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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges.

wandten sich Richelieu und die Republik jetzt der von Gustav Adolf beabsichtigten
Diversion zu; unter dem Eindrucke der Niederlage von Valeggio wurde am
13. Juni von Rate Venedigs die Vollmacht an Contarini ausgefertigt, daß er
sich im Namen der Republik zur Zahlung von jährlich 1200 000 Livres an
den König verpflichte, in der Weise, daß Frankreich den ihm zukommenden Teil
an dieser Summe übernehme. Schon am 21. Juni wurden dem Gesandten im
Haag zu diesem Zwecke 45 000 Thaler in Gold überwiesen. Wenige Tage
nachher, im Abenddunkel des 26. Juni, landete der König von Schweden nach
zehntägiger Meerfahrt an der Spitze der Insel Usedom. ^ota sse alsa, t,rg.usivit>
L, R. UgssstW non Rubiooneiri, sha og-soin mars, mit diesen Worten verkündigte
Camerarius den Generalstaaten des Königs Landung/") Eine neue Phase des
dreißigjährigen Krieges begann, die mythenreichste und verhängnisvollste von
allen. Der Feind war da, der die Kraft hatte, mit scharfem Zahn sich ins Fleisch
von Deutschland einzuhaken; er war doppelt gefährlich, weil sein Herrscher den
Protestanten nicht ohne guten Grund als Erlöser in der äußersten Not erschien.

Mit dieser bedeutungsvollen Perspektive schließt das Werk, dessen Spuren
wir seither im wesentlichen gefolgt sind. Die weitern Beziehungen Venedigs
zur Unternehmung Gustav Adolfs hat schon Johannes Bühring in seinem
Buche: "Venedig, Gustav Adolf und Rosen" so trefflich aus den Akten ins
Licht gestellt, daß für Zwiedinck jeder wissenschaftliche Anlaß zur nochmaligen
Behandlung dieser Dinge wegfiel. Der Sieg der Schweden bei Breitenfeld be¬
deutete auch den Sieg Karls von Revers; um Ruhe in Italien zu haben,
übertrug Kaiser Ferdinand dein 1630 Verjagten sein rechtmäßiges Erbe; Ve¬
nedig hatte sein Geld an Schweden nicht umsonst verschwendet.

Indem wir auf unsre Erzählung zurückblicken, drängt sich vor allem eine
Bemerkung auf. Es giebt im siebzehnten Jahrhundert schon eine allseitige, enge
Verflechtung aller europäischen Interessen. Der Hugenottenkrieg ist auch von Be¬
deutung für Italien; er lahmt Richelieus Arm, der auf die Spanier in Mai¬
land zerschmetternd niederfallen will; und damit ist er auch von Bedeutung für
Deutschland, wo er natürlich dem Kaiser zu statten kommt. Umgekehrt ent¬
scheidet die Landung Gustav Adolfs die politische Lage in Oberitalien, und
selbst der Tatarenchan und seine Naubhorden sind ein Moment in den Beziehungen
des Westens. Es beruht aber diese Verflechtung vor allem ans der gewaltigen
Stellung des Hauses Osterreich, das überall hin übergreift, mindestens überall
Änderungen zu verhindern strebt, die seine Vormacht erschüttern könnten. So
wird leider auch der innerdeutsche Kampf ein Moment der europäischen Politik,
und dieselben Interessen, welche sonst dem Hause Habsburg sich eutgegenwarfen,
sind auch maßgebend für den deutschen Bürgerkrieg. Die böhmischen Rebellen,
die in Prag die kaiserlichen Statthalter aus den Schloßfenstern stürzen, die



") G. Droysen, Gustav Adolf, II, 151.
Zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges.

wandten sich Richelieu und die Republik jetzt der von Gustav Adolf beabsichtigten
Diversion zu; unter dem Eindrucke der Niederlage von Valeggio wurde am
13. Juni von Rate Venedigs die Vollmacht an Contarini ausgefertigt, daß er
sich im Namen der Republik zur Zahlung von jährlich 1200 000 Livres an
den König verpflichte, in der Weise, daß Frankreich den ihm zukommenden Teil
an dieser Summe übernehme. Schon am 21. Juni wurden dem Gesandten im
Haag zu diesem Zwecke 45 000 Thaler in Gold überwiesen. Wenige Tage
nachher, im Abenddunkel des 26. Juni, landete der König von Schweden nach
zehntägiger Meerfahrt an der Spitze der Insel Usedom. ^ota sse alsa, t,rg.usivit>
L, R. UgssstW non Rubiooneiri, sha og-soin mars, mit diesen Worten verkündigte
Camerarius den Generalstaaten des Königs Landung/") Eine neue Phase des
dreißigjährigen Krieges begann, die mythenreichste und verhängnisvollste von
allen. Der Feind war da, der die Kraft hatte, mit scharfem Zahn sich ins Fleisch
von Deutschland einzuhaken; er war doppelt gefährlich, weil sein Herrscher den
Protestanten nicht ohne guten Grund als Erlöser in der äußersten Not erschien.

