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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Polentum und Deutschtum in der Provinz Posen.

ausgesprochenem Ziele schöpferisch vor! An geeigneten Vorschlägen aus der
Provinz heraus hat es in dieser Beziehung schon seither nicht gefehlt.

Der Kampf zwischen Polentum und Deutschtum ist für die Polen ein
wirtschaftlicher und politischer, da sie mit ihrer fortschreitenden wirtschaftlichen
Entwicklung auch fortgesetzt neue Anhänger für ihre Partei und damit auch
allmählich der polnischen Nationalität neue Bürger erwerben. Für das Deutsch¬
tum als solches ist der Kampf eigentlich nur ein wirtschaftlicher, da die Ger-
manisirung polnischer Staatsangehörigen innerhalb der polnische" Landesteile
ausgeschlossen ist. Es ist deshalb eine richtige Taktik der preußischen Staats¬
regierung, ihre Machtmittel vorzugsweise auf wirtschaftlichem Gebiete zu ver¬
stärken, ein Verfahren, gegen welches auch der sittenstrengste Politiker, wenn
er nur eine Spur von Stammesinteresse für seine deutschen Brüder in den
Ostmarken hat, einen sittlichen Einwand nicht erheben kann. Hoffen wir,
daß es der preußischen Staatsregierung gelingen werde, für die Lösung der
großen politischen Aufgabe Männer zu finden, die mit weitem Blick, mit Takt,
mit nachhaltiger, ruhiger Willenskraft, mit voller Kenntnis der wirtschaftlichen
und politischen Verhältnisse des Landes, mit aufrichtigem, allem persönlichen
Beifallsbedürfnis fernstehenden sachverständigen Eifer und mit geistiger und
körperlicher Frische ihr vielseitiges Amt zu führen imstande sind. Nur Müuuer,
die nicht bloß vom grünen Tisch verfügen, sondern auch befähigt sind, draußen
auf der Scholle zu prüfen und anzuordnen, die bereits den Beweis geliefert
haben, daß sie imstande sind, aufzubauen und zu schaffen, werden wirtschaftliche
und damit politische Erfolge erreichen.

Dem Polentum kann man nur zurufen: In, voulu! Sein patriotischer
Eifer war größer als seine staatsmännische Einsicht. Den endlosen systematischen
Angriffen der polnischen Agitation gegenüber konnte der Staat nicht länger Ge¬
wehr bei Fuß stehen -- er ist zum Kampfe gedrängt worden. Weise Staatsmänner
-- und vielleicht erwachen allmählich solche unter den Polen -- pflegen sich
in solchen Fällen in "haltbare" Positionen zurückzuziehen oder abzurüsten.

Die Polen selbst werden schon in kürzester Zeit einsehen, daß ihnen mit
dem beabsichtigten Ankauf polnischer Güter zunächst ein enormer wirtschaftlicher
Vorteil gehste" ist, und es lediglich von ihnen selbst abhängen wird, ob hieraus
eine Schädigung ihrer berechtigten nationalen Interessen erwächst. Zunächst
wird die königliche Staatsregierung nur von denjenigen Besitzern kaufen und
kaufen können, welche sich in ihrem Besitz nicht mehr zu halten vermögen. Wenn
aber solche Besitzer vom Staate ausgekauft werden, so liegt dies im dringendsten
Interesse desjenigen Teiles der polnischen Gesellschaft, welcher noch wirtschaftlich
lebensfähig ist, denn selbst die opferfreudigste Hingebung jener festfundirten
Kreise des Polentums wird auf die Länge nicht imstande sein, die finanziell
gesunkenen Landsleute zu halten; letztere werden dagegen durch rechtzeitigen
Verkauf in vielen Fällen in die Lage gesetzt sein, sich unter bescheideneren und


Polentum und Deutschtum in der Provinz Posen.

ausgesprochenem Ziele schöpferisch vor! An geeigneten Vorschlägen aus der
Provinz heraus hat es in dieser Beziehung schon seither nicht gefehlt.

Der Kampf zwischen Polentum und Deutschtum ist für die Polen ein
wirtschaftlicher und politischer, da sie mit ihrer fortschreitenden wirtschaftlichen
Entwicklung auch fortgesetzt neue Anhänger für ihre Partei und damit auch
allmählich der polnischen Nationalität neue Bürger erwerben. Für das Deutsch¬
tum als solches ist der Kampf eigentlich nur ein wirtschaftlicher, da die Ger-
manisirung polnischer Staatsangehörigen innerhalb der polnische» Landesteile
ausgeschlossen ist. Es ist deshalb eine richtige Taktik der preußischen Staats¬
regierung, ihre Machtmittel vorzugsweise auf wirtschaftlichem Gebiete zu ver¬
stärken, ein Verfahren, gegen welches auch der sittenstrengste Politiker, wenn
er nur eine Spur von Stammesinteresse für seine deutschen Brüder in den
Ostmarken hat, einen sittlichen Einwand nicht erheben kann. Hoffen wir,
daß es der preußischen Staatsregierung gelingen werde, für die Lösung der
großen politischen Aufgabe Männer zu finden, die mit weitem Blick, mit Takt,
mit nachhaltiger, ruhiger Willenskraft, mit voller Kenntnis der wirtschaftlichen
und politischen Verhältnisse des Landes, mit aufrichtigem, allem persönlichen
Beifallsbedürfnis fernstehenden sachverständigen Eifer und mit geistiger und
körperlicher Frische ihr vielseitiges Amt zu führen imstande sind. Nur Müuuer,
die nicht bloß vom grünen Tisch verfügen, sondern auch befähigt sind, draußen
auf der Scholle zu prüfen und anzuordnen, die bereits den Beweis geliefert
haben, daß sie imstande sind, aufzubauen und zu schaffen, werden wirtschaftliche
und damit politische Erfolge erreichen.

