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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Gladstones Aussichten in Sachen Irlands,

Jahre oder bis zu einer Auflösung nicht Gesetz werden. Dieses cinfschiebende
Veto würde aber kein wirksames Hindernis für Pläne sein, welche eine katho¬
lische Mehrheit des irischen Parlaments drei Jahre lang beharrlich auszuführen
drängte, und eine Auflösung könnte ihr dabei sogar förderlich sein. Der Vize¬
könig würde vermutlich dem Rate seiner irischen Minister folgen, und Parnell
brauchte nur eine schleunige Auflösung zu betreiben, und mit der Verzögerung
durch das Veto der ersten Ordnung wäre es zu Ende. Außer diesem Versuche
einer Beschränkung in innern Fragen enthält der Plan Gladstones auch Schranken
für das neue Parlament nach außen hin. Es darf sich nicht in die Präroga¬
tiven der Krone, nicht in Sachen der Armee und der Kriegsflotte, nicht in aus¬
wärtige und koloniale Angelegenheiten, nicht in Handels- und Schifffahrtsfragen
mischen und sich nicht mit der Münze befassen, obwohl es alle irischen Zettel¬
banken von einem einzigen Staatsinstitute aufsaugen lassen darf. Es kann keine
Zollabgaben und keine Acciseabgaben, die ans die Zölle einwirken würden, auf¬
erlegen, keine Kirche dotireu, keine bewaffnete Macht aufstellen und für jetzt keine
Kontrole über die königliche Gendarmerie (LoirstAvuI"^) ausüben. Dagegen
werden ihm nach Gladstones bestimmter Erklärung alle Befugnisse zustehen, die
ihm der Plan des Ministers nicht ausdrücklich entzieht. Es wird Gesetze geben
und verwalten, die Ordnung aufrecht erhalten und die Macht haben, direkte
Steuern auszuschreiben. Der Vizekönig wird ein dauernder Vertreter der Krone
sein, nicht ein Minister, der mit dem englischen Kabinet wechselt. Die gegen¬
wärtigen Richter sollen dnrch eine besondre Klausel geschützt werden, die ihnen
Ansprüche auf englische Entschädigung sichert, wenn sie infolge ihrer Entschei¬
dungen bei den neuen Herren mißliebig werden und sich unbilliger Behandlung
ausgesetzt scheu. Die irischen Verwaltungsbeamten sollen ebenfalls befugt sein,
von ihren Stellen mit erhöhter Pension zurückzutreten, und wenn die britische Kon¬
trole über die irische Gendarmerie bis ans weiteres beibehalten werden soll, so
waltet dabei offenbar gleichfalls die Absicht ob, die Interessen der Mitglieder der¬
selben gegen Verletzung zu schützen, die vom Dubliner Parlamentebefürchtet wird.

Das Wesentliche des Gladstoneschcn Planes ist, daß er Irland in eine
Kolonie mit einigen Nachteilen und Beschränkungen umwandeln will. Es wird
in Frieden und Krieg von Großbritannien so weit getrennt sein wie Kanada,
aber, wie schon bemerkt, ungleich Kanada zu den britischen Ausgaben beitragen
müssen, wenn auch weniger als bisher. Es wird, ebenfalls ungleich Kanada, nicht
befugt sein, Zölle zu erheben und eine Miliz aufzustellen, und seine Gendarmerie
wird für die nächste Zeit den Befehlen einer "fremden Macht" -- so drückt sich
Gladstone selbst aus -- unterworfen sein. Als eine Wohlthat wird englischen
Parlamentariern erschienen sein, daß künftig irisches Übelwollen die Beratungen
in Westminster uicht mehr stören und nicht mehr das Zünglein an der großen
Wage der englischen Parteien bilden soll. Die englische Gesetzgebung und Politik
würde nach Gladstones Plane freier und kräftiger wirken als bisher mit dem


Gladstones Aussichten in Sachen Irlands,

Jahre oder bis zu einer Auflösung nicht Gesetz werden. Dieses cinfschiebende
Veto würde aber kein wirksames Hindernis für Pläne sein, welche eine katho¬
lische Mehrheit des irischen Parlaments drei Jahre lang beharrlich auszuführen
drängte, und eine Auflösung könnte ihr dabei sogar förderlich sein. Der Vize¬
könig würde vermutlich dem Rate seiner irischen Minister folgen, und Parnell
brauchte nur eine schleunige Auflösung zu betreiben, und mit der Verzögerung
durch das Veto der ersten Ordnung wäre es zu Ende. Außer diesem Versuche
einer Beschränkung in innern Fragen enthält der Plan Gladstones auch Schranken
für das neue Parlament nach außen hin. Es darf sich nicht in die Präroga¬
tiven der Krone, nicht in Sachen der Armee und der Kriegsflotte, nicht in aus¬
wärtige und koloniale Angelegenheiten, nicht in Handels- und Schifffahrtsfragen
mischen und sich nicht mit der Münze befassen, obwohl es alle irischen Zettel¬
banken von einem einzigen Staatsinstitute aufsaugen lassen darf. Es kann keine
Zollabgaben und keine Acciseabgaben, die ans die Zölle einwirken würden, auf¬
erlegen, keine Kirche dotireu, keine bewaffnete Macht aufstellen und für jetzt keine
Kontrole über die königliche Gendarmerie (LoirstAvuI»^) ausüben. Dagegen
werden ihm nach Gladstones bestimmter Erklärung alle Befugnisse zustehen, die
ihm der Plan des Ministers nicht ausdrücklich entzieht. Es wird Gesetze geben
und verwalten, die Ordnung aufrecht erhalten und die Macht haben, direkte
Steuern auszuschreiben. Der Vizekönig wird ein dauernder Vertreter der Krone
sein, nicht ein Minister, der mit dem englischen Kabinet wechselt. Die gegen¬
wärtigen Richter sollen dnrch eine besondre Klausel geschützt werden, die ihnen
Ansprüche auf englische Entschädigung sichert, wenn sie infolge ihrer Entschei¬
dungen bei den neuen Herren mißliebig werden und sich unbilliger Behandlung
ausgesetzt scheu. Die irischen Verwaltungsbeamten sollen ebenfalls befugt sein,
von ihren Stellen mit erhöhter Pension zurückzutreten, und wenn die britische Kon¬
trole über die irische Gendarmerie bis ans weiteres beibehalten werden soll, so
waltet dabei offenbar gleichfalls die Absicht ob, die Interessen der Mitglieder der¬
selben gegen Verletzung zu schützen, die vom Dubliner Parlamentebefürchtet wird.

