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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Frankreich und die Orleans.

tragen, sie für künftige Fälle zu einer ähnlichen Maßregelung zu bevollmäch¬
tigen, die aber einen allgemeinern Charakter tragen und alle Prinzen einschließen
würde. Die Art und Weise, wie die Demonstration vom 15. Mai in Szene
gesetzt und dann von der monarchischen Presse dargestellt wurde, bleibt, was
man auch sage, eine Unklugheit, die sich rächen wird. Die Regierung aber wird
dem Bestreben der Heißsporne nach Möglichkeit die Spitze umzubiegen und zu¬
nächst Zeit zu gewinnen suchen, indem sie die Kammern mit praktischen Fragen
beschäftigt. Die Freunde der Orleans, die großen Finanzmänner, werden das
ihrige thun, den Ministern diese Ableitung der Republikaner von der heikeln
Angelegenheit zu erleichtern, und so werden Gewaltschritte vermutlich wie früher
vertagt werden. Schon nach den letzten Deputirtenwahlen waren die Oppor¬
tunisten, die ihre Verluste nicht ihrer Politik in Tonking, sondern dem großen
Portemonnaie des Hauses Orleans zuschrieben, sehr geneigt, die unbequeme"
Prinzen über die Grenze zu schicken, aber Grevy versagte seine Einwillign"",
dazu, vielleicht weil er doktrinären Abscheu vor Ausnahmemaßregelu empfand,
vielleicht weil er mit den Prinzen nicht zugleich das monarchische Prinzip aus¬
weisen zu können glaubte, vielleicht auch, weil er die ini Grunde weder durch
Intelligenz uoch durch Energie sich auszeichnenden, also persönlich unbedeutenden
Kronprätendenten weniger fürchtete als gewisse Präsidentschaftsprätendeuten. und
weil er jene im Stillen als eine Art Gegengewicht gegen diese letztem erhalten
zu sehen wünschte. Als später der Monarchist Lanjuüims bei der Wahlprüfung
in der Kammer sich den unüberlegten Zwischenruf entschlüpfen ließ: "Wenn
wir Frankreich von der Republik befreit haben," gab er damit Anlaß zu neuen
Verbannungsabsichten, die auch in Gestalt von Anträgen vor die Abgeordneten
traten, die Frehcinet aber dadurch beseitigte, daß er die Erklärung abgab,
er betrachte die Allsweisung der Prätendenten als ein Recht der Regierung
und sei im Falle einer Gefahr Mann genug dazu, dieses Recht rücksichtslos
zur Anwendung zu bringen. Jetzt provozirteu die Monarchisten die Republi¬
kaner von neuem, aber wenn die Entrüstung der letztern über das Hotel Galliera
und dessen dreiste Freunde anfangs sehr groß war, so hat sich der erste Sturm
der republikanischen Presse in diesem Augenblicke schon gelegt, und die meisten
Blätter raten zu kaltblütigen und maßvollen Verfahren. Nur der Zorn der
radikalen Blätter wütet uoch weiter, und Nochcforts InwmÄAvAit, greift auch
deu Präsidenten der Republik in seiner gewohnten Sprache an. "Man muß
gestehen -- sagt der rote Marquis -- daß dieser alte Schwachkopf Grcvy ganz
besonders viel Unglück hat, wenn er einmal sein gewöhnliches Schweigen unter¬
bricht, welches bei ihm im allgemeinen von Armut an Gedanken herrührt. Er
fördert dann nur dummes Zeug zu Tage. Wie sollte man von ihm erwarten,
er werde die Prinzen zum Lande Hinansjagen, deren Thronbesteigung er so¬
eben gefeiert hat?" Dergleichen wüstes Gerede wird jetzt kaum noch wirken,
wenigstens nicht ans die Regierung und die Kammer. Eher wird man Jules


Frankreich und die Orleans.

