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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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darunter auch weibliche Kräfte; kennen wir doch seit dem Jahre 1397 aus den
Bürgerbüchern der Stadt Nürnberg eine Menge Namen von Frauen, die ihren
Unterhalt in der Ausübung jeuer Künste fanden.

Wichtiger noch als die Verbindung des Buchgewerbes mit deu Miuiatoreu
ist die schon sehr frühzeitig hervortretende mit den Holzschneidern geworden.
Durch sie wurde die Entwicklung des Holzschnittes in fruchtbringendster Weise
gefördert, und man darf behaupten, daß sich die alten Buchdrucker das größte
Verdienst um die Verbreitung und Erhaltung dieses vvlkstümlichstcu aller
Jllustrationsmittel erworben haben.

Kobergcr kann den Anspruch erheben, auch auf diesem Gebiete neben den
besten seiner Zeitgenossen mit Ehren genannt zu werden. Seine deutsche Bibel
vom Jahre 1483 ist ein herrliches Denkmal seines Geschmackes; sie ist die erste
Bibel in hochdeutscher Sprache, welche mit figurenreichen, selbständigen Bildern
ausgestattet ist, und fand deshalb vor allen vorlutherischen Ausgaben die weiteste
Verbreitung. Welcher Künstler die Zeichnungen geliefert hat, ist nicht sicher zu
ermitteln. Alle Anzeichen aber sprechen dafür, daß sie von Michael Wolgemut
herrühren. Schon die sonstigen Beziehungen Kobergers zu diesem Künstler
legen diesen Schluß nahe. War es doch Wolgemut, welcher im Auftrage Ko¬
bergers für das größte illustrirte Werk des fünfzehnten Jahrhunderts thätig
war, für die um ihrer vortrefflichen Holzschnitte willen hochgerühmte Schedelsche
Weltchronik, welche im Jahre 1493 zu Nürnberg in zwei Ausgaben erschien.
Gegen 2250 Holzschnitte, für die an 2000 Stöcke nötig waren, schmücken dieses
Werk, das den Höhepunkt in Wolgemuts Schaffen bezeichnet. Viele der Bilder
in dieser Chronik nehmen die ganze Folioseite ein und verraten eine wahrhaft
schöpferische Kraft ihres Urhebers. Besonders wertvoll sind für uns die Städte¬
ansichten von Nürnberg, Bnmberg, Wiuzbnrg, Köln, Straßburg, Basel, Erfurt,
Ulm, München und Wien, Venedig, Florenz und Rom, da sie der Wirklichkeit
entsprechen, während andre, zumal die Städte des Altertums, nur Schöpfungen
mittelalterlicher Phantasie siud. In ihnen haben wir trotz aller Unvoll-
kommenheit die ersten verheißungsvoller Anfänge einer selbständigen deutscheu
Landschaftsmnlcrei zu begrüßen. Und welcher Ausblick eröffnet sich uns in
kunsthistorischer Hinsicht, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß Michael Wol¬
gemut der Lehrer Albrecht Dürers war und um bei Hase lesen, daß Kobergcr
zu Dürer, den er einst aus der Taufe gehoben hatte, die engsten Beziehungen
unterhielt! Mag auch Dürer, welcher nach der Rückkehr aus der Fremde in
seiner Vaterstadt eine eigne Druckerei begründete, im ganzen herzlich wenig
für seine Nürnberger Druckergenossen gezeichnet haben, so ist es doch außer
Frage, daß er durch das Vorbild von Kobergers Werken angeregt wurde, und
daß seine spätern Meisterleistungen im Holzschnitt, zu denen wir noch heute mit
staunender Bewunderung aufblicken, ohne die vorausgegangene Thätigkeit seines
im Dienste Kobergers schaffenden Lehrers nicht gedacht werden könnten.


darunter auch weibliche Kräfte; kennen wir doch seit dem Jahre 1397 aus den
Bürgerbüchern der Stadt Nürnberg eine Menge Namen von Frauen, die ihren
Unterhalt in der Ausübung jeuer Künste fanden.

Wichtiger noch als die Verbindung des Buchgewerbes mit deu Miuiatoreu
ist die schon sehr frühzeitig hervortretende mit den Holzschneidern geworden.
Durch sie wurde die Entwicklung des Holzschnittes in fruchtbringendster Weise
gefördert, und man darf behaupten, daß sich die alten Buchdrucker das größte
Verdienst um die Verbreitung und Erhaltung dieses vvlkstümlichstcu aller
Jllustrationsmittel erworben haben.

Kobergcr kann den Anspruch erheben, auch auf diesem Gebiete neben den
besten seiner Zeitgenossen mit Ehren genannt zu werden. Seine deutsche Bibel
vom Jahre 1483 ist ein herrliches Denkmal seines Geschmackes; sie ist die erste
Bibel in hochdeutscher Sprache, welche mit figurenreichen, selbständigen Bildern
ausgestattet ist, und fand deshalb vor allen vorlutherischen Ausgaben die weiteste
Verbreitung. Welcher Künstler die Zeichnungen geliefert hat, ist nicht sicher zu
ermitteln. Alle Anzeichen aber sprechen dafür, daß sie von Michael Wolgemut
herrühren. Schon die sonstigen Beziehungen Kobergers zu diesem Künstler
legen diesen Schluß nahe. War es doch Wolgemut, welcher im Auftrage Ko¬
bergers für das größte illustrirte Werk des fünfzehnten Jahrhunderts thätig
war, für die um ihrer vortrefflichen Holzschnitte willen hochgerühmte Schedelsche
Weltchronik, welche im Jahre 1493 zu Nürnberg in zwei Ausgaben erschien.
Gegen 2250 Holzschnitte, für die an 2000 Stöcke nötig waren, schmücken dieses
Werk, das den Höhepunkt in Wolgemuts Schaffen bezeichnet. Viele der Bilder
in dieser Chronik nehmen die ganze Folioseite ein und verraten eine wahrhaft
schöpferische Kraft ihres Urhebers. Besonders wertvoll sind für uns die Städte¬
ansichten von Nürnberg, Bnmberg, Wiuzbnrg, Köln, Straßburg, Basel, Erfurt,
Ulm, München und Wien, Venedig, Florenz und Rom, da sie der Wirklichkeit
entsprechen, während andre, zumal die Städte des Altertums, nur Schöpfungen
mittelalterlicher Phantasie siud. In ihnen haben wir trotz aller Unvoll-
kommenheit die ersten verheißungsvoller Anfänge einer selbständigen deutscheu
Landschaftsmnlcrei zu begrüßen. Und welcher Ausblick eröffnet sich uns in
kunsthistorischer Hinsicht, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß Michael Wol¬
gemut der Lehrer Albrecht Dürers war und um bei Hase lesen, daß Kobergcr
zu Dürer, den er einst aus der Taufe gehoben hatte, die engsten Beziehungen
unterhielt! Mag auch Dürer, welcher nach der Rückkehr aus der Fremde in
seiner Vaterstadt eine eigne Druckerei begründete, im ganzen herzlich wenig
für seine Nürnberger Druckergenossen gezeichnet haben, so ist es doch außer
Frage, daß er durch das Vorbild von Kobergers Werken angeregt wurde, und
daß seine spätern Meisterleistungen im Holzschnitt, zu denen wir noch heute mit
staunender Bewunderung aufblicken, ohne die vorausgegangene Thätigkeit seines
im Dienste Kobergers schaffenden Lehrers nicht gedacht werden könnten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/373>, abgerufen am 04.07.2024.