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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Der Kampf der deutschen Nationalität mit fremden Kulturen.

Verwandter die Anschauungen Roms zu den seinigen machte, er hatte auch seine
Dienstbcflisfcnheit zu beweisen, indem er alles Nationale in seiner Heimat de-
nunzirte oder auf Leben und Tod bekämpfte. Verloren war, wer es wagte,
für die Selbständigkeit, die Eigenartigkeit und den Besitz seiner Volksgenossen
einzutreten, er mußte das Verbrechen, seineu Überzeugungen gemäß zu leben,
mit dem Tode durch Henkershand büßen, wenn er nicht in Gnaden nach Rom
geschleppt und zu einem elenden Sklavenleben unter der Aufsicht der Gerichte
verurteilt wurde, oder er mußte in der Wüste, in den Steppen Jnnerasiens,
in den rauhen Schluchten des Sehthenlandes Schutz suchen. So war es schon,
als Flaminius, die Scipionen und Anilins Parkins, der Sieger von Pydna,
Griechenland, Kleinasien und Syrien knechteten. Während des Verfalles der
Optimateuherrschaft hatte der Provinzielle wenigstens die Genugthuung, einer
der kämpfenden Parteien seine Dienste widmen zu könne", und unter den Kaisern
wurde doch der materielle Wohlstand der Provinzen etwas mehr berücksichtigt.
Aber überall saß der römische Bürger mit feinem Selbstbewußtsein und seinen
Ansprüchen mitten unter den armen, ihrer Nationalität beraubten Eingebornen.
Es ist wahr, die damalige Kulturwelt verdiente es meistenteils, so behandelt zu
werden. Die Griechen, die Orientalen waren tief in Sittenlosigkeit, Partei-
hnder und Feigheit hinabgesunken, weder die halbwilden Iberer und Lusitanicr
in Spanien, noch die ruhelosen, in viele kleinen Stämme aufgelösten Gallier
waren fähig, ein gesundes Staatsleben zu schaffen; auch fragt es sich, wie es
in der Welt aussahe, wenn die Karthager gesiegt hätten. Aber was konnten
die Römer in und mit der Kultur, die sie den unterjochten Völkern aufdrängten,
als Ersatz für die Verlorne Freiheit und Nationalität bieten? Ihr starres
Recht, das für die römischen Bürger Privilegien, für alle andern Ruten und
Beile hatte? Ihr geordnetes Heerwesen, das niemandem die Freiheit, immer
nur die Knechtschaft brachte? Ihre Gewerbe, die sie durch Sklavenhände zum
Fabrikbetriebe erhoben? Ihre starre und zugleich so hinterlistige Stadtpolitik?
Wer für das Römertnm schwärmt, mag darin etwas Eigenartiges und eine
besondre Kraftentwicklung finden, die sittliche Größe muß er hinzudichten.
Und in allein andern, was auch zur Kultur gehört, in Religion, Sitte, Wissen¬
schaft und Kunst, waren sie unselbständiger als die meisten der unterjochten
Völker. Ihre Religion war ein kaltes, äußerliches Zeremoniell, ans Brocken
andrer Kulte zusammengewürfelt, ihre alten einfachen Sitten verfielen bald und
in erschreckender Weise, ihre Wissenschaft, ihre Kunst war wenig mehr als eine
unbeholfene Nachahmung des Griechischen. Man hört oft, die Römer hätten
sich vom griechischen Geiste durchdringen lassen, und bekräftigt dies mit der
landläufige" Sentenz: Der Sieger lernt vom Besiegten. So unumstößlich ist
diese angebliche geschichtliche Thatsache nun doch nicht. Wohl eignet sich der
Sieger etwas von der höhern Kultur des Besiegten an, aber mir so viel, als
er braucht, um äußerlich damit zu prunken, er betrachtet die vollkommenere Like--


Der Kampf der deutschen Nationalität mit fremden Kulturen.