Das Wesentliche des Gladstoneschcn Planes ist, daß er Irland in eine
Kolonie mit einigen Nachteilen und Beschränkungen umwandeln will. Es wird
in Frieden und Krieg von Großbritannien so weit getrennt sein wie Kanada,
aber, wie schon bemerkt, ungleich Kanada zu den britischen Ausgaben beitragen
müssen, wenn auch weniger als bisher. Es wird, ebenfalls ungleich Kanada, nicht
befugt sein, Zölle zu erheben und eine Miliz aufzustellen, und seine Gendarmerie
wird für die nächste Zeit den Befehlen einer „fremden Macht" — so drückt sich
Gladstone selbst aus — unterworfen sein. Als eine Wohlthat wird englischen
Parlamentariern erschienen sein, daß künftig irisches Übelwollen die Beratungen
in Westminster uicht mehr stören und nicht mehr das Zünglein an der großen
Wage der englischen Parteien bilden soll. Die englische Gesetzgebung und Politik
würde nach Gladstones Plane freier und kräftiger wirken als bisher mit dem


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[0155] Gladstones Aussichten in Sachen Irlands, Jahre oder bis zu einer Auflösung nicht Gesetz werden. Dieses cinfschiebende Veto würde aber kein wirksames Hindernis für Pläne sein, welche eine katho¬ lische Mehrheit des irischen Parlaments drei Jahre lang beharrlich auszuführen drängte, und eine Auflösung könnte ihr dabei sogar förderlich sein. Der Vize¬ könig würde vermutlich dem Rate seiner irischen Minister folgen, und Parnell brauchte nur eine schleunige Auflösung zu betreiben, und mit der Verzögerung durch das Veto der ersten Ordnung wäre es zu Ende. Außer diesem Versuche einer Beschränkung in innern Fragen enthält der Plan Gladstones auch Schranken für das neue Parlament nach außen hin. Es darf sich nicht in die Präroga¬ tiven der Krone, nicht in Sachen der Armee und der Kriegsflotte, nicht in aus¬ wärtige und koloniale Angelegenheiten, nicht in Handels- und Schifffahrtsfragen mischen und sich nicht mit der Münze befassen, obwohl es alle irischen Zettel¬ banken von einem einzigen Staatsinstitute aufsaugen lassen darf. Es kann keine Zollabgaben und keine Acciseabgaben, die ans die Zölle einwirken würden, auf¬ erlegen, keine Kirche dotireu, keine bewaffnete Macht aufstellen und für jetzt keine Kontrole über die königliche Gendarmerie (LoirstAvuI»^) ausüben. Dagegen werden ihm nach Gladstones bestimmter Erklärung alle Befugnisse zustehen, die ihm der Plan des Ministers nicht ausdrücklich entzieht. Es wird Gesetze geben und verwalten, die Ordnung aufrecht erhalten und die Macht haben, direkte Steuern auszuschreiben. Der Vizekönig wird ein dauernder Vertreter der Krone sein, nicht ein Minister, der mit dem englischen Kabinet wechselt. Die gegen¬ wärtigen Richter sollen dnrch eine besondre Klausel geschützt werden, die ihnen Ansprüche auf englische Entschädigung sichert, wenn sie infolge ihrer Entschei¬ dungen bei den neuen Herren mißliebig werden und sich unbilliger Behandlung ausgesetzt scheu. Die irischen Verwaltungsbeamten sollen ebenfalls befugt sein, von ihren Stellen mit erhöhter Pension zurückzutreten, und wenn die britische Kon¬ trole über die irische Gendarmerie bis ans weiteres beibehalten werden soll, so waltet dabei offenbar gleichfalls die Absicht ob, die Interessen der Mitglieder der¬ selben gegen Verletzung zu schützen, die vom Dubliner Parlamentebefürchtet wird. Das Wesentliche des Gladstoneschcn Planes ist, daß er Irland in eine Kolonie mit einigen Nachteilen und Beschränkungen umwandeln will. Es wird in Frieden und Krieg von Großbritannien so weit getrennt sein wie Kanada, aber, wie schon bemerkt, ungleich Kanada zu den britischen Ausgaben beitragen müssen, wenn auch weniger als bisher. Es wird, ebenfalls ungleich Kanada, nicht befugt sein, Zölle zu erheben und eine Miliz aufzustellen, und seine Gendarmerie wird für die nächste Zeit den Befehlen einer „fremden Macht" — so drückt sich Gladstone selbst aus — unterworfen sein. Als eine Wohlthat wird englischen Parlamentariern erschienen sein, daß künftig irisches Übelwollen die Beratungen in Westminster uicht mehr stören und nicht mehr das Zünglein an der großen Wage der englischen Parteien bilden soll. Die englische Gesetzgebung und Politik würde nach Gladstones Plane freier und kräftiger wirken als bisher mit dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/155>, abgerufen am 03.07.2024.