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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Camoens erachtete es für genügend, mit stummem Kopsschütteln beide
Fragen zu verneine!?, und ritt mit zerstreuten Wesen neben dem aufmerksam
Beobachtenden her. Tellez Alucita entschloß sich noch einmal, das Schweigen
zu brechen: Ich vergaß, daß Ihr auf Senhor Manuel Barretos Güter ge¬
gangen wäret. Hoffentlich ist es eine frohe Veranlassung, welche Euch hierher
zurückgeführt hat?

Camoens hob den Kopf, aus seinem dunkeln Auge fuhr ein Blitz auf den
Frager herab. Er setzte voraus, daß Fray Tellez um den Mord Joanas wisse
und nahm die Frage als eine" versteckten Hohn auf. Ich reite zum Kloster,
um eine Grabstelle für ein armes erwürgtes Lamm zu erbitten, ehrwürdiger
Bruder, und ich weiß nicht, ob Euch das Freude bereitet.

Um des Heilands willen, rief Fray Tellez, doch nicht Eure Maurin?
Esmah Catarina? Der Ausdruck des Erschreckens in seinem Gesicht war so
überzeugend, daß Camoens begriff, der Kaplan wisse von dem Vorgange noch
nichts, obschon die Frage verriet, wie gut er die Gefahr kenne.

Ihr seid auf der richtigen Fährte; nur ist es diesmal ein minder edles Wild,
das erlegen ist, entgegnete er finster. Die kleine Hirtin Joana, welche die
flüchtige Maurin zuerst in ihre Hütte aufgenommen hat, ist von den Dienern
des Marokkaners ermordet worden, mitten im Frieden unsers Königs und im
Schutze der Kirche, in welchem sie ihre Herde weidete!

Ihr werdet bitter ungerecht, Senhor Luis, sagte der Priester mit leisem,
schonenden Tone. Nicht jeder Frevel läßt sich hindern, und Ihr werdet
hoffentlich weder Seiner Majestät noch der heiligen Kirche die Schuld an jenem
Unheil beimessen, das Gott aus unerforschlichen Gründen geschehen ließ! Klagt
gegen die Mörder beim König, wenn Ihr gewiß seid, daß es Diener des Emirs
waren! Ich zweifle nicht daran -- Ihr aber dürft nicht vergessen, daß Ihr
und Manuel Barreto deu heidnischen Fürsten in dem getroffen habt, was ihm
das Heiligste, der Kern seiner Ehre ist. Ihr müßt den König schon um des¬
willen anrufen, weil der Schlag, der die arme thörigte Helferin getroffen hat,
sicher über kurz oder lang auf die eigentlich schuldige fallen soll. Am besten
wäre es, Eure Schutzbefohlene bliebe irgendwo versteckt, bis der Emir sich mit
dem Könige nach Tanger eingeschifft hat.

Wollte Gott, er schwämme schon auf den Wellen -- Mulei Muhamed
meine ich -- nicht den König! versetzte Camoens. Das Beste wäre, der König
jagte den Manrenzwinger allein in seine Wüste zurück; doch daran ist nicht zu
denken.

Und warum das Beste, Senhor? fragte der Kaplan geschmeidig, Verlangt
es Euch so gewaltig, daß unser junger Fürst die Gelübde breche, welche er seit
Jahren geleistet hat? Ich verstehe mich wenig auf weltliche Gefühle und Hoff¬
nungen, allein mich dünkt doch, daß Ihr, gerade Ihr. eher Ursache hättet, deu
König auf fernen Kriegspfaden als hier im Lande zu wünschen!


Camoens erachtete es für genügend, mit stummem Kopsschütteln beide
Fragen zu verneine!?, und ritt mit zerstreuten Wesen neben dem aufmerksam
Beobachtenden her. Tellez Alucita entschloß sich noch einmal, das Schweigen
zu brechen: Ich vergaß, daß Ihr auf Senhor Manuel Barretos Güter ge¬
gangen wäret. Hoffentlich ist es eine frohe Veranlassung, welche Euch hierher
zurückgeführt hat?

Camoens hob den Kopf, aus seinem dunkeln Auge fuhr ein Blitz auf den
Frager herab. Er setzte voraus, daß Fray Tellez um den Mord Joanas wisse
und nahm die Frage als eine» versteckten Hohn auf. Ich reite zum Kloster,
um eine Grabstelle für ein armes erwürgtes Lamm zu erbitten, ehrwürdiger
Bruder, und ich weiß nicht, ob Euch das Freude bereitet.

Um des Heilands willen, rief Fray Tellez, doch nicht Eure Maurin?
Esmah Catarina? Der Ausdruck des Erschreckens in seinem Gesicht war so
überzeugend, daß Camoens begriff, der Kaplan wisse von dem Vorgange noch
nichts, obschon die Frage verriet, wie gut er die Gefahr kenne.

Ihr seid auf der richtigen Fährte; nur ist es diesmal ein minder edles Wild,
das erlegen ist, entgegnete er finster. Die kleine Hirtin Joana, welche die
flüchtige Maurin zuerst in ihre Hütte aufgenommen hat, ist von den Dienern
des Marokkaners ermordet worden, mitten im Frieden unsers Königs und im
Schutze der Kirche, in welchem sie ihre Herde weidete!

Ihr werdet bitter ungerecht, Senhor Luis, sagte der Priester mit leisem,
schonenden Tone. Nicht jeder Frevel läßt sich hindern, und Ihr werdet
hoffentlich weder Seiner Majestät noch der heiligen Kirche die Schuld an jenem
Unheil beimessen, das Gott aus unerforschlichen Gründen geschehen ließ! Klagt
gegen die Mörder beim König, wenn Ihr gewiß seid, daß es Diener des Emirs
waren! Ich zweifle nicht daran — Ihr aber dürft nicht vergessen, daß Ihr
und Manuel Barreto deu heidnischen Fürsten in dem getroffen habt, was ihm
das Heiligste, der Kern seiner Ehre ist. Ihr müßt den König schon um des¬
willen anrufen, weil der Schlag, der die arme thörigte Helferin getroffen hat,
sicher über kurz oder lang auf die eigentlich schuldige fallen soll. Am besten
wäre es, Eure Schutzbefohlene bliebe irgendwo versteckt, bis der Emir sich mit
dem Könige nach Tanger eingeschifft hat.

Wollte Gott, er schwämme schon auf den Wellen — Mulei Muhamed
meine ich — nicht den König! versetzte Camoens. Das Beste wäre, der König
jagte den Manrenzwinger allein in seine Wüste zurück; doch daran ist nicht zu
denken.

Und warum das Beste, Senhor? fragte der Kaplan geschmeidig, Verlangt
es Euch so gewaltig, daß unser junger Fürst die Gelübde breche, welche er seit
Jahren geleistet hat? Ich verstehe mich wenig auf weltliche Gefühle und Hoff¬
nungen, allein mich dünkt doch, daß Ihr, gerade Ihr. eher Ursache hättet, deu
König auf fernen Kriegspfaden als hier im Lande zu wünschen!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/344>, abgerufen am 24.07.2024.