Verwandter die Anschauungen Roms zu den seinigen machte, er hatte auch seine
Dienstbcflisfcnheit zu beweisen, indem er alles Nationale in seiner Heimat de-
nunzirte oder auf Leben und Tod bekämpfte. Verloren war, wer es wagte,
für die Selbständigkeit, die Eigenartigkeit und den Besitz seiner Volksgenossen
einzutreten, er mußte das Verbrechen, seineu Überzeugungen gemäß zu leben,
mit dem Tode durch Henkershand büßen, wenn er nicht in Gnaden nach Rom
geschleppt und zu einem elenden Sklavenleben unter der Aufsicht der Gerichte
verurteilt wurde, oder er mußte in der Wüste, in den Steppen Jnnerasiens,
in den rauhen Schluchten des Sehthenlandes Schutz suchen. So war es schon,
als Flaminius, die Scipionen und Anilins Parkins, der Sieger von Pydna,
Griechenland, Kleinasien und Syrien knechteten. Während des Verfalles der
Optimateuherrschaft hatte der Provinzielle wenigstens die Genugthuung, einer
der kämpfenden Parteien seine Dienste widmen zu könne», und unter den Kaisern
wurde doch der materielle Wohlstand der Provinzen etwas mehr berücksichtigt.
Aber überall saß der römische Bürger mit feinem Selbstbewußtsein und seinen
Ansprüchen mitten unter den armen, ihrer Nationalität beraubten Eingebornen.
Es ist wahr, die damalige Kulturwelt verdiente es meistenteils, so behandelt zu
werden. Die Griechen, die Orientalen waren tief in Sittenlosigkeit, Partei-
hnder und Feigheit hinabgesunken, weder die halbwilden Iberer und Lusitanicr
in Spanien, noch die ruhelosen, in viele kleinen Stämme aufgelösten Gallier
waren fähig, ein gesundes Staatsleben zu schaffen; auch fragt es sich, wie es
in der Welt aussahe, wenn die Karthager gesiegt hätten. Aber was konnten
die Römer in und mit der Kultur, die sie den unterjochten Völkern aufdrängten,
als Ersatz für die Verlorne Freiheit und Nationalität bieten? Ihr starres
Recht, das für die römischen Bürger Privilegien, für alle andern Ruten und
Beile hatte? Ihr geordnetes Heerwesen, das niemandem die Freiheit, immer
nur die Knechtschaft brachte? Ihre Gewerbe, die sie durch Sklavenhände zum
Fabrikbetriebe erhoben? Ihre starre und zugleich so hinterlistige Stadtpolitik?
Wer für das Römertnm schwärmt, mag darin etwas Eigenartiges und eine
besondre Kraftentwicklung finden, die sittliche Größe muß er hinzudichten.
Und in allein andern, was auch zur Kultur gehört, in Religion, Sitte, Wissen¬
schaft und Kunst, waren sie unselbständiger als die meisten der unterjochten
Völker. Ihre Religion war ein kaltes, äußerliches Zeremoniell, ans Brocken
andrer Kulte zusammengewürfelt, ihre alten einfachen Sitten verfielen bald und
in erschreckender Weise, ihre Wissenschaft, ihre Kunst war wenig mehr als eine
unbeholfene Nachahmung des Griechischen. Man hört oft, die Römer hätten
sich vom griechischen Geiste durchdringen lassen, und bekräftigt dies mit der
landläufige» Sentenz: Der Sieger lernt vom Besiegten. So unumstößlich ist
diese angebliche geschichtliche Thatsache nun doch nicht. Wohl eignet sich der
Sieger etwas von der höhern Kultur des Besiegten an, aber mir so viel, als
er braucht, um äußerlich damit zu prunken, er betrachtet die vollkommenere Like--


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[0415] Der Kampf der deutschen Nationalität mit fremden Kulturen. Verwandter die Anschauungen Roms zu den seinigen machte, er hatte auch seine Dienstbcflisfcnheit zu beweisen, indem er alles Nationale in seiner Heimat de- nunzirte oder auf Leben und Tod bekämpfte. Verloren war, wer es wagte, für die Selbständigkeit, die Eigenartigkeit und den Besitz seiner Volksgenossen einzutreten, er mußte das Verbrechen, seineu Überzeugungen gemäß zu leben, mit dem Tode durch Henkershand büßen, wenn er nicht in Gnaden nach Rom geschleppt und zu einem elenden Sklavenleben unter der Aufsicht der Gerichte verurteilt wurde, oder er mußte in der Wüste, in den Steppen Jnnerasiens, in den rauhen Schluchten des Sehthenlandes Schutz suchen. So war es schon, als Flaminius, die Scipionen und Anilins Parkins, der Sieger von Pydna, Griechenland, Kleinasien und Syrien knechteten. Während des Verfalles der Optimateuherrschaft hatte der Provinzielle wenigstens die Genugthuung, einer der kämpfenden Parteien seine Dienste widmen zu könne», und unter den Kaisern wurde doch der materielle Wohlstand der Provinzen etwas mehr berücksichtigt. Aber überall saß der römische Bürger mit feinem Selbstbewußtsein und seinen Ansprüchen mitten unter den armen, ihrer Nationalität beraubten Eingebornen. Es ist wahr, die damalige Kulturwelt verdiente es meistenteils, so behandelt zu werden. Die Griechen, die Orientalen waren tief in Sittenlosigkeit, Partei- hnder und Feigheit hinabgesunken, weder die halbwilden Iberer und Lusitanicr in Spanien, noch die ruhelosen, in viele kleinen Stämme aufgelösten Gallier waren fähig, ein gesundes Staatsleben zu schaffen; auch fragt es sich, wie es in der Welt aussahe, wenn die Karthager gesiegt hätten. Aber was konnten die Römer in und mit der Kultur, die sie den unterjochten Völkern aufdrängten, als Ersatz für die Verlorne Freiheit und Nationalität bieten? Ihr starres Recht, das für die römischen Bürger Privilegien, für alle andern Ruten und Beile hatte? Ihr geordnetes Heerwesen, das niemandem die Freiheit, immer nur die Knechtschaft brachte? Ihre Gewerbe, die sie durch Sklavenhände zum Fabrikbetriebe erhoben? Ihre starre und zugleich so hinterlistige Stadtpolitik? Wer für das Römertnm schwärmt, mag darin etwas Eigenartiges und eine besondre Kraftentwicklung finden, die sittliche Größe muß er hinzudichten. Und in allein andern, was auch zur Kultur gehört, in Religion, Sitte, Wissen¬ schaft und Kunst, waren sie unselbständiger als die meisten der unterjochten Völker. Ihre Religion war ein kaltes, äußerliches Zeremoniell, ans Brocken andrer Kulte zusammengewürfelt, ihre alten einfachen Sitten verfielen bald und in erschreckender Weise, ihre Wissenschaft, ihre Kunst war wenig mehr als eine unbeholfene Nachahmung des Griechischen. Man hört oft, die Römer hätten sich vom griechischen Geiste durchdringen lassen, und bekräftigt dies mit der landläufige» Sentenz: Der Sieger lernt vom Besiegten. So unumstößlich ist diese angebliche geschichtliche Thatsache nun doch nicht. Wohl eignet sich der Sieger etwas von der höhern Kultur des Besiegten an, aber mir so viel, als er braucht, um äußerlich damit zu prunken, er betrachtet die vollkommenere Like--

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/415>, abgerufen am 28.12.2024.