tragen, sie für künftige Fälle zu einer ähnlichen Maßregelung zu bevollmäch¬
tigen, die aber einen allgemeinern Charakter tragen und alle Prinzen einschließen
würde. Die Art und Weise, wie die Demonstration vom 15. Mai in Szene
gesetzt und dann von der monarchischen Presse dargestellt wurde, bleibt, was
man auch sage, eine Unklugheit, die sich rächen wird. Die Regierung aber wird
dem Bestreben der Heißsporne nach Möglichkeit die Spitze umzubiegen und zu¬
nächst Zeit zu gewinnen suchen, indem sie die Kammern mit praktischen Fragen
beschäftigt. Die Freunde der Orleans, die großen Finanzmänner, werden das
ihrige thun, den Ministern diese Ableitung der Republikaner von der heikeln
Angelegenheit zu erleichtern, und so werden Gewaltschritte vermutlich wie früher
vertagt werden. Schon nach den letzten Deputirtenwahlen waren die Oppor¬
tunisten, die ihre Verluste nicht ihrer Politik in Tonking, sondern dem großen
Portemonnaie des Hauses Orleans zuschrieben, sehr geneigt, die unbequeme»
Prinzen über die Grenze zu schicken, aber Grevy versagte seine Einwillign»«,
dazu, vielleicht weil er doktrinären Abscheu vor Ausnahmemaßregelu empfand,
vielleicht weil er mit den Prinzen nicht zugleich das monarchische Prinzip aus¬
weisen zu können glaubte, vielleicht auch, weil er die ini Grunde weder durch
Intelligenz uoch durch Energie sich auszeichnenden, also persönlich unbedeutenden
Kronprätendenten weniger fürchtete als gewisse Präsidentschaftsprätendeuten. und
weil er jene im Stillen als eine Art Gegengewicht gegen diese letztem erhalten
zu sehen wünschte. Als später der Monarchist Lanjuüims bei der Wahlprüfung
in der Kammer sich den unüberlegten Zwischenruf entschlüpfen ließ: „Wenn
wir Frankreich von der Republik befreit haben," gab er damit Anlaß zu neuen
Verbannungsabsichten, die auch in Gestalt von Anträgen vor die Abgeordneten
traten, die Frehcinet aber dadurch beseitigte, daß er die Erklärung abgab,
er betrachte die Allsweisung der Prätendenten als ein Recht der Regierung
und sei im Falle einer Gefahr Mann genug dazu, dieses Recht rücksichtslos
zur Anwendung zu bringen. Jetzt provozirteu die Monarchisten die Republi¬
kaner von neuem, aber wenn die Entrüstung der letztern über das Hotel Galliera
und dessen dreiste Freunde anfangs sehr groß war, so hat sich der erste Sturm
der republikanischen Presse in diesem Augenblicke schon gelegt, und die meisten
Blätter raten zu kaltblütigen und maßvollen Verfahren. Nur der Zorn der
radikalen Blätter wütet uoch weiter, und Nochcforts InwmÄAvAit, greift auch
deu Präsidenten der Republik in seiner gewohnten Sprache an. „Man muß
gestehen — sagt der rote Marquis — daß dieser alte Schwachkopf Grcvy ganz
besonders viel Unglück hat, wenn er einmal sein gewöhnliches Schweigen unter¬
bricht, welches bei ihm im allgemeinen von Armut an Gedanken herrührt. Er
fördert dann nur dummes Zeug zu Tage. Wie sollte man von ihm erwarten,
er werde die Prinzen zum Lande Hinansjagen, deren Thronbesteigung er so¬
eben gefeiert hat?" Dergleichen wüstes Gerede wird jetzt kaum noch wirken,
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[0488] Frankreich und die Orleans. tragen, sie für künftige Fälle zu einer ähnlichen Maßregelung zu bevollmäch¬ tigen, die aber einen allgemeinern Charakter tragen und alle Prinzen einschließen würde. Die Art und Weise, wie die Demonstration vom 15. Mai in Szene gesetzt und dann von der monarchischen Presse dargestellt wurde, bleibt, was man auch sage, eine Unklugheit, die sich rächen wird. Die Regierung aber wird dem Bestreben der Heißsporne nach Möglichkeit die Spitze umzubiegen und zu¬ nächst Zeit zu gewinnen suchen, indem sie die Kammern mit praktischen Fragen beschäftigt. Die Freunde der Orleans, die großen Finanzmänner, werden das ihrige thun, den Ministern diese Ableitung der Republikaner von der heikeln Angelegenheit zu erleichtern, und so werden Gewaltschritte vermutlich wie früher vertagt werden. Schon nach den letzten Deputirtenwahlen waren die Oppor¬ tunisten, die ihre Verluste nicht ihrer Politik in Tonking, sondern dem großen Portemonnaie des Hauses Orleans zuschrieben, sehr geneigt, die unbequeme» Prinzen über die Grenze zu schicken, aber Grevy versagte seine Einwillign»«, dazu, vielleicht weil er doktrinären Abscheu vor Ausnahmemaßregelu empfand, vielleicht weil er mit den Prinzen nicht zugleich das monarchische Prinzip aus¬ weisen zu können glaubte, vielleicht auch, weil er die ini Grunde weder durch Intelligenz uoch durch Energie sich auszeichnenden, also persönlich unbedeutenden Kronprätendenten weniger fürchtete als gewisse Präsidentschaftsprätendeuten. und weil er jene im Stillen als eine Art Gegengewicht gegen diese letztem erhalten zu sehen wünschte. Als später der Monarchist Lanjuüims bei der Wahlprüfung in der Kammer sich den unüberlegten Zwischenruf entschlüpfen ließ: „Wenn wir Frankreich von der Republik befreit haben," gab er damit Anlaß zu neuen Verbannungsabsichten, die auch in Gestalt von Anträgen vor die Abgeordneten traten, die Frehcinet aber dadurch beseitigte, daß er die Erklärung abgab, er betrachte die Allsweisung der Prätendenten als ein Recht der Regierung und sei im Falle einer Gefahr Mann genug dazu, dieses Recht rücksichtslos zur Anwendung zu bringen. Jetzt provozirteu die Monarchisten die Republi¬ kaner von neuem, aber wenn die Entrüstung der letztern über das Hotel Galliera und dessen dreiste Freunde anfangs sehr groß war, so hat sich der erste Sturm der republikanischen Presse in diesem Augenblicke schon gelegt, und die meisten Blätter raten zu kaltblütigen und maßvollen Verfahren. Nur der Zorn der radikalen Blätter wütet uoch weiter, und Nochcforts InwmÄAvAit, greift auch deu Präsidenten der Republik in seiner gewohnten Sprache an. „Man muß gestehen — sagt der rote Marquis — daß dieser alte Schwachkopf Grcvy ganz besonders viel Unglück hat, wenn er einmal sein gewöhnliches Schweigen unter¬ bricht, welches bei ihm im allgemeinen von Armut an Gedanken herrührt. Er fördert dann nur dummes Zeug zu Tage. Wie sollte man von ihm erwarten, er werde die Prinzen zum Lande Hinansjagen, deren Thronbesteigung er so¬ eben gefeiert hat?" Dergleichen wüstes Gerede wird jetzt kaum noch wirken, wenigstens nicht ans die Regierung und die Kammer. Eher wird man Jules

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/488>, abgerufen am 24.07.2024.