sich nicht darum
Handel», Wohnungen zu schaffen, die man den geringen Leuten gcschenkweise über¬
ließe. Damit würde diesen selbst keine Wohlthat erwiesen sein. Wohl aber
handelt es sich darum, Wohnungen, die zwar ohne allen Luxus, aber doch mit
dem notwendigsten Lebensbedarf ausgestattet sind, den armen Leuten zu Preisen
zu überlassen, die diese nach ihren Mitteln noch bezahlen können. Wird bei
Häusern dieser Art nicht ans Gewinn spekulirt, dann lassen sie sich auch uns
ganz andre Weise verwalten. Man kann die rechten Leute aussuchen, denen
man die Wohnungen gewährt. Mau kau» eine strenge Hausordnung aufstellen,
und an deren Einhaltung die Belassung der Wohnung knüpfen. So können
solche Wohnhäuser recht eigentlich zu Stätten guter Sitte und Ordnung
werden.

Musterbilder für das, was in dieser Beziehung geschehen kann, geben uns
die in London für diesen Zweck geschaffenen großen Wohuqnartiere (mulot
cKvallmg'K). Allerdings sind diese Hänser durchweg große Mietskasernen. Einzel¬
häuser für Arbeiterfamilien hat man nicht beschaffen können. Aber in jenen
Häusern ist jede Wohnung, mag sie nun ans einem, zwei, drei oder vier Räumen
bestehen, völlig abgeschlossen für sich. Jede ist mit den notwendigsten Lebens-
einrichtungen versehen. Die gemeinschaftlichen Treppen liegen meist an der
Außenseite der Hänser, wodurch Mißbräuche in deren Benutzung erschwert
werden. Für jede Häusergruppe besteht eine feste Hausordnung. Über deren
Einhaltung wird von einem Aufseher gewacht. So haben sich diese Stiftungen
im allgemeinen vortrefflich bewährt.

An der Spitze derselben stehen die 1'e!),d0Z^-LuiIcI!ug8, Häuser, die mit
dem von dem Amerikaner Peabvdy dazu gegebnen Kapital von zehn Millionen
Mark gegründet sind. Es sind in verschiednen Stadtteilen Londons siebzehn
Häuserkomplexe errichtet worden, in welchen 4551 Familien mit einer Kopfzahl
von Personen Wohnung gefunden haben. Der Zudrang zu diesen
Wohnungen ist sehr groß. Außerdem besteht noch eine Anzahl von Bau¬
gesellschaften (UuilctinA-Lomximio«), die, wem? sie auch auf Verzinsung ihres
Kapitals nicht gänzlich verzichten, doch von vornherein nnr einen sehr mäßigen
Zins ins Auge gefaßt haben und im wesentlichen humanitäre Zwecke verfolgen.


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[0526] herzustellen. ES sind auch solche Häuser (194 bis zum Jahre 1884) gebaut wurden. Aber dieselben sind zu teuer gewesen, und sie werden deshalb nicht, ihrer Bestimmung gemäß, von Arbeitern, sondern von kleinen Beamten, Komp- toiristen und ähnlichen Leuten, die zu den unbemittelten Bevölkernngsklnssen kaum gerechnet werden können, bewohnt. Also auch hier hat der Erfolg dem vor¬ gesteckten Ziele nicht entsprochen. Darf hiernach, wie es scheint, die Wohnungsnot unsrer Großstädte eine Lösung nur von Unternehmungen hoffen, bei welchen die Absicht wohlzuthun das leitende Motiv giebt, so fragt es sich, wie solche Unternehmungen ihre Aufgabe am besten erfüllen würden. Selbstverständlich kann eS sich nicht darum Handel», Wohnungen zu schaffen, die man den geringen Leuten gcschenkweise über¬ ließe. Damit würde diesen selbst keine Wohlthat erwiesen sein. Wohl aber handelt es sich darum, Wohnungen, die zwar ohne allen Luxus, aber doch mit dem notwendigsten Lebensbedarf ausgestattet sind, den armen Leuten zu Preisen zu überlassen, die diese nach ihren Mitteln noch bezahlen können. Wird bei Häusern dieser Art nicht ans Gewinn spekulirt, dann lassen sie sich auch uns ganz andre Weise verwalten. Man kann die rechten Leute aussuchen, denen man die Wohnungen gewährt. Mau kau» eine strenge Hausordnung aufstellen, und an deren Einhaltung die Belassung der Wohnung knüpfen. So können solche Wohnhäuser recht eigentlich zu Stätten guter Sitte und Ordnung werden. Musterbilder für das, was in dieser Beziehung geschehen kann, geben uns die in London für diesen Zweck geschaffenen großen Wohuqnartiere (mulot cKvallmg'K). Allerdings sind diese Hänser durchweg große Mietskasernen. Einzel¬ häuser für Arbeiterfamilien hat man nicht beschaffen können. Aber in jenen Häusern ist jede Wohnung, mag sie nun ans einem, zwei, drei oder vier Räumen bestehen, völlig abgeschlossen für sich. Jede ist mit den notwendigsten Lebens- einrichtungen versehen. Die gemeinschaftlichen Treppen liegen meist an der Außenseite der Hänser, wodurch Mißbräuche in deren Benutzung erschwert werden. Für jede Häusergruppe besteht eine feste Hausordnung. Über deren Einhaltung wird von einem Aufseher gewacht. So haben sich diese Stiftungen im allgemeinen vortrefflich bewährt. An der Spitze derselben stehen die 1'e!),d0Z^-LuiIcI!ug8, Häuser, die mit dem von dem Amerikaner Peabvdy dazu gegebnen Kapital von zehn Millionen Mark gegründet sind. Es sind in verschiednen Stadtteilen Londons siebzehn Häuserkomplexe errichtet worden, in welchen 4551 Familien mit einer Kopfzahl von Personen Wohnung gefunden haben. Der Zudrang zu diesen Wohnungen ist sehr groß. Außerdem besteht noch eine Anzahl von Bau¬ gesellschaften (UuilctinA-Lomximio«), die, wem? sie auch auf Verzinsung ihres Kapitals nicht gänzlich verzichten, doch von vornherein nnr einen sehr mäßigen Zins ins Auge gefaßt haben und im wesentlichen humanitäre Zwecke verfolgen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/526>, abgerufen am 25.07.2024.