Dem Polentum kann man nur zurufen: In, voulu! Sein patriotischer
Eifer war größer als seine staatsmännische Einsicht. Den endlosen systematischen
Angriffen der polnischen Agitation gegenüber konnte der Staat nicht länger Ge¬
wehr bei Fuß stehen — er ist zum Kampfe gedrängt worden. Weise Staatsmänner
— und vielleicht erwachen allmählich solche unter den Polen — pflegen sich
in solchen Fällen in „haltbare" Positionen zurückzuziehen oder abzurüsten.

Die Polen selbst werden schon in kürzester Zeit einsehen, daß ihnen mit
dem beabsichtigten Ankauf polnischer Güter zunächst ein enormer wirtschaftlicher
Vorteil gehste» ist, und es lediglich von ihnen selbst abhängen wird, ob hieraus
eine Schädigung ihrer berechtigten nationalen Interessen erwächst. Zunächst
wird die königliche Staatsregierung nur von denjenigen Besitzern kaufen und
kaufen können, welche sich in ihrem Besitz nicht mehr zu halten vermögen. Wenn
aber solche Besitzer vom Staate ausgekauft werden, so liegt dies im dringendsten
Interesse desjenigen Teiles der polnischen Gesellschaft, welcher noch wirtschaftlich
lebensfähig ist, denn selbst die opferfreudigste Hingebung jener festfundirten
Kreise des Polentums wird auf die Länge nicht imstande sein, die finanziell
gesunkenen Landsleute zu halten; letztere werden dagegen durch rechtzeitigen
Verkauf in vielen Fällen in die Lage gesetzt sein, sich unter bescheideneren und


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[0460] Polentum und Deutschtum in der Provinz Posen. ausgesprochenem Ziele schöpferisch vor! An geeigneten Vorschlägen aus der Provinz heraus hat es in dieser Beziehung schon seither nicht gefehlt. Der Kampf zwischen Polentum und Deutschtum ist für die Polen ein wirtschaftlicher und politischer, da sie mit ihrer fortschreitenden wirtschaftlichen Entwicklung auch fortgesetzt neue Anhänger für ihre Partei und damit auch allmählich der polnischen Nationalität neue Bürger erwerben. Für das Deutsch¬ tum als solches ist der Kampf eigentlich nur ein wirtschaftlicher, da die Ger- manisirung polnischer Staatsangehörigen innerhalb der polnische» Landesteile ausgeschlossen ist. Es ist deshalb eine richtige Taktik der preußischen Staats¬ regierung, ihre Machtmittel vorzugsweise auf wirtschaftlichem Gebiete zu ver¬ stärken, ein Verfahren, gegen welches auch der sittenstrengste Politiker, wenn er nur eine Spur von Stammesinteresse für seine deutschen Brüder in den Ostmarken hat, einen sittlichen Einwand nicht erheben kann. Hoffen wir, daß es der preußischen Staatsregierung gelingen werde, für die Lösung der großen politischen Aufgabe Männer zu finden, die mit weitem Blick, mit Takt, mit nachhaltiger, ruhiger Willenskraft, mit voller Kenntnis der wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse des Landes, mit aufrichtigem, allem persönlichen Beifallsbedürfnis fernstehenden sachverständigen Eifer und mit geistiger und körperlicher Frische ihr vielseitiges Amt zu führen imstande sind. Nur Müuuer, die nicht bloß vom grünen Tisch verfügen, sondern auch befähigt sind, draußen auf der Scholle zu prüfen und anzuordnen, die bereits den Beweis geliefert haben, daß sie imstande sind, aufzubauen und zu schaffen, werden wirtschaftliche und damit politische Erfolge erreichen. Dem Polentum kann man nur zurufen: In, voulu! Sein patriotischer Eifer war größer als seine staatsmännische Einsicht. Den endlosen systematischen Angriffen der polnischen Agitation gegenüber konnte der Staat nicht länger Ge¬ wehr bei Fuß stehen — er ist zum Kampfe gedrängt worden. Weise Staatsmänner — und vielleicht erwachen allmählich solche unter den Polen — pflegen sich in solchen Fällen in „haltbare" Positionen zurückzuziehen oder abzurüsten. Die Polen selbst werden schon in kürzester Zeit einsehen, daß ihnen mit dem beabsichtigten Ankauf polnischer Güter zunächst ein enormer wirtschaftlicher Vorteil gehste» ist, und es lediglich von ihnen selbst abhängen wird, ob hieraus eine Schädigung ihrer berechtigten nationalen Interessen erwächst. Zunächst wird die königliche Staatsregierung nur von denjenigen Besitzern kaufen und kaufen können, welche sich in ihrem Besitz nicht mehr zu halten vermögen. Wenn aber solche Besitzer vom Staate ausgekauft werden, so liegt dies im dringendsten Interesse desjenigen Teiles der polnischen Gesellschaft, welcher noch wirtschaftlich lebensfähig ist, denn selbst die opferfreudigste Hingebung jener festfundirten Kreise des Polentums wird auf die Länge nicht imstande sein, die finanziell gesunkenen Landsleute zu halten; letztere werden dagegen durch rechtzeitigen Verkauf in vielen Fällen in die Lage gesetzt sein, sich unter bescheideneren und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/460>, abgerufen am 28.09.2024.