Mit dieser bedeutungsvollen Perspektive schließt das Werk, dessen Spuren
wir seither im wesentlichen gefolgt sind. Die weitern Beziehungen Venedigs
zur Unternehmung Gustav Adolfs hat schon Johannes Bühring in seinem
Buche: „Venedig, Gustav Adolf und Rosen" so trefflich aus den Akten ins
Licht gestellt, daß für Zwiedinck jeder wissenschaftliche Anlaß zur nochmaligen
Behandlung dieser Dinge wegfiel. Der Sieg der Schweden bei Breitenfeld be¬
deutete auch den Sieg Karls von Revers; um Ruhe in Italien zu haben,
übertrug Kaiser Ferdinand dein 1630 Verjagten sein rechtmäßiges Erbe; Ve¬
nedig hatte sein Geld an Schweden nicht umsonst verschwendet.

Indem wir auf unsre Erzählung zurückblicken, drängt sich vor allem eine
Bemerkung auf. Es giebt im siebzehnten Jahrhundert schon eine allseitige, enge
Verflechtung aller europäischen Interessen. Der Hugenottenkrieg ist auch von Be¬
deutung für Italien; er lahmt Richelieus Arm, der auf die Spanier in Mai¬
land zerschmetternd niederfallen will; und damit ist er auch von Bedeutung für
Deutschland, wo er natürlich dem Kaiser zu statten kommt. Umgekehrt ent¬
scheidet die Landung Gustav Adolfs die politische Lage in Oberitalien, und
selbst der Tatarenchan und seine Naubhorden sind ein Moment in den Beziehungen
des Westens. Es beruht aber diese Verflechtung vor allem ans der gewaltigen
Stellung des Hauses Osterreich, das überall hin übergreift, mindestens überall
Änderungen zu verhindern strebt, die seine Vormacht erschüttern könnten. So
wird leider auch der innerdeutsche Kampf ein Moment der europäischen Politik,
und dieselben Interessen, welche sonst dem Hause Habsburg sich eutgegenwarfen,
sind auch maßgebend für den deutschen Bürgerkrieg. Die böhmischen Rebellen,
die in Prag die kaiserlichen Statthalter aus den Schloßfenstern stürzen, die



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[0184] Zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges. wandten sich Richelieu und die Republik jetzt der von Gustav Adolf beabsichtigten Diversion zu; unter dem Eindrucke der Niederlage von Valeggio wurde am 13. Juni von Rate Venedigs die Vollmacht an Contarini ausgefertigt, daß er sich im Namen der Republik zur Zahlung von jährlich 1200 000 Livres an den König verpflichte, in der Weise, daß Frankreich den ihm zukommenden Teil an dieser Summe übernehme. Schon am 21. Juni wurden dem Gesandten im Haag zu diesem Zwecke 45 000 Thaler in Gold überwiesen. Wenige Tage nachher, im Abenddunkel des 26. Juni, landete der König von Schweden nach zehntägiger Meerfahrt an der Spitze der Insel Usedom. ^ota sse alsa, t,rg.usivit> L, R. UgssstW non Rubiooneiri, sha og-soin mars, mit diesen Worten verkündigte Camerarius den Generalstaaten des Königs Landung/") Eine neue Phase des dreißigjährigen Krieges begann, die mythenreichste und verhängnisvollste von allen. Der Feind war da, der die Kraft hatte, mit scharfem Zahn sich ins Fleisch von Deutschland einzuhaken; er war doppelt gefährlich, weil sein Herrscher den Protestanten nicht ohne guten Grund als Erlöser in der äußersten Not erschien. Mit dieser bedeutungsvollen Perspektive schließt das Werk, dessen Spuren wir seither im wesentlichen gefolgt sind. Die weitern Beziehungen Venedigs zur Unternehmung Gustav Adolfs hat schon Johannes Bühring in seinem Buche: „Venedig, Gustav Adolf und Rosen" so trefflich aus den Akten ins Licht gestellt, daß für Zwiedinck jeder wissenschaftliche Anlaß zur nochmaligen Behandlung dieser Dinge wegfiel. Der Sieg der Schweden bei Breitenfeld be¬ deutete auch den Sieg Karls von Revers; um Ruhe in Italien zu haben, übertrug Kaiser Ferdinand dein 1630 Verjagten sein rechtmäßiges Erbe; Ve¬ nedig hatte sein Geld an Schweden nicht umsonst verschwendet. Indem wir auf unsre Erzählung zurückblicken, drängt sich vor allem eine Bemerkung auf. Es giebt im siebzehnten Jahrhundert schon eine allseitige, enge Verflechtung aller europäischen Interessen. Der Hugenottenkrieg ist auch von Be¬ deutung für Italien; er lahmt Richelieus Arm, der auf die Spanier in Mai¬ land zerschmetternd niederfallen will; und damit ist er auch von Bedeutung für Deutschland, wo er natürlich dem Kaiser zu statten kommt. Umgekehrt ent¬ scheidet die Landung Gustav Adolfs die politische Lage in Oberitalien, und selbst der Tatarenchan und seine Naubhorden sind ein Moment in den Beziehungen des Westens. Es beruht aber diese Verflechtung vor allem ans der gewaltigen Stellung des Hauses Osterreich, das überall hin übergreift, mindestens überall Änderungen zu verhindern strebt, die seine Vormacht erschüttern könnten. So wird leider auch der innerdeutsche Kampf ein Moment der europäischen Politik, und dieselben Interessen, welche sonst dem Hause Habsburg sich eutgegenwarfen, sind auch maßgebend für den deutschen Bürgerkrieg. Die böhmischen Rebellen, die in Prag die kaiserlichen Statthalter aus den Schloßfenstern stürzen, die ») G. Droysen, Gustav Adolf, II, 151.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/184>, abgerufen am 30.06.2024.